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Kolumne Das Märchen von der Confidence Fairy

Vertrauen macht eine schlechte Politik nicht gut. Und ein Aufschwung mag kommen, aber nie wegen der Sparpolitik. Von Robert Skidelsky
Robert Skidelsky
Robert Skidelsky
© Getty Images

Robert Skidelsky ist Mitglied des britischen Oberhauses und emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Warwick.

Im Jahr 2011 beschrieb Nobelpreisträger Paul Krugman den konservativen Diskurs über Haushaltsdefizite über die Begriffe Bond Vigilantes und Confidence Fairy. Danach würden, sofern die Regierungen nicht ihre Haushaltsdefizite abbauten, die Bond Vigilantes ihnen Daumenschrauben anlegen, indem sie die Zinsen in die Höhe trieben. Wenn die Regierungen ihre Defizite jedoch zurückführten, würde die Confidence Fairy sie durch Ankurbelung des privaten Konsums belohnen – wobei dieser Mehrkonsum den durch die Haushaltseinsparungen verursachten Minderkonsum mehr als ausgleichen würde.

Krugman war der Ansicht, dass die Behauptung über die Bond Vigilantes in Bezug auf einige Länder, wie etwa Griechenland, berechtigt sein könnte. Die Vorstellung von der Confidence Fairy jedoch sei nicht weniger irreal als die von der Zahnfee. Ein Defizit während eines Abschwungs abzubauen, könne nie einen Aufschwung verursachen. Politische Rhetorik könne verhindern, dass eine gute Politik verfolgt würde, doch ihren Erfolg könne sie nicht verhindern. Vor allem aber könne sie nicht bewirken, dass eine schlechte Politik funktioniert.

Ich habe diesen Punkt kürzlich mit Krugman bei einer Veranstaltung des New York Review of Books diskutiert. Dabei argumentierte ich, dass negative Erwartungen auch die Ergebnisse einer Politik beeinflussen könnten und nicht nur die Chancen ihrer Umsetzung. Wenn die Leute zum Beispiel dächten, dass die staatliche Kreditaufnahme lediglich eine in die Zukunft verschobene Steuer darstelle, würden sie möglicherweise mehr sparen, um ihre erwarteten späteren Steuern bezahlen zu können.

Im Nachhinein glaube ich, ich hatte Unrecht. Der Vertrauensfaktor beeinflusst die Entscheidungsfindung der Regierung, aber die Ergebnisse dieser Entscheidungen beeinflusst er nicht. Von extremen Fällen abgesehen, kann Vertrauen nicht dazu führen, dass eine schlechte Politik gute Ergebnisse zeitigt, und ein Mangel an Vertrauen kann nicht dazu führen, dass eine gute Politik schlechte Ergebnisse nach sich zieht – genau so wenig, wie ein Sprung aus dem Fenster aus dem Fehlglauben heraus, dass Menschen fliegen könnten, die Auswirkungen der Schwerkraft ausgleichen kann.

Defizitabbau in einer Rezession ist schlecht

Die Abfolge der Ereignisse während der Großen Rezession, die in 2008 begann, bestätigt dies. Zunächst feuerten die Regierungen aus allen Rohren und verhinderten so, dass aus der Großen Rezession eine neuerliche Große Depression wurde. Doch noch bevor die Konjunktur die Talsohle erreichte, wurden die Konjunkturimpulse abgestellt, und das Motto hieß nun Austerität – d.h. die beschleunigte Verringerung der Haushaltsdefizite überwiegend durch Ausgabesenkungen.

Nachdem die kurzatmigen politischen Eliten wieder zu Atem gekommen waren, erzählten sie eine Geschichte, die darauf ausgelegt war, alle weiteren fiskalischen Impulse zu unterbinden. Der Abschwung sei durch haushaltspolitische Verschwendung hervorgerufen worden, insistierten sie, und könne daher nur durch eine sparsame Haushaltsführung beseitigt werden. Und zwar nicht irgendeine Sparpolitik: Es seien die Ausgaben für die Armen, nicht die Reichen, die man senken müsse, denn diese Ausgaben seien die wahre Ursache der Probleme.

