Mit einer Umlage sollen Gasverbraucher von der Pleite bedrohte Importeure retten. Zusammenkommen sollen auf diese Weise 34 Mrd. Euro. Das sei der von allen Energieversorgern angemeldete Bedarf, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. Rund ein Dutzend Versorger haben die Hand gehoben. Doch darunter finden sich auch einige, die von hohen Energiepreisen profitieren. War das beabsichtigt?
In der Verordnung zur Gasumlage geht das Ministerium von einer düsteren Lage aus. Seitdem Russland deutlich weniger Gas an den Westen liefere als vereinbart, entstünden hiesigen Importeuren „erhebliche Verluste“. Diese könnten sie nicht lange tragen; es drohe „der Zusammenbruch“ von Unternehmen. Dafür ist das prominenteste Beispiel der Düsseldorfer Energieriese Uniper. Mit einer Pleitewelle von Gasfirmen wäre niemandem geholfen, so die Argumentation. Im Gegenteil, ein Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes würde noch höhere Gaspreise nach sich ziehen, weil noch weniger bestelltes Gas in Deutschland ankäme.
Folglich sollen alle Gasverbraucher der Republik von Oktober an gut 2,4 Cent mehr je Kilowattstunde zahlen. Bei einem Haushalt mit Einfamilienhaus und einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden betragen die Mehrkosten durch die Gasumlage rund 484 Euro im Jahr. Importeure sollen so einen Ausgleich erhalten, „um Insolvenzen zu verhindern“, besagt die Verordnung. Der Vorgang solle „aber nicht zugleich zu einer Absicherung von Gewinnen auf Kosten der Verbraucher führen“.
Kritik – und die Sorge um mögliche Trittbrettfahrer – regt sich inzwischen, weil unter den Antragstellern auch Kraftwerksbetreiber, Ölkonzerne oder Gashändler sind, die zuletzt prächtig an den erhöhten Strom-, Sprit- und Gaspreisen verdient haben. Die Chefin der Verbraucherzentrale Bundesverband, Ramona Pop, hat zu einer gründlichen Prüfung der Anträge aufgefordert. Ansprüche müssten glaubhaft mit einer ansonsten drohenden Insolvenz begründet werden.
Ein Blick in die Zahlenwerke der Antragsteller zeigt: Die Firmen, die das meiste Geld aus der Umlage erhalten sollen, befinden sich derzeit tatsächlich in Schieflage.
Profiteure der Gasumlage
Der größte Gasimporteur Deutschlands hat auch den überwiegenden Anteil der Mittel aus dem Umlagetopf beantragt. „Größer 50 Prozent“, sagte Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach. Inzwischen ist von zwei Dritteln die Rede. Das börsennotierte Unternehmen verbuchte in der ersten Hälfte dieses Jahres einen Verlust von 12 Mrd. Euro. Uniper hat Lieferverträge mit Industriebetrieben und Stadtwerken zu bedienen, muss nun aber russisches Erdgas von Gazprom teuer ersetzen. Die Schieflage kann noch größer werden. Bei weiter steigenden Gaspreisen könnten die Verluste noch steigen, so ein Sprecher.
Das in Sefe umbenannte Unternehmen Gazprom Germania und die Tochter Wingas gehören ebenfalls zu den Antragstellern. Auf die Gruppe entfallen angeblich etwa 25 Prozent der Mittel aus der Gasumlage. Das Bundeskanzleramt, das Bundeswirtschafts- und das Bundesfinanzministerium haben im Juni die Treuhandverwaltung der ehemaligen deutschen Dependance von Gazprom verlängert. Das angeschlagene Unternehmen wurde bereits mit einem KfW-Darlehen zur Liquiditätssicherung und der Ersatzbeschaffung von Gas unterstützt.
Die verbleibenden rund zehn Prozent der Umlagekosten entfallen auf die übrigen acht Unternehmen. Eine davon ist die EnBW-Tochter VNG. Der drittgrößte deutsche Gashändler mit Sitz in Leipzig ist europaweit mit Gashandel und Vertrieb, Gastransport und Gasspeicherung aktiv. VNG hatte bereits im März nach dem ersten Höhenflug der Preise an den europäischen Märkten einen Milliardenkredit der staatlichen Förderbank KfW beantragt. Der ist offenbar bewilligt aber noch nicht abgerufen. Über den konkreten Bedarf an Ausgleichszahlungen hält sich die Aktiengesellschaft bedeckt. Die EnBW vermeldete für das erste Halbjahr ein Plus von 1,42 Mrd. Euro, verweist aber auf die Eigenständigkeit der Tochter.
