Nur die wenigsten Plastikverpackungen landen in einer Recycling-Anlage. Sie vermüllen Meere, Strände und Parks. Die Hüllen einiger internationaler Konzerne tauchen dabei besonders oft auf. Zum vierten Mal in Folge hat die Allianz „Break Free From Plastic“ in einem Bericht die zehn führenden Plastikverschmutzer angemahnt. Anlässlich des Klimagipfels in Glasgow klagt das Bündnis außerdem an: Die Unternehmen könnten die Klimakrise entschärfen, aber sie ließen auf Worte wenig Taten folgen.
Zur Ermittlung des Rankings sammelten in diesem Jahr weltweit mehr als 11.000 Freiwillige in 45 Ländern hunderttausende Teile von Kunststoffverpackungen ein und identifizierten die Markenlogos, die am häufigsten auftauchten. Angeführt wird das Negativranking erneut von Coca-Cola, dessen Logo auf fast 20.000 gesammelten Plastikteilen gefunden worden sei. Auf Platz zwei und drei folgen ein weiterer Getränke- und ein Produzent von Lebens-, Reinigungsmitteln und Kosmetika.
Plastik als Klimakiller
Die Müllsammler rufen in Erinnerung, dass in der Lieferkette zur Herstellung von Plastik aus Öl rund 108 Millionen Tonnen CO2-Emissionen freigesetzt werden. Die Raffinerieprozesse für die Produktion von Kunststoffen gehörten zu den größten industriellen Verursachern schädlicher Treibhausgase. Allein im Jahr 2015 habe der Ausstoß durch die Ethylengewinnung den jährlichen CO2-Emissionen von 45 Millionen Autos entsprochen. So komme Coca-Cola mit seiner Plastikflut allein auf einen Ausstoß vergleichbar mit mehr als drei Millionen Autos.
Die Mehrheit der Plastikmüllverursacher bekennt sich dazu, das Aufkommen reduzieren zu wollen. Doch bemängeln Kritiker auch , dass hinter den Kulissen Lobbyarbeit gegen gesetzliche Auflagen betrieben werde, etwa gegen eine Ausweitung verpflichtender Pfandsysteme im Getränkehandel in verschiedenen Ländern. Der diesjährige Bericht von „Break Free From Plastic“ fordert daher auch eine endgültige Abkehr von Einweg-Plastikverpackungen. Gemeinsam mit 300 Organisationen aus 76 Ländern wird in einem offenen Brief an den Klimagipfel appelliert , eine Plastikwende zu vollziehen und in wiederverwertbare Alternativen zu investieren.
Regierungen sollten zudem große Verursacher von Plastikmüll für ihren Beitrag zur Klimakrise zur Rechenschaft ziehen. Unterstützt werden die Forderungen von einem Bericht der US-Organisation Beyond Plastics, wonach neue Kunststoffe bis 2030 mehr zum Klimawandel beitragen werden als Kohlekraftwerke. Erzeuger von fossilen Brennstoffen versuchten zunehmend, sinkende Gewinne durch eine Steigerung der Kunststoffproduktion auszugleichen.
Dies sind die im Ranking zehn größten globalen Plastikverschmutzer:
Das sind die größten Plastikverschmutzer
Der Konzern mit Sitz in New York produziert zum größten Teil Artikel der Mundpflege, gefolgt von den Warengruppen Körperpflege, Haushaltsreiniger, Waschmittel und Tiernahrung. Vergangenes Jahr hat Colgate-Palmolive eine Technologie für eine komplett recycelbare Zahnpastatube entwickelt – mit neuer Rezeptur auch für den Inhalt. Gewöhnlich sind in Tuben Kunststoff- mit Aluschichten verbunden. Ab 2025 sollen alle Colgate-Tuben aus dem Material gemacht werden. Problematisch bleibt: Hergestellt wird es aus neuem Kunststoff. Bis 2025 sollen laut Firmenpolitik aber auch alle Verpackungen zu 25 Prozent aus recyceltem Material bestehen.
Tierfutterbeutel, Kaugummidosen oder Folien um Schokoriegel: Mars hat einen jährlichen Plastik-Fußabdruck von 184.000 Tonnen. Das Unternehmen verbessert sich bei „Break Free From Plastic“ von Platz 6 (2019) auf 9. „Die meisten (unserer) Verpackungen werden nicht recycelt. Ein viel zu großer Teil davon endet in der Umwelt. Das ist nicht akzeptabel“, heißt es auf der Website. Zu der „Vision“ gehören 25 Prozent weniger Verbrauch an neuem Kunststoff bis 2025 und Kunststoffverpackungen, die bis dahin zu 100 Prozent wiederverwendbar, recycelbar oder kompostierbar sein sollen. Dieses Versprechen wurde laut TalkingTrash schon 2007 gemacht. Inzwischen ist der US-Konzern ein Hauptpartner der „New Plastic Economy“-Initiative der Ellen MacArthur Foundation, die das Ziel verfolgt, Kunststoffabfälle an der Quelle zu vermeiden.
Zu den bekanntesten Marken des französischen Lebensmittelkonzerns Danone gehören Evian oder Volvic, aber auch viele Milch- und Milchersatzprodukte in Plastik und Tetrapaks. Evian ist die weltweit meistgetrunkene Wassermarke. Die jährliche Produktion verursacht einen Plastikfußabdruck von rund 820.000 Tonnen. Der Konzern setzt sich für die Kreislaufwirtschaft ein. Bis 2025 sollen in seinen 20 wichtigsten Märkten Sammel- und Recyclinginitiativen initiiert oder unterstützt werden. Ebenfalls bis 2025 wird ein Viertel recyceltes Material in Kunststoffverpackungen angestrebt, 50 Prozent bei Wasser- und Getränke-PET-Flaschen und 100 Prozent bei den Evian-PET-Flaschen.
