Manchmal bringt es Reichtum, Ruhm und Sex Appeal, der wagemutige Pionier zu sein. Manchmal führt es aber auch einfach nur hinein in die Versenkung. „Ich ziehe es vor, aus den Fehlern anderer zu lernen, um eigene Fehler zu vermeiden“, soll der alte Bismarck deshalb mal gesagt haben.
Dieser Tage macht ganz Deutschland die unangenehme Erfahrung, dass es keineswegs von selbst klappt, sich zum international bewunderten Vorreiter aufzuschwingen. Das große Vorzeigeprojekt „Energiewende“ mag daheim noch immer die meisten begeistern. Beim internationalen Publikum wächst aber unübersehbar die Skepsis. In den Kommentaren aus dem Ausland setzt sich der Tenor fest, dass bei uns gerade ein volkswirtschaftliches Großexperiment scheitert.
Die Kritik ist zwar manchmal im Detail falsch. Aber sie trifft trotzdem ins Herz. Denn sie verändert die Geschäftsgrundlage eines Projektes, das bisher ja auch immer als künftiger „Exportschlager“ verkauft wird.
Die Welt schaue „mit einer Mischung aus Unverständnis und Neugier“ darauf, ob und wie den Deutschen ihre Energiewende gelinge, hatte die Kanzlerin im Januar in ihrer Regierungserklärung vorsichtig formuliert.
„Spektakulärer Flop“
Seither hat sich dieses „Unverständnis“ da draußen noch deutlich verschärft. Es mag ja nur eine Fußnote sein, wenn die Regierung in Australien die Klimapolitik ihrer Vorgänger kippt und dabei auf Deutschland als wirtschaftlich abschreckendes Beispiel verweist.
Auch in den USA mehren sich aber die Warnungen vor dem deutschen Weg. „Steigende Strompreise, steigende Emissionen und vermehrter Einsatz von Kohle“ seien die Folge der Energiewende, lästerte diese Woche etwa wieder der geopolitische Vordenker Walter Russell Mead. Der Rest der Welt müsse aus diesem „spektakulären Flop“ lernen, wie gefährlich es sei, wenn man „weltfremden Grünen gestattet, eine reaktionäre Energiepolitik durchzudrücken“.
Für Steven Rattner, einen engen Wirtschaftsberater von Obama und den Clintons, ist die deutsche Energiepolitik „Chaos“ und „der Wahnsinn“.
Leute wie Mead wie Rattner sind der politischen Mitte Amerikas zuzurechnen. Ihr Urteil fällt auch deshalb so harsch aus, weil die USA längst ihre eigene erfolgreiche Energierevolution haben – getragen vom Schiefergas.
Es bleibt nur ein Sonderweg
Doch selbst in Europa bleibt die Begeisterung über das deutsche Experiment verhalten. Die EU verhandelt derzeit über ihr „Energie- und Klimapaket“ für 2030. Statt den Berliner Visionen zu folgen, verbitten sich etliche Partnerregierungen jede Einmischung in ihren Energiemix.
Das erhoffte Jobwunder in der deutschen Solar- und Windindustrie ist schon länger abgeblasen. Inzwischen ist noch nicht einmal sicher, dass die deutsche Energiepolitik relevante Nachahmer finden wird. Von der ständig beschworenen „Vorreiterrolle“ könnte so am Ende nicht viel mehr übrig bleiben als ein Sonderweg und ein moralisierendes „Jetzt erst recht: Wir Deutschen zeigen es der ganzen Welt!“
Das wäre dann allerdings nicht nur ein schlechtes Geschäft. Sondern auch politisch ziemlich fatal.
Höchste Vorsicht ist angesagt
Schon in der Regierungserklärung von Angela Merkel fanden sich Töne, die ideologisch eher an Kaisers Zeiten erinnerten. Von der „Herkulesaufgabe“ sprach die Kanzlerin da, von der „nationalen Kraftanstrengung“, die nur dann gelingen könne, „wenn alle über ihren Schatten springen und nur eines im Blick haben: das Gemeinwohl.“
Nicht „Partikularinteressen“ hätten bei der Energiewende im Mittelpunkt zu stehen. Sondern – Obacht! - kein Geringerer als: „der Mensch“.
Wenn schon „der Mensch“ beschworen wird, damit Solarsubventionen fließen und die Wälder zu Windparks werden können, dann ist höchste Vorsicht angesagt. Von Johannes Gross kann man schließlich lernen: „Wo der Mensch im Mittelpunkt steht, ist für die meisten Leute kein Platz.“