Wegen einer Blockade in den Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich dauert die Entwicklung eines gemeinsamen Kampfpanzers länger als geplant. Das geht aus einem vertraulichen Bericht der Bundesregierung an den Haushaltsausschuss des Bundestags hervor, der dem Wirtschaftsmagazin Capital (Heft 5/2023) vorliegt. Aufgrund der „mehrjährigen Verzögerungen im ursprünglichen Programmplan“ im Projekt Main Ground Combat System (MGCS) sei die beabsichtige Erstauslieferung des neuen Panzers im Jahr 2035 „nicht mehr realisierbar“, heißt es in dem Bericht aus dem Februar. Das neue System soll die Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 bei der Bundeswehr und Leclerc in der französischen Armee ablösen.
Das Projekt MGCS geht auf Pläne für eine engere Rüstungskooperation aus dem Jahr 2017 zurück. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten seinerzeit sechs gemeinsame Rüstungsprojekte benannt – darunter MGCS und die Entwicklung eines ultramodernen Luftkampfsystems. Bei dem Future Combat Air System (FCAS) einigten sich die Regierungen Ende 2022, die nächste Projektphase zu starten.
Bei MGCS ringen die Regierungen in Berlin und Paris sowie die beteiligten Unternehmen KMW, Nexter und Rheinmetall dagegen weiterhin um die Frage, wer bei welchen Komponenten für den neuen Panzer die Führungsrolle übernimmt. Die „bislang strittigen Themen“ hätten „weiterhin keiner Lösung zugeführt“ werden können, räumt das Bundesverteidigungsministerium in seinem vertraulichen Projektbericht an den Haushaltsausschuss ein. Demnach ist in vier von acht zentralen „Technologiefeldern“ immer noch umstritten, welches Land jeweils das Sagen haben soll und welches Unternehmen dabei Hauptauftragnehmer wird. Nach einer Vereinbarung der Regierungen soll Deutschland die Gesamtführung bei MGCS haben, Frankreich bei FCAS.
Konkret dreht sich bei MGCS der Streit um mehrere sensible Komponenten für den neuen Panzer. Laut dem Regierungsbericht dringen die deutschen Verhandler bei bestimmten „deutschen Schlüsseltechnologien“ wie der Panzerkanone und Schutztechnologien auf eine „sichtbare Führungsrolle“ der heimischen Industrie. Allerdings gebe es bei den Franzosen „Bedenken“ gegen eine deutsche Führung oder Teilführung bei der Hauptbewaffnung.
Wie das Verteidigungsministerium in seinem Bericht einräumt, blockiert die fehlende Einigung bei der Aufteilung aller Arbeitspakete sämtliche Fortschritte in dem Entwicklungsprojekt. Auf Anfrage von Capital äußerte es sich nicht zum aktuellen Sachstand bei MGCS. Für das Projekt MGCS sind bereits 1,1 Mrd. Euro im Sondervermögen für die Bundeswehr eingeplant.
Rheinmetall-Chef: Erstauslieferung wohl erst 2040
Erschwert werden die Verhandlungen auch durch konkurrierende Interessen der Industrie. Um die Aufträge bei MGCS kämpfen die deutsch-französische Holding KNDS, in der sich der Leopard-2-Hersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und der französische Staatskonzern Nexter zusammen geschlossen haben, sowie der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall.
Auch Rheinmetall-Chef Armin Papperger erwartet eine deutlich spätere Auslieferung des deutsch-französischen Kampfpanzers als bisher geplant. „Wir werden mit der Erstauslieferung wohl im Jahr 2040 landen“, sagte er Capital. Papperger versicherte, dass der eigene Kampfpanzer Panther, den Rheinmetall im vergangenen Sommer überraschend vorgestellt hatte, „kein Konkurrenzprodukt“ für MGCS sei. Angesichts der Bedrohung durch Russland bestehe schon aktuell eine hohe Nachfrage nach Kampfpanzern: „Der Markt ist jetzt da, nicht erst in 20 Jahren“, sagte der Rheinmetall-Chef. Für MGCS rechne er mit einem Marktpotenzial in Europa von mehreren Tausend Stück. „In der Zwischenzeit wollen wir so viele Panther verkaufen wie möglich“, sagte Papperger.