Der Autor dieses Textes ist 1104 Euro wert. Zumindest laut der App Prematch, die für jeden Amateurfußballer in Deutschland ein Profil bereithält, inklusive Leistungsdaten, Statistiken – und Marktwert. Und der ist umso größer, je höher die Liga ist, in der er spielt, je mehr Spiele er macht und je erfolgreicher er dabei ist. Und da „Jannik Tillar“ in einem Verein der Kreisliga B spielt, lediglich ein Saisonspiel absolviert hat, immerhin aber auf Tabellenplatz eins rangiert, verfügt er laut Prematch über einen Marktwert von 1104 Euro.
Was wie eine Spielerei wirkt, kommt bei vielen der 2,2 Millionen Amateurfußballern in Deutschland offenbar gut an. Prematch wirbt damit, Nutzer in 94 Prozent aller deutschen Fußballvereine zu haben. Diese vergleichen nicht nur ihren Marktwert untereinander, sondern vor allem ihre Statistiken: Tore, gespielte Minuten, Torvorlagen und vieles mehr. Außerdem sind die Social-Media-Kanäle der einzelnen Teams verlinkt. So ergibt sich ein personalisierter Feed für die zugehörige Liga und den eigenen Verein. Ein wenig wie eine digitale Umkleidekabine.
Diese Idee hat zuletzt auch prominente Investoren überzeugt. Vergangene Woche verkündete das Kölner Start-up eine neue Finanzierungsrunde in Millionenhöhe. Zu den Investoren zählen etwa die Fußballprofis Serge Gnabry (Bayern München) und David Raum (RB Leipzig) sowie das Family Office von Startrainer Jürgen Klopp (FC Liverpool).
14 Millionen Impressions
Für CEO Lukas Röhle dreht sich die Welt gerade entsprechend schnell. „Das ist positiver Stress für mich“, sagt der 28-Jährige gegenüber Capital. „Ich will mich also nicht beklagen.“ Er und seine beiden Mitgründer Fiete Grünter (CTO) und Niklas Brackmann (CPO) haben mit den prominenten Investoren einen medialen Volltreffer gelandet. 14 Millionen Impressionen seien in den ersten zwei Tagen gelungen, sagt Röhle. Genau dafür sollen die prominenten Gesichter auch da sein: Reichweite erzielen und als neue Botschafter wirken.
Der Deal ist insofern aber besonders, weil junge Start-up-Gründer normalerweise lieber auf erfahrene Investoren aus ihrer Branche setzen – Business Angels oder Risikokapitalgeber also. Promi-Geldgeber stehen zudem nicht im Ruf, überaus erfolgreiche Investoren zu sein.
Röhle verteidigt die Entscheidung trotzdem. Zum einen habe Prematch mit Ralf Reichert schon lange einen erfolgreichen Internet-Unternehmer an Bord – Reichert verkaufte ESL Gaming, einen Turnierorganisator für Online-Games, einst für knapp 800 Mio. Euro an den saudi-arabischen Staatsfonds. Dazu investiert ein hochrangiger Strava-Manager – das erfolgreiche Prematch-Pendant im Ausdauersport – ins Unternehmen. Zu den weiteren prominenten Investoren gehört unter anderem die Unternehmerin Verena Pausder.
Röhle glaubt, dass die Star-Fußballer an anderer Stelle helfen können. „Serge Gnabry schreibt sicher nicht am Quellcode mit“, sagt Röhle. „Er kann uns aber sagen, was im Profifußball funktioniert, und was nicht. Das hilft uns extrem, weil meistens funktioniert das dann auch im Amateurfußball.“ Wie groß die Tickets von Gnabry, Raum und Klopp dabei waren, will er nicht verraten. Nur so viel: „In unseren drei Finanzierungsrunden haben wir insgesamt einen mittleren siebenstelligen Euro-Betrag eingesammelt.“
Wie hoch der Anteil der Gründer noch ist? Ebenfalls geheim. Die Bewertung dürfte dennoch mindestens im zweistelligen Millionenbereich liegen. Von einem schwierigen Funding-Klima aufgrund der höheren Zinsen kann Röhle dabei nicht berichten. „Natürlich bekomme ich es von anderen Gründerinnen und Gründern mit. Und die Situation ist sicher nicht leicht. Ich glaube aber, wenn die Entwicklung und Performance stimmen, dann findet man auch Investoren. Bei uns war das jedenfalls so.“ Das lässt sich wohl so festhalten, denn nach einer Finanzierungsrunde im Mai konnte Prematch bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr frisches Geld einsammeln. Und dieses Mal eben von prominenten Investoren.
