Bei Thyssenkrupp war Sigmar Gabriel der falsche Mann am falschen Platz zur völlig falschen Zeit. Nach nur zwei Jahren schmiss der ehemalige SPD-Vorsitzende im Sommer sein Amt als Aufsichtsratschef der Stahlsparte mit so lautem Krach hin, wie man es in der deutschen Industrie so gut wie noch nie erlebt hatte. Gabriel hatte weder die wirtschaftliche Gemengelage bei Thyssenkrupp begriffen noch die Rolle eines Aufsichtsrats in einer abhängigen Konzerntochter. Durch eine lautstarke Inszenierung wollte er am Ende nur noch sein eigenes Ego aufplustern. Bewirkt hat Gabriel bei Thyssenkrupp nichts.
Wer sich nach diesem Eklat Sorgen um die weitere Karriere des SPD-Mannes machte, sieht sich widerlegt. Gabriel rückt nun, wie letzte Woche bekannt wurde, in den Aufsichtsrat von Rheinmetall ein. Man wolle mit der Berufung die „Kompetenz im Bereich Geopolitik“ stärken, so heißt es. Gabriel selbst verkündete, er wolle mit seinem Mandat bei dem wichtigsten deutschen Rüstungskonzern „offensiv“ mit der Notwendigkeit einer leistungsfähigen Verteidigungsindustrie umgehen.
Gabriel hat ein Netzwerk
Kompetenz kann man Gabriel in diesem Fall nicht absprechen. Als ehemaliger Bundesaußenminister (der allerdings nur kurz in diesem Amt diente) und als Chef der Atlantikbrücke verfügt der 65-Jährige über ein entsprechendes Netzwerk. Und anders als die meisten Mitglieder der sogenannten „Hannover Connection“ in der SPD nimmt Gabriel seit dem Überfall Wladimir Putins auf die Ukraine auch eine unmissverständliche Position ein: Im Sommer forderte der Mann aus Goslar zum Ärger seiner eigenen Parteifreunde eine „härtere Haltung“ gegenüber dem Aggressor. Es gebe keinen anderen Weg, als Russland „niederzuringen“.
Anders als bei Thyssenkrupp passt die Personalie zu Rheinmetall. Im dortigen Aufsichtsrat sitzen erfahrene Manager und Industrielle wie Ulrich Grillo, Klaus Draeger oder die ehemalige BASF-Vorständin Saori Dubourg. Bei der Stahltochter von Thyssenkrupp versuchte sich Gabriel als Ein-Mann-Show mit einigen IG-Metall-Funktionären als Sidekicks. Das konnte nicht gutgehen. Bei Rheinmetall muss sich der SPD-Mann in den normalen Ablauf der Dinge einordnen und an die Grundsätze der Corporate Governance halten.
Bei Rheinmetall ist Schweigen Gold
Ob die ganze Sache für alle Beteiligten zum Erfolg wird, hängt vor allem davon ab, ob Gabriel seinen unbändigen Hang zum kommunikativen Schnellschuss in den Griff bekommt oder nicht. Gerade in einem Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall ist Schweigen in der Regel Gold. Und ohnehin gilt in einem gut geführten Konzern die Devise: Für öffentliche Reden ist der Vorstand zuständig und nicht der Aufsichtsrat. Rheinmetall-Chef Armin Papperger ist selbst ein außergewöhnlich talentierter Kommunikator.
Ob es Gabriel gelingt, sich einzuordnen, weiß man nicht. Dafür spricht seine eher lautlose Arbeit in den Aufsichtsräten von Siemens Energy und Deutscher Bank. Aber dass Gabriel zu seiner Berufung bei Rheinmetall gleich wieder eine längliche Erklärung abgeben musste, spricht eher dagegen. So etwas tut man nicht. Schon gar nicht, bevor man überhaupt gewählt ist auf der Hauptversammlung.