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Bernd Ziesemer Das große Rätsel von Siemens Energy

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Die Kette der schlechten Nachrichten reißt bei dem deutschen Windkraftanlagenbauer nicht ab. Läutet bald das Totenglöckchen für Siemens Energy?

In den USA kreisen bereits die Geier über dem deutschen Konzern Siemens Energy. Gleich mehrere Anwaltskanzleien bereiten Sammelklagen von Investoren gegen den Windkraftanlagenbauer vor. Und wie bei solchen Gelegenheiten üblich, werfen sie gewaltige Vorwürfe in die Debatte, wie in der letzten Woche durch einen Bericht des Handelsblatts bekannt wurde. Von einem möglichen „Anlegerbetrug“ ist die Rede und von „illegalen Geschäftspraktiken“. Es geht schließlich um viel Geld, das die Aktionäre in den letzten Jahren verloren haben. Allein Ende Juni brach der Kurs von Siemens Energy mit einem Schlag um 39 Prozent ein, nachdem der Vorstand neue Verluste in Milliardenhöhe verkündet hatte.

Seit Jahren reißt die Ketten von schlechten Nachrichten aus München nicht ab. Die schrittweise Komplettübernahme der Tochter Gamesa für viele Milliarden Euro gehört zu den allerschlechtesten Deals der gesamten deutschen Konzerngeschichte. Zahlreiche Spitzenmanager versuchten sich an einer Sanierung des Geschäfts und scheiterten. Doch neben dem On-Shore-Geschäft von Gamesa häufen sich die Probleme nun auch im Off-Shore-Bereich des Konzerns. Es geht also um den Kern der alten Siemens-Expertise: den Bau von Turbinen. Irgendetwas läuft total schief – und wir wissen im Detail immer noch nicht, was eigentlich genau. Das ist das große Rätsel der ganzen schlimmen Siemens-Energy-Story.

Immer neue Probleme bei Siemens Energy

Die tieferen Ursachen für die technischen Probleme der deutschen Windkrafträder diskutieren Branchenexperten seit einiger Zeit. Von möglichen Fehlkonstruktionen, die gar nicht mehr zu beheben seien, sprachen Ingenieure schon vor Jahren. Wieso der Konzern „plötzlich“ immer neue Schwierigkeiten entdeckt, entzieht sich der öffentlichen Kenntnis. Ursachenforschung betreibt man in München nur hinter den Kulissen. Und bisher geben sich die Aktionäre damit auch zufrieden.

Darin liegt die Brisanz möglicher Klagen in den Vereinigten Staaten: Ein Prozess könnte Dinge ans Licht der Öffentlichkeit befördern, die überaus peinlich für den Konzern werden könnten. Deshalb liegt es im Interesse von Siemens Energy, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Im Zweifel wird man sich vergleichen – wie bereits in einem anderen sehr peinlichen Verfahren 2021. Damals hatte General Electric den deutschen Konzern wegen illegaler Wettbewerbspraktiken bei einer Ausschreibung in den USA verklagt und die Methoden von Siemens Energy bis ins kleinste Detail offengelegt.

So oder so steigt durch einen möglichen Prozess in den USA der ohnehin große Druck auf den Konzern. Sehr viele weitere Belastungen kann Siemens Energy nicht mehr verkraften. Schon jetzt steht die Existenz des Unternehmens in seiner jetzigen Form auf dem Prüfstand. Seit der Abspaltung vom einstigen Mutterkonzern Siemens ist nichts so gelaufen, wie man es damals versprochen hatte. Wenn der Konzern weitere Milliardenbelastungen melden müsste, läutet in München das Totenglöckchen. Das ist die einzige Prognose, die man mit einiger Sicherheit heute für den Konzern wagen kann.   

Bernd Ziesemer

ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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