Gegründet haben Röhle, Grünter und Brackmann das Unternehmen Mitte 2021. Die Idee kam ihnen in der Freizeit. Alle drei sind mehr oder weniger erfolgreiche Amateurfußballer mit einer großen Begeisterung für den Sport. Röhle begann seine Karriere in den Marketingabteilungen von TuS Koblenz und Bayer Leverkusen. Währenddessen wurde er sportlicher Leiter in seinem Heimatverein Ahrweiler BC, wo er erkannt habe, wie wichtig ein Netzwerk sei: „Ich wollte immer wissen, was gerade in den Teams passiert. Sowohl im eigenen Verein als auch bei den Gegnern.“ Nur: Informationen habe er kaum bekommen. Der Amateurbereich tickt anders als die Bundesliga. Hier gibt es keine Datencenter, keine enge Berichterstattung, keine Blogs. Doch eigentlich sucht jeder Amateurtrainer danach, um sein Team auf den kommenden Gegner einzustellen. Eine Marktlücke, dachten sich Rühle und seine Mitgründer.
Los ging es im Kleinen – mit einem Instagram-Account für die Rheinland-Liga. Mit Bildern, Spielberichten und vielen kleinen nützlichen Informationen. Schnell erreichten die drei damit 1500 Follower. „Und da haben wir gemerkt, wie viel Potenzial drinsteckt.“ Später bauten sie ein Kommunikationstool für Whatsapp. Wer zehn Fragen über sich beantwortet, sollte Zugang zu Informationen über die Rheinland-Liga bekommen. Knapp 50 Prozent der Liga-Spieler hätten die Fragen beantwortet. „Und damit hatten wir den Beweis, dass es wohl eine Lücke für eine professionelle Lösung gibt“, sagt Röhle. „Also sind wir mit Prematch gestartet.“
Netzwerkcharakter überzeugte Investoren
Ob Talent oder Glück, darüber ließe sich streiten, meint Röhle – aber er und seine Mitstreiter überzeugten recht schnell Business Angels von ihrer Idee. „Es gibt 100.000 Fußballideen. Aber der Netzwerkcharakter war für sie neu – und gleichzeitig gab es mit Strava oder Linkedin schon erfolgreiche Beispiele.“
Aus einem rudimentären Prototypen ist Prematch über die Zeit zu einer vollwertigen App gewachsen: mit einem großen Datencenter, das über Einsatzminuten, Tore, Tippquoten, Aufstiege, Vereinswechsel und vieles mehr informiert. Seit neuestem können Nutzerinnen und Nutzer auch den vergangenen Gegner bewerten: Wie gut waren die Spieler, über welche Seite wurden Angriffe meist gestartet, wie stark setzte man auf Konter? Für Trainer sind solche Information enorm nützlich – und, so hoffen die Prematch-Gründer, auch ein paar Euro im Monat wert.
Bislang verdient Prematch sein Geld noch vor allem mit Werbepartnern wie Dazn, Scalable Capital oder Krombacher. Angezeigt wird in der App schon eine Pro-Version, die aber noch nicht gekauft werden kann. „Damit wollen wir uns auch etwas Zeit lassen. Wir wollen die Nutzerinnen und Nutzer nicht verschrecken, aber schon einmal darauf aufmerksam machen.“
Wo es mit Prematch noch hingehen soll? Erstmal liege der Fokus auf neuen App-Funktionen und Werbepartnern. Irgendwann, und das sei auch klar, stehe das Thema Internationalisierung an, sagt Röhle. „Fußball wird nicht nur in Deutschland gespielt wird. Das hat aber Zeit. Wir sind Fußballer – von daher schauen wir von Spiel zu Spiel.“