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Trübe Aussichten Deutschlands Wirtschaftsmodell stößt an seine Grenzen

Zwei Frauen gehen an einem Geschäft vorbei an dem „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ steht
Es läuft nicht rund in der deutschen Wirtschaft, schon gar nicht im Einzelhandel
© Bernd Weißbrod/dpa / Picture Alliance
Deutschlands Wirtschaftswachstum schwächelt. Und leider ist dies keine Schwächephase, die rasch überwunden wird. Marode Infrastruktur, Fachkräftemangel, teure Energie – die Probleme sind vielfältig

Die gute Nachricht ist: Die deutsche Wirtschaft stagniert derzeit nur und wird im kommenden Jahr wohl wieder wachsen – aber nur etwas. Doch mittlerweile ist nicht mehr zu übersehen, dass Deutschland immense strukturelle Probleme hat, die das Wirtschaftswachstum so lange ausbremsen werden, bis sie behoben sind. Und das kann dauern.

Der Leidensdruck ist offenbar noch nicht groß genug. Und dass, obwohl das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren nach Einschätzung der meisten Ökonomen hinter dem anderer Industriestaaten zurückbleiben wird.

Jetzt rächt sich, dass Industrie und Politik sich vor wichtigen Weichenstellungen viel zu lange gedrückt haben – weg von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien, das Ende der Autos mit Verbrennungsmotoren, neue Technologien. Die Wettbewerbsfähigkeit und die Wirtschaftskraft leiden seit Jahren. Deutschland lebt zu sehr von seiner Substanz.

Ja, es ist richtig, wenn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf die Stärken des Standorts Deutschlands hinweist. Der Chip-Gigant TSMC hat beschlossen, eine Halbleiter-Fabrik in der Nähe von Dresden zu bauen. Es stimmt, wenn der Ökonom und Berater von Bundesfinanzminister Lindner, Lars Feld, sagt, dass ihn Hysterie nerve und wir „weit weg vom Untergang des Abendlandes“ seien.

Jede Menge Probleme

Doch die Probleme des deutschen Wirtschaftsmodells sind groß. Das drängendste von ihnen ist die schnelle Umsetzung der Energiewende. Bezahlbare Energie ist eine wesentliche Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie – die schon vor dem Ende der russischen Gaslieferungen mit die höchsten Stromkosten in Europa stemmen musste.

Und dann ist da noch der Fachkräftemangel, der mit dem demografischen Wandel einhergeht. Die Alterung der Gesellschaft führt dazu, dass in den nächsten Jahren Millionen Menschen mehr in Rente gehen, als junge Leute auf den Arbeitsmarkt kommen. Für Unternehmen ist diese Aussicht unerfreulich.

Hinzu kommt: Für Firmen ist Deutschland ein sehr teurer Standort. Dem Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW zufolge lag die effektive Steuerbelastung für Unternehmen hier im vergangenen Jahr im Schnitt 28,8 Prozent – und damit satte zehn Prozentpunkte – höher als der EU-Durchschnitt.

Damit nicht genug: Im internationalen Vergleich wird in Deutschland wenig gearbeitet. Zugleich wollen viele ihre Arbeitszeit reduzieren und früher in Rente gehen. Dann ist da noch das Bildungsproblem: Schülerinnen und Schüler schneiden im internationalen Vergleich schlecht ab, keine deutsche Hochschule findet sich unter den Top-Universitäten.

Abhängigkeit von China

Nicht zu vergessen die berüchtigte Bürokratie. Außerdem ist der Zustand der Digitalisierung eines Industrielands unwürdig. Der OECD zufolge nimmt Deutschlands Internet-Infrastruktur bei der Geschwindigkeit einen der hinteren Plätze ein – zugleich gehören die Ausgaben im Verhältnis zur Wirtschaftskraft zu den niedrigsten. Ach ja, die gesamte Infrastruktur zehrt von der Substanz. Sinnbild dafür ist die marode Deutsche Bahn, die jahrelang heruntergewirtschaftet wurde.

Ein Großteil des Wohlstands in Deutschland beruht auf einer dynamischen Industrie, die gut bezahlte Arbeitsplätze bietet. Aber das hat zu unerfreulichen Abhängigkeiten von ausländischen Märkten geführt – vor allem von China. Die Industrie tut sich schwer, sich davon zu lösen.

Es ist selbstverständlich nicht alles schlecht. Deutschland ist eine der weltgrößten Volkswirtschaften – und ist gut durch die vergangenen Krisen gekommen. Industriegiganten wie etwa Volkswagen, Bayer und Siemens inmitten von Tausenden mittelständischen Unternehmen. Das Land hat die finanziellen Mittel, den nötigen Wandel zu unterstützen. Und ja, die Bundesregierung tut einiges, das zu flankieren.

Doch das reicht bislang nicht aus. Oder wie Bloomberg aus einem aktuellen Bericht der OECD zitiert: „In keiner anderen großen Industrienation wurde die Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit und der Widerstandsfähigkeit so systematisch durch sich verändernde soziale, ökologische und regulatorische Zwänge infrage gestellt.“

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen

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