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Kolumne Deutsche Autokonzerne übersehen Gefahren in China

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Die neue Bundesregierung rückt von China ab. Die deutschen Autokonzerne aber erhöhen ihre Abhängigkeit. Ein Konflikt ist programmiert

Mercedes-Benz prüft eine neue Baureihe exklusiv für den chinesischen Markt. BMW übernimmt die Mehrheit an seinem Joint-Venture im Reich der Mitte. VW startet eine Vertriebsoffensive für Elektromodelle in China. Die deutschen Autohersteller geben weiter Gas in einer Region, die schon jetzt für die Hälfte ihrer Umsätze sorgt. Auf keinen anderen Markt sind sie mittlerweile so angewiesen wie auf diesen. Aber es scheint sie nicht zu sorgen, im Gegenteil. Sie glauben fest daran, dass sie in China immer weiter wachsen können, wie in der Vergangenheit und sich um den politischen Sturm nicht scheren müssen, der sich in Fernost zusammenbraut.

Und die deutsche Politik? Sie marschiert in die genau entgegengesetzte Richtung. Die Grünen und die FDP, die gemeinsam mit der SPD die nächste Bundesregierung bilden, fordern seit langem eine härtere Haltung gegenüber China. Und es ist nicht zu erwarten, dass sie davon abrücken. Im Koalitionsvertrag findet sich dazu Klartext: „Wir streben eine enge transatlantische Abstimmung in der China-Politik an und suchen die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Ländern, um strategische Abhängigkeiten zu reduzieren.“ Dabei können sie sogar auf die Unterstützung durch führende Außenpolitiker der CDU/CSU wie Norbert Röttgen hoffen, die ebenfalls eine härtere Gangart fordern.

Die Autokonzerne machen sich immer abhängiger von China, die deutsche Politik will die Abhängigkeit reduzieren. Das kann nicht ohne Konflikt abgehen. Schon bald könnte sich die Frage nach dem Primat der Politik stellen – zum Beispiel im Umgang mit dem umstrittenen VW-Werk in der Provinz Xinjiang, wo die Straflager für Uiguren für wachsende internationale Kritik sorgen. Früher konnte die deutsche Autolobby durch direkte Kontakte ins Kanzleramt Sanktionen gegen China verhindern. Sie wird das auch bei einer Ampel-Regierung weiter versuchen. Aber es ist eine große Frage, ob es künftig noch funktioniert.

Garanten für deutsches Wohlverhalten

Die chinesische Staats- und Parteiführung hat die deutschen Autohersteller in der Vergangenheit als Hebel benutzt, um die deutsche Politik einzuschüchtern und eine gemeinsame Haltung der EU-Staaten zu verhindern. In Peking betrachtet man die Bundesrepublik als wichtigsten Partner, um eine abgestimmte transatlantische China-Politik weiter zu verhindern. Und man hört in der chinesischen Hauptstadt ganz offen, dass man die deutschen Autohersteller als wichtigste Garanten für deutsches Wohlverhalten sieht. Deshalb genießen sie in China Vorzugsbehandlung – aber nur solange dieses politische Spiel auch funktioniert.

Die KP China zeigt in den letzten Monaten wie sie mit ihren heimischen Konzernen Hardball spielt. Man denke nur an den Feldzug gegen Alibaba und die Gefechte mit einigen Immobilienkonzernen. Es gibt keine Gesetze, auf die sich die Konzerne berufen können, wenn der Staat es nicht will. Gegen ausländische Unternehmen kennen die chinesischen Kommunisten noch weniger Skrupel , wenn es hart auf hart kommt. Die deutschen Autokonzerne sind darauf nicht vorbereitet. Sie machen die gleichen Fehler wie die Banken 2008 vor der großen Finanzkrise. Weil es bisher gut gelaufen ist, glauben sie, es werde auch künftig gut laufen. Nassim Nicholas Taleb hat für diesen in der Wirtschaft weit verbreiteten Irrglauben die Metapher vom schwarzen Schwan geprägt: Wer immer nur weiße Schwäne sieht, nimmt irgendwann an, es gäbe auch nur weiße Schwäne. Bis er das erste schwarze Exemplar sieht.

Bernd Ziesemerist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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