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Handelskrieg „Chinas Ziel ist es nicht, gegen Trump zu gewinnen“

US-Präsident Donald Trump bei seinem Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping im November 2017.
US-Präsident Donald Trump bei seinem Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping im November 2017.
© Getty Images
Der Handelsstreit zwischen den USA und China schwelt weiter. Wan-Hsin Liu vom Kieler Institut für Weltwirtschaft erklärt, weshalb China einen zeitlichen Vorteil hat und an welche Abmachungen sich das Land im Falle einer Einigung halten dürfte

Im Handelskrieg zwischen China und den USA scheint immer noch kein Ende in Sicht. Der Konflikt läuft bereits seit Monaten und belastet zunehmend Unternehmen und Konsumenten in beiden Ländern. Capital hat mit Wan-Hsin Liu, China-Expertin am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), über Auswirkungen und Aussichten gesprochen.

Capital: Wie sehr leidet Chinas Wirtschaft unter dem Handelskrieg mit den USA?

WAN-HSIN LIU: Grundsätzlich liegt es nicht in Chinas Interesse, einen Handelsstreit mit den USA zu führen. Aber sobald die Stabilität der Wirtschaft gefährdet ist, versucht die chinesische Regierung alles in ihrer Macht stehende dagegen zu unternehmen. Auch wenn das bedeutet, sich einen Machtkampf mit den USA zu liefern. Chinas Ziel ist es nicht, gegen Trump zu gewinnen. Der Fokus liegt auf einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung. Die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts lag im ersten Quartal bei 6,4 Prozent. Damit entspricht es den positiven Erwartungen der chinesischen Regierung. Trumps Zollerhöhungen haben in Chinas Wirtschaft keinen drastischen Schaden angerichtet und werden es auch in Zukunft nicht.

Und wie lange kann sich China diesen schwelenden Streit noch erlauben?

China ist definitiv in der Lage die Verhandlungen in die Länge zu ziehen, auch wenn das nicht das Ziel ist. Oberste Priorität ist es, einen Kompromiss zu finden, ohne eigene Interessen und Grundprinzipien zu verletzen. Und solange keine Einigung in Sicht ist, werden beide Seiten weitere Maßnahmen in Anspruch nehmen. Deshalb reagiert auch die chinesische Regierung mit Gegenzöllen. Sie versuchen mögliche negative Konsequenzen für das Land zu kompensieren. China hofft auf ein zufriedenstellendes Resultat beim G20-Gipfel im Juni, damit die unnötigen Spannungen endlich abflauen.

Trump fordert letztlich nicht weniger als einen Umbau der chinesischen Wirtschaft – wie weit kann Chinas Regierung hier Zugeständnisse machen?

Trump verlangt eine Marktöffnung – das ist aber keine neue Forderung für China. Die Regierung arbeitet schon seit ein paar Jahren daran, den Markt weiter zu öffnen und erzielt dabei Fortschritte. Nur sind die nicht so radikal, wie Trump das gerne hätte. Die Forderung, sich von der Staatswirtschaft zu distanzieren, wird Trump auch noch einiges an Geduld kosten . Denn China regiert mit nur einer Partei – der kommunistischen Partei. Zentrale wirtschaftliche Entscheidungen werden von der Leitung dieser Partei beschlossen. Marktwirtschaftliche Aspekte werden zwar immer mehr zugelassen, aber eine radikale Änderung der Staatsregierung kann nicht zu erwarten sein. China lässt sich nicht vorschreiben, welche Reformziele wie schnell umgesetzt werden sollen.

Wer sitzt bei den Streitigkeiten am längeren Hebel was die wirtschaftliche Stärke anbelangt?

Die Kunst der Verhandlung entscheidet, wer am längeren Hebel sitzt. Trotzdem muss man bedenken, dass beide Länder ihrer jeweiligen Agenda folgen, was den Handelskonflikt beeinflusst: Trump konzentriert sich vor allem auf seine mögliche Wiederwahl im Jahr 2020. Deswegen sind Entscheidungen mit positiven Auswirkungen unverzichtbar für die USA. Außerdem besteht ein gewisser Zeitdruck, da nicht nur China, sondern auch immer mehr amerikanische Unternehmer und Konsumenten die hohen Zölle zahlen müssen. Das sollte Grund genug sein, die Verhandlungen nicht noch weiter hinauszögern zu wollen. China dagegen fürchtet sich vor einer instabilen Wirtschaft. Sie würde die politische Stabilität gefährden und dementsprechend auch die Position der kommunistischen Partei. Als Reaktion darauf nimmt die chinesische Regierung eine passive Haltung ein, um den Streit nicht noch weiter anzukurbeln. Ganz nach dem Leitspruch „in der Ruhe liegt die Kraft“ versucht die chinesische Regierung nicht zu viele Details ihrer Strategie preiszugeben – im Gegensatz zu Trump, der seiner Affinität gegenüber sozialen Medien täglich Ausdruck verleiht.

Sollte es nun zu einem Deal kommen, wie groß ist dann überhaupt die Wahrscheinlichkeit, dass China sich an die Abmachungen hält?

Ob sich die chinesische Regierung an die Leitsätze eines möglichen Deals halten wird, kommt ganz darauf an, wie tolerant Trumps Forderungen sind. China wird genau auf Details und Nischen des Deals achten und ist bereit, die Verhandlungen so lange hinauszuzögern, bis jeder Paragraf zufriedenstellend ausformuliert ist. Auch vorgegebene Zeitspannen werden die Einhaltung der Abmachungen beeinflussen. Je mehr Zeit die USA der chinesischen Regierung lässt, um einzelne Forderungen zu erfüllen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich China an die Vorgaben hält. Sollte Trump allerdings quantitative Ziele zu einem exakten Zeitpunkt abverlangen, dann kann nicht ausgeschlossen werden, dass China die Abmachungen umgehen wird.

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