Von der Gasumlage sind alle Importeure von russischem Erdgas erfasst, auch wenn sie neben Gas auch Strom im Unternehmensportfolio bedienen – wie etwa der niedersächsische Versorger EWE. Er hat zum 1. Oktober weitere Preisaufschläge für knapp 500.000 Endkunden angekündigt. Starke Kundenzuläufe machten den Strom- und Gaseinkauf zu Höchstpreisen erforderlich, hieß es zur Begründung. EWE gilt bisher als profitabel.
Prächtig geht es auch dem österreichischen Energieversorger OMV, dessen Tochtergesellschaft OMV Gas Marketing & Trading GmbH Ausgleichsansprüche als Gasimporteur in Deutschland angemeldet hat. Ob und in welcher Höhe Ansprüche bestehen und ob sie in Anspruch genommen werden, hängt dem Unternehmen zufolge von weiteren Prüfungen und Entscheidungen ab. Die börsennotierte Aktiengesellschaft hatte Ende Juli eine Verdoppelung von Umsatz und Gewinn im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum vermeldet. Die Aktionäre erhalten eine Dividende von 2,30 Euro je Aktie.
Da auch ausländische Firmen Ansprüche anmelden dürfen, hat dies vorsorglich auch die Schweizerische Aktiengesellschaft Axpo getan. Die Holding gilt in der Schweiz als systemrelevant und befindet sich zu 100 Prozent in öffentlicher Hand. „Axpo ist im Gegensatz zu anderen Energiehandelsunternehmen nur in geringfügigem Maß betroffen, und dürfte aus der Gasumlage weniger als ein Prozent der geschätzten Gesamtsumme erwarten“, sagte ein Sprecher. Das wären etwa 300 Mio. Euro. Axpo hat nach Berichten den Umsatz im ersten Halbjahr verdoppelt.
Für den niederländisch-schweizerischen Rohstoffhändler Gunvor lief das erste Halbjahr erfreulich, der Umsatz stieg nach Medienberichten um 200 Prozent. Dennoch Gunvor sich auf die Liste setzen. Die auf Zypern registrierte Gruppe mit einem Jahresumsatz von 135 Mrd. Dollar (2021) wurde 1997 vom Schweden Torbjörn Törnqvist und seinem russischen Partner Gennadi Timtschenko gegründet. Letzterer verkaufte seine Anteile 2014 an Törnqvist. Seit der russischen Krim-Annexion 2014 steht Timtschenko auf der Sanktionsliste der USA, seit Februar auch auf der Liste der EU, sein Vermögen in der EU wurde eingefroren, seine Yacht in San Remo beschlagnahmt.
Wie Gunvor gehört auch Vitol zu den Energiehändlern, welche die Ukraine im April aufgefordert hatte, Handel mit russischem Öl einzustellen, da die Exporteinnahmen den Kauf von Waffen und Raketen durch Moskau finanzierten. Vitol ist eines der umsatzstärksten Unternehmen der Schweiz (2017 nach Glencore auf Platz zwei) und einer der größten Rohstoffhändler der Welt mit Sitz in Rotterdam und Genf. Das erste Halbjahr lief dank der Preisanstiege bei Öl und Gas erfreulich.
Ein weiteres in der Schweiz ansässiges Handelsunternehmen, DXT Commodities, möchte von der Umlage profitieren. Der Händler mit Sitz in Lugano ist weltweit im Energiehandel aktiv. Der 2005 als Dufenergy Trading gegründete Energiehändler machte nach eigenen Angaben zuletzt einen Umsatz von 18,2 Mrd. Euro. Nicht bekannt ist, ob das Unternehmen profitabel ist. Im Kerngeschäft handelt es mit Erdgas, LNG, erneuerbarer und konventioneller Energie, diversifizierte sich jedoch zuletzt auf Erdöl und Eisenerz.
Die meisten Kunden des Energiehändlers Enet, gegründet 2012 in Lugano in der Schweiz, sitzen in Europa: Großstädte, Versorger, internationale Konzerne. Die Gesellschaft wachse beständig und habe einen Umsatz von mehr als 1 Mrd. Schweizer Franken verbucht, heißt es auf der Website. „Das Unternehmen war seit seiner Gründung stets profitabel.“
Zusätzlich auf der Liste steht die RWE-Handelstochter Supply and Trading. Der Gashändler wolle kein Geld, beteuerte eine Sprecherin. Das Unternehmen sei nur „formal gelistet“. Es handle sich dabei um eine „reine Vorsichtsmaßnahme“, falls „die Dinge sich ändern“. RWE erklärte seinerseits, auf die Umlage zu verzichten und das Minus aus dem Gasgeschäft allein tragen zu wollen. Der Konzern hat milliardenschwere Halbjahresgewinne vorzuweisen. RWE zahlt seinen Aktionären derzeit eine Dividende von 90 Cent je Aktie.