Die Mächtigen haben das Todesurteil für BMW eigentlich schon beschlossen, am 9. Dezember 1959 soll es vollstreckt werden. Aber dann läuft alles ganz anders.
Nach dem Krieg kommen die Bayerischen Motorenwerke nur mühsam wieder auf Touren, Ende der 50er-Jahre fahren ihre Autos ruinöse Verluste ein: Die noble 500er-Klasse ist ein Minusgeschäft; der Isetta-Kabinenroller (Spitzname „Knutschkugel“) taugt nicht mehr zum Schlager im Wirtschaftswunderland. In der immer wichtigeren Mittelklasse ist die Modellpalette blank.
Im Herbst 1959 zeigt BMW endlich die neue Baureihe 700 – aber da bereiten die Eigentümer schon den Schlussstrich vor: Kapitalschnitt, also Streichung der Hälfte des Aktienkapitals; danach Einstieg der Daimler-Benz AG, hinter der als Großaktionäre Friedrich Flick, die Deutsche Bank und die Familie Quandt stehen. Die Marke BMW soll verschwinden, ihre Fabriken künftig für Daimler arbeiten – so der Plan.
Die BMW-Hauptversammlung am 9. Dezember soll alles nur noch abnicken. Aber sie wird der dramatischste Showdown in der Geschichte der deutschen Aktionärsdemokratie.
Quandt schlägt sich auf die BMW-Seite
Denn die Kleinaktionäre geben nicht auf, sie glauben an den 700er, für den schon Bestellungen vorliegen. Als Erster schießt Erich Nold, ein wortgewaltiger junger Kohlenhändler, der seit Neuestem auf deutschen Hauptversammlungen für die Aktionärsrechte zu Felde zieht. Seine Tiraden bringen Zeit für den verbündeten Anwalt, die Verteidigungsfront zu organisieren. Und Friedrich Mathern gelingt der K.-o.-Treffer: Die vorgelegte Bilanz ist ungültig, denn die Entwicklungsinvestitionen für den 700er wurden auf einen Schlag abgeschrieben. Das überzeichnet den Verlust. Nach zehn Stunden muss die Versammlung vertagt werden.
Einer der Großaktionäre ist sehr nachdenklich geworden. Herbert Quandt lotet die Marktchancen für den 700er noch einmal selbst aus – und beschließt, es alleine mit BMW zu versuchen. Er stößt das Daimler-Bündnis vor den Kopf, besorgt sich Kredite und investiert. Die Wette geht auf: Das neue Modell bringt 1960 ein Umsatzplus von fast 40 Prozent, aus tiefroten Zahlen werden schwarze. Nach einigen schwierigen Jahren mausern sich die Münchener zum Hauptrivalen von Daimler.
Doch mittlerweile ist der Stuttgarter Rivale wieder an den Münchnern vorbeigezogen. Schlecht für den derzeitigen BMW-Chef Harald Krüger: Er verzichtet auf eine Verlängerung seines Vertrages und kommt damit, so heißt es, seiner Absetzung durch den Aufsichtsrat zuvor.
Hauptperson
Herbert Quandt wurde am 22. Juni 1910 in Pritzwalk geboren. Sein Vater Günther baute in den 20er-Jahren um die Batteriefirma Afa ein Industrieimperium. Obwohl Herbert fast blind war, trat er in den Konzern ein und führte ihn nach dem Tod des Vaters mit Halbbruder Harald weiter. Bei BMW investierte er auf eigene Rechnung, ab 1960 erhöhte er den Anteil deutlich. Er starb am 2. Juni 1982. Seine Frau Johanna und die Kinder Susanne und Stephan halten heute 46,7 Prozent der BMW-Stammaktien.
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