Jeder Keynesianer weiß, dass ein Defizitabbau in einer Rezession eine schlechte Politik ist. Schließlich ist eine Rezession als Mangel bei den Gesamtausgaben definiert. Zu versuchen, sie durch Ausgabekürzungen zu heilen, ist so, als wolle man einen Kranken heilen, indem man in schröpft.

Schröpfen um gesund zu werden?

Daher war es nur natürlich, jene Ökonomen, die dieses Schröpfen befürworteten – wie Alberto Alesina und Kenneth Rogoff von der Universität Harvard – zu fragen, wie ihre Behandlung denn funktionieren solle. Ihre Antwort war, dass der Glaube daran, dass es funktionieren würde (die Confidence Fairy), den Erfolg gewährleisten würde.

Genauer gesagt argumentierte Alesina, dass zwar ein Schröpfen allein den Zustand des Patienten verschlechtern würde. Seine positiven Auswirkungen auf die Erwartungen jedoch würden diese schwächenden Auswirkungen mehr als ausgleichen. Ermutigt durch die Zusicherung, dass er wieder gesund werden würde, würde der halbtote Patient aus dem Bett springen und anfangen, herumzulaufen und -springen und wieder normal zu essen, und bald wäre er wieder vollständig bei Kräften. Die Schröpfungsbefürworter legten hierzu ein paar unsolide Nachweise vor, um zu zeigen, dass dies in einigen Fällen so passiert sei.

Die Konservativen, die die öffentlichen Ausgaben aus ideologischen Gründen senken wollten, fanden die Geschichte von Bond Vigilantes und Confidence Fairy für ihren Zweck ideal. Die haushaltspolitische Verschwendung der Vergangenheit heraufzubeschwören, ließ einen Angriff der Rentenmärkte auf die schwer verschuldeten Regierungen plausibler (und wahrscheinlicher) erscheinen; die Confidence Fairy versprach, die haushaltspolitische Zurückhaltung zu belohnen, indem sie die Volkswirtschaft produktiver machte.

Erholung durch geldpolitische Impulse

Mit Hilfe von Professoren wie Alesina ließen sich konservative Überzeugungen in eine wissenschaftliche Prognose verwandeln. Und als Alesinas Behandlung nicht zu einer schnellen Erholung führte, gab es eine offensichtliche Ausrede: Sie war nicht strikt genug umgesetzt worden, um „glaubwürdig“ zu sein.

Die Genesung, soweit man von einer solchen reden kann, kam schließlich zupass, mit jahrelanger Verspätung, aber nicht durch haushaltspolitisches Schröpfen, sondern durch massive geldpolitische Impulse. Als der wackelige Patient schließlich wieder mühsam auf die Beine kam, erklärten die Befürworter des Schröpfens triumphierend, dass die Austerität funktioniert hätte.

Die Moral von der Geschichte ist simpel: Austerität in einer Rezession funktioniert nicht, und zwar aus demselben Grund, aus dem die mittelalterliche Praxis des Schröpfens die Patienten nicht gesund machte: Sie schwächt, statt zu stärken. Die Confidence Fairy zwischen Ursache und Wirkung einer Politik dazwischenzuschieben, ändert die Logik der Politik nicht; es vernebelt sie lediglich eine Zeitlang. Ein Aufschwung mag trotz Sparpolitik kommen, aber nie wegen ihr.

Obwohl Krugman seine Ausführungen an eine amerikanische Leserschaft richtete, trifft sie auch auf den britischen Fall perfekt zu. In einem ersten Haushalt im Juni 2010 warnte der britische Schatzkanzler George Osborne: „Am Beispiel Griechenland kann man sehen, was passiert, wenn ein Land sich seinen Problemen nicht stellt, und das ist ein Schicksal, das zu vermeiden ich entschlossen bin.“

Bei der Vorlage des britischen Haushaltes für 2015 im März behauptete Osborne, die Austerität habe Großbritannien wieder „auf die Beine gebracht“. Am 7. Mai wird über diese Behauptung bei den britischen Parlamentswahlen das Urteil gefällt. Man wird es den von Osbornes Medizin noch immer geschwächten britischen Wählern nachsehen, wenn sie entscheiden, sie hätten im Bett bleiben sollen*.

(*Anm. d. Redaktion: Die britischen Wähler haben bekanntlich anders entschieden)

Aus dem Englischen von Jan Doolan

Copyright: Project Syndicate, 2015. www.project-syndicate.org

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