Im Fanshop des französischen Vereins PSG auf den Pariser Champs-Elysées gingen letzte Woche in nur fünf Stunden 11.000 Trikots mit der Nummer 30 über den Tresen. Und auch überall sonst meldete der Hersteller Nike innerhalb kürzester Zeit Ausverkauf für die teuren Sporthemden, die je nach Ausstattung bis zu 180 Euro kosten. Viel Geld für ein Stück Textil, das in der Herstellung weniger als 10 Euro kostet! Aber kein Hindernis für die treusten Anhänger von Lionel Messi, der ab sofort für den französischen Club spielt.
Weniger begeisterte Beobachter halten es für Wahnsinn, dass der Superstar bei PSG pro Saison mindestens 41 Mio. Euro Gehalt kassiert. Aber in Wahrheit können sich die Spitzenvereine des europäischen Fußballs nur noch mit extrateuren Spielern wie Messi refinanzieren. Sie kosten sehr viel, aber bringen noch mehr ein. Sie locken die Fans nicht nur in die Stadien und vor die Bildschirme. Sie sorgen für die gewaltigen Merchandising-Einnahmen, die für die Vereine immer wichtiger werden. Der Mannschaftssport Fußball hat sich in den letzten Jahren ökonomisch immer mehr in eine Veranstaltung von einzelnen Publikumsmagneten verwandelt. Man könnte es den Messi-Faktor nennen. Und wer in der Champions League ganz vorn mitspielen will, muss auf diesen Faktor setzen.
Adidas und Nike setzen auf wenige Superstars
Robert Lewandowski bei Bayern München und Erling Haaland bei Borussia Dortmund kassieren zwar nicht ganz so viel Geld wie Messi, aber spielen eine ähnliche Rolle für ihre Vereine. Nicht nur sportlich, sondern vor allem auch ökonomisch. Deshalb handeln die Manager der Clubs durchaus rational, wenn sie das Spiel mit den immer höheren Gehältern für ihre Spitzenkräfte mitspielen. Und wer nach sportlichen Misserfolgen nicht mehr zahlen kann, der verabschiedet sich aus den Kämpfen um die ersten Plätze und damit auch auf hohe Einnahmen. Eine Spirale nach unten ist die Folge. Auch dafür liefert Messi ein gutes Beispiel: Sein langjähriger Verein FC Barcelona konnte sich den Superstar am Schluss nicht mehr leisten, weil er sich über die Jahre mit immer neuen teuren Fehlkäufen finanziell übernommen hatte und nun auf Schulden von über 1 Mrd. Euro sitzt.
Die internationalen Sportartikelhersteller machen einen Großteil ihrer Gewinne im Fußball mit wenigen Spitzenvereinen und Superstars. Die Manager von Nike, Adidas oder Puma reden viel über die Förderung der gesamten Vereinslandschaft, aber kalkulieren eindeutig mit den Einnahmen von Messi und Co. Sie sind damit ein wesentlicher Treiber für eine ökonomische Entwicklung, die einen vielseitigen Sport in ein ziemlich einseitiges Milliardengeschäft verwandelt. In der Bundesliga sind es nur noch sehr wenige Vereine, die finanziell über die Mittel verfügen, wirkliche Stars einzukaufen. Das Leistungsgefälle wird damit immer steiler – und damit das Gefälle bei den Einnahmen auch.
Viele halten den Bayern München inzwischen für finanziell so stark, dass niemand mehr eine echte Chance hat, die Nummer eins sportlich einzuholen. Keine echte Chance mehr für die Underdogs. In den meisten europäischen Ligen sieht es genauso aus: Für wenige dreht sich die Spirale immer weiter nach oben, für viele immer weiter nach unten. Das romantische Bild des Fußballs verblasst dadurch. Man kann das bedauern, aber es lässt sich nicht mehr aufhalten.
Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.