Die Fußballprofis Xaver Schlager, Nicolas Seiwald und Benjamin Sesko haben etwas gemeinsam: Alle drei spielen derzeit beim Bundesligaclub RB Leipzig – und alle drei begannen ihre Karrieren bei den österreichischen Vereinen FC Liefering sowie RB Salzburg. Warum das kein Zufall ist, zeigt eine aktuelle Studie des Analysehauses Pitchbook, das sich die Investorenverhältnisse der europäischen Spitzenvereine angeschaut hat. Die wichtigste Erkenntnis: MCOs, sogenannte Multi-Club-Ownerships, werden immer wichtiger. Investoren geben sich also nicht mehr mit einem Liebhaberprojekt zufrieden, sondern kaufen gleich zwei, drei, vier oder noch mehr Vereine.
Die drei Leipziger Profis passen insofern ins Bild, weil sie für das zentrale Motiv von MCOs stehen: Synergien. Der FC Liefering gilt als Ausbildungsverein, also ein sogenanntes Farmteam, von RB Salzburg, das wiederum als Farmteam von RB Leipzig gilt. Und über allem steht der Getränkehersteller Red Bull als Geldgeber. Die Strategie: Spieler können sich bei einem kleineren Verein entwickeln; machen sie den nächsten Schritt, wechseln sie zum entsprechend größeren Verein; und schlussendlich geht es zu RB Leipzig. Für die Vereine birgt das viele Vorteile – sie können Spieler günstig erwerben, dann entwickeln und schließlich für viel Geld weiterverkaufen. Und für die Spieler bedeuten diese Strukturen einen klaren Karriereplan – nebst fürstlicher Bezahlung.
Pitchbook zeigt in seiner Analyse dabei einige klare Muster auf: zum Beispiel, dass die Red-Bull-Struktur typisch für Investoren ist. Diese halten einen „Star-Club“, in diesem Fall RB Leipzig, und bauen darum mehrere kleine Satelliten-Clubs auf – hier den FC Liefering, RB Salzburg, die New York Red Bulls und CA Bragantino. Ähnlich sieht es beispielsweise auch bei der City Football Group (Star-Club: Manchester City; Satelliten: unter anderem New York City FC und FC Girona) oder Qatar Sports Investments (Star-Club: Paris Saint-Germain, Satellit: SC Braga) aus.
Der Trend geht zum Cross-Sport-Portfolio
Inzwischen seien 41,7 Prozent aller Clubs in den Top-5-Ligen Europas Teil eines MCOs, ermittelte Pitchbook. Zu den Top-5-Ligen zählen dabei Deutschland, England, Spanien, Italien und Frankreich. In der vergangenen Saison seien es nur 36,7 Prozent aller Clubs gewesen. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre habe sich diese Quote sogar vervierfacht.
37,5 Prozent der Clubs in MCOs haben laut Pitchbook eine US-Beteiligung (Vorjahr: 34,7 Prozent). Und diese US-Investoren halten auch besonders häufig sogenannte Cross-Sport-Portfolios. Sie investieren also nicht nur in Fußball, sondern zusätzlich in American Football, Basketball oder Baseball. Bekanntestes Beispiel hierfür ist der FC-Arsenal-Investor Stan Kroenke.
Die Gründe für sportartenübergreifende Investments sind dabei ähnlich gelagert wie bei reinen Fußball-Beteiligungen. Im Kern hat Pitchbook drei Motive für MCOs ermittelt: Performance, Finanzen und Vermarktung.
- Performance: Ein talentierter Spieler durchläuft zunächst die kleineren Clubs, ehe er gut genug ist für den Star-Club – wie im Red-Bull-Beispiel. Dadurch hebt er vorübergehend das Niveau der kleineren Clubs, der ihn normalerweise nicht bezahlen könnte. Weiteres Plus: Die Vereine können sich Scouting, Infrastruktur und Technologie teilen – was wiederum die Kosten drückt
- Finanzen: Pitchbook führt hier vor allem die Flexibilität bei Spielerverträgen an. MCOs können Spieler beispielsweise zu intransparenten Bedingungen untereinander verleihen. Das zeigt sich auch in einer Zunahme von ablösefreien Transfers und Leihen. Für MCOs sind sie gut, weil der Star-Club seine Spieler bei Satelliten-Clubs (weiter-)bezahlen kann und so den Ertrag des kleineren Clubs erhöht – was wiederum die Bewertung auf Gruppenebene erhöht. Das hat auch die Uefa inzwischen erkannt, der Verdacht: MCOs könnten „Transferaktivitäten potenziell stören“, da die Preise innerhalb der Netzwerke „den Investoren zwar passen, aber nicht den fairen Wert wiedergeben“. Auch deshalb gibt es jetzt zunehmend strengere Regeln für Leihen. Seit dieser Saison dürfen Vereine nur noch acht Leihverträge abschließen und in zwei Jahren sogar nur noch sechs.
- Vermarktung: MCOs haben eine größere Verhandlungsmacht gegenüber Sponsoren, da sie Werbung über ihre komplette Gruppe ausspielen können. Das zeigt sich beispielsweise bei der City Football Group (CFG), in der neun der 13 Vereine von Puma ausgestattet werden und immerhin drei Vereine Etihad Airways als Trikotsponsor haben.
Deutschland, das in seiner Außendarstellung als investorenkritisch gilt, ist in der Praxis nicht mehr oder weniger stark von MCOs geprägt als andere Länder auch. Hierzulande sind laut Pitchbook 4 von 18 Bundesligisten in der Hand von Investoren oder Sponsoren – darunter der FC Augsburg, Bayern München und Red Bull Leipzig. Zum Erhebungszeitpunkt der Studie fiel auch Hertha BSC, in der Hand von US-Investor 777Partners, darunter – inzwischen spielt der selbsternannte „Big City Club“ in der zweiten Liga.
In Italien ist der Anteil genauso hoch, in Spanien sind es nur zwei mehr. Vor allem England (14 von 20 Vereinen) und Frankreich (8 von 18) sind hingegen deutlich investorenfreundlicher. Trotzdem gibt es Einschränkungen: Einzelne Geldgeber können nicht jedes Team kaufen, beispielsweise dürfen sie keine Mehrheitsbeteiligungen an zwei Teams im selben Wettbewerb halten – auch wenn es hiervon einige Ausnahmen gibt.
Die wichtigste Vorgabe in Deutschland: Investoren dürfen nicht mehr als 50 Prozent der Stimmrechte halten. Wobei es auch hiervon Ausnahmen gibt: Der RB Leipzig e.V. – ein Verein – hält nur ein Prozent an der RasenBallsport Leipzig GmbH, der Gesellschaft hinter Bundesligist RB Leipzig. 99 Prozent gehören dem Getränkehersteller Red Bull. Trotzdem hält der RB Leipzig e.V. die Stimmenmehrheit, um die deutsche 50+1-Regel einzuhalten. De facto stehen allerdings die 20 Vereinsmitglieder in enger Verbindung mit Red Bull, weshalb das Konstrukt auch so umstritten ist.