Das Aufkommen von Plastikmüll in der Tabakindustrie geht weniger auf die Verpackungen als auf Zigarettenfilter zurück. Zehntausende Stummel werden pro Sekunde weggeworfen: das weltweit am häufigsten achtlos entsorgte Abfallprodukt. Die Filter bestehen zum Großteil aus dem nur schwer abbaubaren Kunststoff Celluloseacetat. Wegen des Plastikmüllproblems forderten Wissenschaftler im "British Medical Journal", den Verkauf von Filterzigaretten komplett zu verbieten. Es wird geschätzt, dass bis 2030 ebenso viele Stummel die Weltmeere verschmutzen wie Fische darin schwimmen. Philip Morris will bis 2025 den von ihm verursachten Plastikmüll halbieren.
Mondeléz International, 2012 aus Kraft Foods hervorgegangen, ist bekannt für Snacks und Süßwaren wie Oreo, Toblerone oder den Frischkäse Philadelphia. In Nordamerika verblieb die Kraft Heinz Company. Der Lebensmittelkonzern verschweigt seinen Plastik-Fußabdruck und hält sich mit Ambitionen, weniger Kunststoff für Verpackungen einzusetzen, zurück. Der Fokus liegt darauf, dass diese vermehrt in die gelbe Tonne gelangen. Der eigene Verbrauch von recyceltem Kunststoff soll bei fünf Prozent liegen.
Als Nummer zwei nach Nestlé unter den umsatzstärksten FMCG-Unternehmen (fast moving consumer goods) hat Procter & Gamble (P&G) mit einem externen Partner die erste Weichspülerflasche der Marke Lenor aus Papier vorgestellt, die als Pilotprodukt 2022 in Europa auf den Markt kommen soll. Zu den Marken gehören auch Tide oder Ariel und Pampers oder Venus. Der Plastik-Fußabdruck liegt bei 700.000 Tonnen pro Jahr. Ziel ist es, bis 2030 rund 50 Prozent weniger Neuplastik einzusetzen. In der europäischen Textilpflege sollen Plastikverpackungen bis 2022 zu 100 Prozent recycelbar und absolut gesehen bis 2025 um ein Viertel reduziert werden.
Mit einem Plastik-Fußabdruck von 1,7 Millionen Tonnen jährlich produziert der Schweizer Konzern Riesenmengen Plastikmüll. Kritikern sind vor allem kleine Wegwerftütchen ein Dorn im Auge, die häufig in Produkten in ärmeren Ländern verwendet werden und stark zur Verschmutzung der Meere beitragen. Der Konzern strebt an, dass bis 2025 keine Plastikverpackung mehr im Müll landet: Sie sollen zu 100 Prozent recycelbar, wiederverwendbar oder substituiert werden. Eine Verdoppelung des Recycling-Anteils von Wasserflaschen bis 2018 wurde allerdings verfehlt.
Die Produktpalette von Unilever umfasst Lebensmittel ebenso wie Reinigungsprodukte und Kosmetika. Der Konzern hat Nestlé von Platz drei verdrängt. CEO Paul Polman hatte ihm einen nachhaltigeren Kurs verordnet. Nun ist er Vorsitzender von Imagine, einer Initiative, die Unternehmer in Sachen Klimawandel und globale Ungleichheit vernetzt. „Break free from Plastic“ missfällt es, dass Unilever als Hauptsponsor des Klimagipfels COP26 antritt, aber am eigenen Plastikverbruach wenig ändert. Sein Plastikfußabdruck wird von Talkingtrash.com mit 700.000 Tonnen jährlich angegeben. Kritisch seien vor allem Plastiktütchen wie etwa für abgepackten Reis, die nicht zu recyceln seien. Unilevers Ziel ist es, den Anteil neuer Kunststoffe für Verpackungen bis 2025 um 50 Prozent zu reduzieren.
Der zweitgrößte Plastikmüllverursacher ist weniger häufig eindeutig erkennbar, hält sich aber auf dem zweiten Platz. Pepsico wird ein Plastik-Fußabdruck von jährlich 2,3 Millionen Tonnen zugeschrieben. In mehreren Zielen zur Nachhaltigkeit strebt der Konzern einen höheren Einsatz von Rezyklaten und von wiederverwendbaren Flaschen für einen Materialkreislauf an. Umweltschützer werfen dem Getränkehersteller aber vor, immer wieder hinter Zusagen zurückgefallen zu sein, etwa bei den Recyclingraten. Auch Pepsi sei Mitglied von Verbänden, die Pfandsysteme hintertreiben.
Im vierten Jahr ergab die Markensichtung, dass etwa zehn Prozent der erkennbaren Plastikverpackungen Coca-Cola-Produkte sind. Gemessen an den verwendeten Mengen ist das keine Überraschung. Die Ellen MacArthur-Stiftung erfasst in einem Fortschrittsbericht über Versprechen der Plastikwirtschaft den Getränkekonzern auf Platz eins mit 2,9 Millionen Tonnen verwendeten Kunststoffverpackungen im Jahr 2020. Jede Minute laufen 200.000 Flaschen vom Band. Coca-Colas Zusage, bis 2030 für jede verkaufte Plastikflasche oder Dose auch eine einzusammeln, scheint (noch) nicht zu fruchten.