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Bernd Ziesemer Die Entzauberung des Robert Habeck

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Der grüne Vize-Kanzler ist ein begnadeter politischer Kommunikator. Aber in seinem Wirtschaftsministerium häufen sich die Fehler

Auf den ersten Blick muss sich Robert Habeck in diesen Wochen nun wahrlich keine Sorgen machen: In allen Umfragen glänzt der grüne Politiker mit den besten Popularitätswerten. Wenn man die Bürger fragt, wen sie sich als Bundeskanzler wünschen, schlägt Habeck sowohl den SPD-Amtsinhaber Olaf Scholz als auch den Oppositionsführer Friedrich Merz. Der Vize-Kanzler verdankt seine Popularität vor allem seinem Kommunikationstalent – einer seltenen Begabung unter deutschen Spitzenpolitikern. Habeck spricht mit vielen Emotionen, frischen Metaphern, ohne die Arroganz eines Olaf Scholz oder Christian Lindner. Er räumt auch schon einmal seine Schwächen ein und schlägt selbstkritische Töne an. Die meisten Deutschen zollen ihm deshalb Respekt.

Und doch erleben wir in diesen Wochen so etwas wie eine beginnende Entzauberung Habecks. Das hängt mit seiner Hauptrolle als Bundeswirtschaftsminister und den immer gefährlicheren Problemen auf den Energiemärkten zusammen. Habecks Entscheidungen – zuletzt die Gasumlage – ziehen zunehmend Kritik auf sich. Völlig zu Recht. Aus Angst, schwerwiegende Fehler zu machen, liefert der Wirtschaftsminister schlechtes Handwerk ab. Nach seinen vielen Stärken werden auch seine vielen Schwächen immer deutlicher.

  • Erstens versteht Habeck von vielen komplizierten Wirtschaftsproblemen selbst zu wenig.
  • Zweitens verlässt er sich auf einen sehr kleinen Kreis von Beratern.
  • Drittens neigt er dazu, die Fachbeamten seines großen Ministeriums zu übergehen.
  • Und viertens knickt er zu oft vor der Industrielobby ein, die in der Erdgas- und Stromkrise ihre ganz eigenen Interessen ohne Rücksicht auf die Bevölkerung knallhart durchsetzen will.

Falsch konstruierte Gasumlage

So zeigt Habeck zum Beispiel viel zu wenig Selbstbewusstsein im Umgang mit der deutschen Chemieindustrie, die ihm seit dem russischen Überfall mit einer Vehemenz in den Ohren liegt, die man in Deutschland früher selten erlebt hat. Über weite Strecken positionierten sich die Chefs von BASF, Covestro oder Evonik im Frühjahr als apokalyptische Reiter, deren überzogene Warnungen vor dem Zerfall der ganzen deutschen Wirtschaft auch als versteckte Drohungen gegen die Politik zu lesen waren. Statt ihnen hart entgegenzutreten, übernahm Habeck nur allzu oft ihr Narrativ.

Im Umgang mit der Energiewirtschaft potenzieren sich jetzt die Fehler Habecks. Der Gesetzentwurf zur Gasumlage soll ein einziges gefährdetes Unternehmen retten, es geht um eine Lex Uniper und sonst um gar nichts. In der Folge aber würden zahlreiche deutsche und ausländische Firmen profitieren, die gegenwärtig Milliarden-Euro-Gewinne machen. Auf den „freiwilligen“ Verzicht dieser Konzerne zu setzen ist genauso irrsinnig wie die Idee, ihnen die vielen Millionen Euro aus der Gasumlage anschließend wieder durch eine „Übergewinnsteuer“ abzunehmen. Nun sucht Habeck einen Ausweg aus der Zwickmühle, die er selbst zu verantworten hat.

In Deutschland stehen noch viele sehr schwierige Entscheidungen vor dem Winter an. Nach dem Gewürge um die Gasumlage, dem völlig verfehlten Rabatt auf die Tankstellenpreise, dem deutschen Einknicken vor Wladimir Putin im Streit um die Nord-Stream-1-Turbinen und vielen kleinen Fehlern mehr kann man nicht optimistisch sein, dass alles vernünftig und zielgerichtet läuft. Dabei können wir uns keine Fehler leisten. Die Verwerfungen auf den Energiemärkten, vor allem beim Strom, spiegeln nur zu einem Teil echte Knappheitsprobleme wider. Die hohen Preise sind ein Zeichen der Unsicherheit: Man traut es der Politik nicht zu, mit den wachsenden Problemen fertig zu werden. Man könnte es auch ein Misstrauensvotum der Märkte gegen Robert Habeck nennen.

Bernd Ziesemer

ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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