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Kolumne Zinswende – die USA sind keine Insel

Die Fed im Dilemma: Die US-Wirtschaft würde eine Zinserhöhung hergeben, aber die globalen Folgen wären riskant. Von David Milleker
Die US-Wirtschaft könnte eine Zinserhöhung wohl verkraften
Die US-Wirtschaft könnte eine Zinserhöhung wohl verkraften
© Getty Images
Kolumne: Zinswende – die USA sind keine Insel

David Milleker ist seit 2006 Chefvolkswirt bei Union Investment, einer der größten deutschen Fondsgesellschaften. Sie gehört zur genossenschaftlichen Finanzgruppe.

Vor allem eine Frage treibt die Kapitalmärkte seit Monaten um: Wann kommt die Zinswende in den USA? Bei der mit Spannung erwarteten Sitzung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) im September konnte man sich noch nicht zum ersten Zinsschritt durchringen. Die Diskussion muss recht kontrovers gewesen sein, wie die sehr heterogenen Stellungnahmen der Teilnehmer nach der Sitzung vermuten lassen. Die reichten von „wir hätten eigentlich anheben sollen“ zu „bei dem Datenkranz sollten wir (mindestens) bis 2016 warten, bevor wir das ernsthaft überlegen“.

Ein wesentlicher Grund, weshalb der Datenkranz so unterschiedlich interpretiert wird, ist die internationale Komponente der Inflationsdynamik. Im Grunde genommen gehen die meisten Makroökonomen von folgendem Zusammenhang aus: Ist die Arbeitslosenquote niedrig, steigen Löhne und Preise schneller als bei einer hohen. Das nennt man Philipps-Kurve. Die US-Debatte dreht sich im Wesentlichen darum, ob man bei der aktuellen Arbeitslosenquote von rund fünf Prozent die Leitzinsen erhöhen sollte, weil eine Beschleunigung von Lohn- und Preisentwicklung zwar noch nicht vorhanden ist, aber bevorsteht. Oder ob man lieber warten sollte, bis eine solche Beschleunigung überhaupt erst sichtbar ist.

Bei der Debatte wird dann freilich häufig ausgeblendet, welche Rolle internationale Entwicklungen für die heimische Preisbildung spielen. Die Chefin der US-Notenbank Janet Yellen hat es im Nachgang der September-Sitzung in einer ausgesprochen detaillierten Rede – inklusive Schätzungen der unterlegten Formeln – gerade gezogen. Im Kern unterstellt sie ganz traditionell eine erwartungsbasierte Philipps-Kurve, ergänzt sie aber um den Einfluss von Importpreisen als internationalen Faktor. Der zentrale Befund aus den mitgelieferten Schätzungen ist dann freilich, dass die Importpreise kurzfristig die heimischen Inflationstreiber deutlich überlagern können.

Begrenzter Handlungsspielraum

Erster Befund daraus: Die USA sind eben keine Insel, sondern starken Rückkopplungen von außen unterworfen. Das nennt man wohl Globalisierung. Zweiter Befund: Die Hoffnung der US-Notenbank auf eine Annäherung der Inflationsraten an ihre Zielmarke stützt sich wesentlich darauf, dass die Erwartungen verankert bleiben und der Rückgang der Importpreise (und damit implizit die Aufwertungstendenz des US-Dollar) bald nachlässt.

Gerade letzteres dürfte schwierig werden, solange die US-Notenbank quasi als einzige mit dem Gedanken an Zinsanhebungen spielt und das Wachstum in zahlreichen Schwellenländern sich nicht stabilisiert hat. Neben der Wechselkurswirkung divergierender Zentralbankpolitik kommt hier noch hinzu, dass sich viele Unternehmen in den Schwellenländern stark in US-Dollar verschuldet haben, wie der Internationale Währungsfonds im Globalen Stabilitätsbericht betont. Eine weitere Dollar-Stärke hat also zudem das Potenzial, sich durch eine verminderte Wachstumsperspektive in den Schwellenländern selbst zu nähren.

Das Dilemma der Fed ist damit offenkundig: Selbst wenn der heimische Datenkranz es zulässt, bleibt ihr Handlungsspielraum zur geldpolitischen Straffung über den bei weitem nicht so schmeichelhaften Kontext im Rest der Welt beschränkt.

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