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Bernd Ziesemer Chinas große Schwäche in den globalen Finanzbeziehungen

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Schlechte Außenhandelszahlen mit Russland zeigen: Die Angst vor amerikanischen Sanktionen zwingt die chinesischen Banken zur äußersten Vorsicht bei Geschäften mit Putin

Die neusten Außenhandelszahlen aus Beijing überraschen: Obwohl China und Russland immer näher aneinanderrücken und fast im Tagestakt ihre unverbrüchliche Freundschaft beschwören, schwächelt der bilaterale Warenaustausch. Im Mai fielen die chinesischen Exporte nach Russland um zwei Prozent, während sie insgesamt um 6,7 Prozent stiegen. 

An mangelnder Nachfrage im Reich Wladimir Putins kann das bestimmt nicht liegen: Die russische Industrie ist auf die Lieferung chinesischer Maschinen und Elektronikbauteile aller Art angewiesen wie ein Verdurstender auf Wasser. Weil die westlichen Sanktionen strategische Importe aus Europa und den USA zwar nicht völlig stoppen, aber sehr wohl empfindlich bremsen, verhindert nur noch China den Kollaps der russischen Kriegsmaschinerie.

Hinter den Rückgängen im Außenhandel stecken vor allem zunehmende Probleme mit der Abwicklung der Zahlungsströme. Die USA haben in diesem Bereich zuletzt die Zügel angezogen und die Chinesen mehrfach eindringlich davor gewarnt, die Finanzsanktionen gegen Russland auf die leichte Schulter zu nehmen. Unter den chinesischen Banken verstärkt sich die Angst vor Sekundärsanktionen. Sie wollen zwar gern mit Russland Geschäfte machen, aber auf keinen Fall ihr Geschäft mit den USA riskieren. Zumal die USA immer wieder zeigen, dass sie ihren Regeln auch weltweit Geltung verschaffen können, wenn es darauf ankommt.

Die Probleme des chinesisch-russischen Zahlungsverkehrs offenbaren, was von den Bewunderern der Volksrepublik gern übersehen wird: Chinas Schwäche in den globalen Finanzbeziehungen. Ein Blick in die einschlägigen Statistiken vermittelt ein falsches Bild. Danach stellt China die Hälfte der zehn größten Kreditinstitute der Welt. Die aufgeblähten Bilanzsummen der chinesischen Banken, die sich in solchen Ranglisten widerspiegeln, sind in Wahrheit jedoch kein Zeichen der Stärke, sondern der Schwäche. Mit ihren großen Bergen an wackligen Krediten gleichen die Banken den Dörfern Potemkins.

Und ähnlich sieht es mit der Rolle als Investor aus: China hält 800 Mrd. Dollar an amerikanischen Staatsanleihen und bemüht sich seit längerer Zeit, seine Aktiva umzuschichten. Doch wo wollen die Chinesen ihr Geld denn sonst anlegen? In russischen Rubeln gewiss nicht.

Bei Chips und Finanzen kann China mit USA nicht mithalten

China kann sich auf vielen Feldern mit den USA messen. Als Werkbank der ganzen Welt verfügt die Volksrepublik über großen wirtschaftlichen und damit auch politischen Einfluss. Auch bei einigen Rohstoffen dominiert China die globalen Märkte. Aber auf zwei Feldern hält das Reich der Mitte trotz aller Kraftakte international nicht mit: bei Hochleistungschips und Finanzen. Bei den Halbleitern schiebt Xi Jinping ein riesiges staatliches Investitionsprogramm nach dem anderen an, um den Rückstand aufzuholen. Doch weil die Chinesen nach amerikanischen Sanktionen nicht mehr an die fortgeschrittensten Technologien zur Chipherstellung kommen, dürfte das sehr schwer werden – wenn es denn überhaupt möglich sein sollte.

Seine Schwächen in den internationalen Finanzbeziehungen kann das Regime in Beijing jedoch mit keinen Mitteln wirksam bekämpfen. Im Fall eines Überfalls auf Taiwan würde China den Zugang zu den globalen Finanzmärkten ziemlich sicher komplett verlieren. Und Xi Jinping kann sich in diesen Tagen bei seinem Freund Putin erklären lassen, was das bedeutet.

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