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Kolumne Der kommunikative Selbstmord der Grenke AG

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Die Aktie des Leasing-Anbieters Grenke ist zum Spielball der Spekulanten geworden. Daran ist das Unternehmen selbst schuld

Wahrscheinlich wird man die Grenke AG noch in einigen Jahren in Seminaren für Unternehmenskommunikation behandeln – als Fallstudie, wie man es auf keinen Fall machen sollte. Durch eine verworrene, in weiten Teilen vollkommen unverständliche Ad-hoc-Mitteilung hat die Leasing-Firma in der letzten Woche den Kurs ihrer eigenen Aktien beinahe halbiert. Eigentlich ging es nur um die Entlassung eines Vorstands, der sich offenbar über Jahre als unfähig erwiesen hat, vernünftige Kontrollen in dem Unternehmen durchzusetzen. Nach der kryptischen Erklärung mussten die Grenke-Aktionäre aber viel Schlimmeres erwarten – und verkauften Hals über Kopf. Erst nach einem eilig nachgeschobenen „Offenen Brief“ des Aufsichtsratschefs Ernst-Moritz Lipp beruhigte sich die Panik.


Grenke Aktie


Grenke Aktie Chart
Kursanbieter: L&S RT

Man muss wirklich kein Astrophysiker sein, um die Bedeutung einer sauberen Kommunikation bei Grenke zu begreifen. Der Konzern steht seit den Vorwürfen des Londoner Shortsellers Fraser Perring unter schärfster Beobachtung. Es geht um den Verdacht auf Bilanzmanipulationen und Geldwäsche. Einige Kritikpunkte konnte Grenke inzwischen widerlegen – aber die Rolle des Haupteigentümers Wolfgang Grenke wirft immer noch viele Fragen auf. In einer solchen Situation muss man jedes Wort auf die Goldwaage legen – was in dem SDax-Konzern aber offenbar nach wie vor nicht passiert.

Wolfgang Grenke sollte sich zurückziehen

Man möchte wirklich im Nachhinein wissen, wie eine solche Ad-hoc-Mitteilung den Konzern verlassen konnte. Schließlich beugen sich viele, viele Manager über eine offizielle Erklärung – vom Vorstand bis zur Rechtsabteilung. Wer jemals in einem Konzern die Arbeit von Pressestellen und Investor-Relations-Abteilungen erlebt hat, kennt die vielen „Abstimmungsschleifen“, die jeder Text normalerweise nimmt. Und gewöhnlich gibt es genügend Manager, die ihren Finger in die kleinste kommunikative Wunde legen. Offensichtlich aber nicht bei Grenke.

Die Vorwürfe aus London haben den Konzern überrollt. Bis heute herrscht bei Grenke offenbar kein Normalzustand. Das hängt zu weiten Teilen vor allem mit dem immer noch omnipräsenten Übervater der Firma zusammen: Wolfgang Grenke. Der Gründer des Unternehmens amtiert immer noch als Stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats und lässt sein Mandat lediglich „ruhen“. Wenn es um die sehr ungewöhnlichen Konstruktionen beim Aufbau des Auslandsgeschäfts in den vergangenen Jahren geht, trägt der Patriarch nicht genügend zur Aufklärung bei. Das macht sein Unternehmen bis heute so anfällig für Attacken. Wolfgang Grenke würde seinem „Baby“ einen großen Gefallen tun, wenn er sich ganz aus dem Unternehmen zurückzieht – und für völlige Transparenz sorgt.

Als besonders anfälliger Finanzkonzern kann die Grenke AG nicht wieder zur Ruhe kommen, bis sämtliche Kritikpunkte ausgeräumt sind. Sonst kann jede Personalie, jede noch so kleine Bilanzfrage sofort ein neues Beben an der Börse auslösen. Und das trifft keineswegs nur die Aktionäre: Wer will schon für ein Unternehmen arbeiten, das im Zwielicht steht? Wer will mit ihm Geschäfte machen, so lange man dadurch seinen eigenen Ruf beschädigen könnte?

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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