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Bernd Ziesemer Der unaufhaltsame Niedergang der China AG

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
In den vergangenen Jahren gab es kaum eine schlechtere Kapitalanlage als China-Aktien. Mit der jetzigen Wirtschaftspolitik von Staatschef Xi Jinping geht es weiter bergab. Bernd Ziesemer über die Folgen einer verfehlten Politik

Wäre Xi Jinping der Chef einer privaten China AG, dann hätten ihn die Aktionäre wohl längst in die Wüste Gobi geschickt. Der Aktienindex MSCI China ist seit dem 1. Januar 2021 um über 40 Prozent gefallen. Besonders verheerend fällt der Vergleich mit Indien aus, wo der vergleichbare Index im selben Zeitraum um mehr als 70 Prozent gestiegen ist. Aber auch die meisten anderen Schwellenländer und Industriestaaten schnitten sehr viel besser ab. Doch weil Xi Jinping als Vorsitzender der KP Chinas das ganze Land diktatorisch regiert und unter seiner Ägide Politik immer vor Wirtschaft geht, setzt seine China AG den Weg nach unten fort.

Die Hoffnungen auf eine Gesundung der angeschlagenen Wirtschaft erfüllen sich bisher nicht. Gerade meldete die Industrie zur Überraschung der meisten Analysten einen Rückgang der Kaufneigung für ihre Produkte. Dabei läuft seit einiger Zeit ein neues Programm zur Unterstützung der Wirtschaft. Doch die Kaufneigung der Endverbraucher bleibt gering, solange das Hauptproblem nicht gelöst ist: der marode Immobiliensektor. Wer es sich in China auch nur einigermaßen leisten konnte, hat in den vergangenen 20 Jahren viel Geld in den Kauf von Wohnungen gesteckt und dabei auf eine hohe Rendite gehofft. Nun stehen Hunderttausende leer und viele große Bauprojekte stehen halbfertig in den entlegenen Provinzen herum, weil den Bauträgern das Geld ausgegangen ist.

Alle bisherigen Versuche, den Sektor in den Griff zu bekommen, sind gescheitert. Zahlreiche Zombie-Konzerne retten sich mit Notverkäufen und neuen Krediten über die Runden, aber kommen wahrscheinlich nie wieder auf die Beine. Zuletzt versuchte es Xi Jinping mit der Anweisung an die Provinzregierungen, Wohnungen mit Staatsgeldern zu kaufen. Doch sie sind selbst überschuldet und können Xis Befehl nur mit neuen Krediten der Staatsbanken umsetzen, die jedoch eigentlich gehalten sind, kein Geld mehr in wacklige Projekte zu stecken – ebenfalls auf ausdrücklichen Befehl Xi Jinpings.

Politisierung statt Pragmatismus

Sucht man eine Metapher für die jetzige chinesische Wirtschaftspolitik, dann fällt einem das Bild eines Autofahrers ein, der gleichzeitig auf die Bremse und das Gaspedal drückt. Wie man weiß, führt so ein Verhalten bei der kleinsten Drehung des Lenkrads zu heftigem Schleudern des Fahrzeugs. Weil sie selbst im jetzigen Chaos nicht mehr an eine Belebung des innerchinesischen Konsums glauben, exportieren die Konzerne ihre Produkte um jeden Preis ins Ausland. Viele von ihnen machen dabei keine Gewinne, sehen aber keinen anderen Ausweg. Eigentlich wäre eine Reduzierung der Kapazitäten in vielen Branchen angesagt. Aber Stellenabbau und Pleiten gelten aus politischen Gründen als tabu.

Die Politisierung aller wirtschaftlichen Entscheidungen unter Xi Jinping verdrängt immer mehr den Pragmatismus, der unter seinen Vorgängern herrschte, solange es nicht um unmittelbare Machtfragen ging. Und weil das so ist, sollte man sich von chinesischen Aktien eher fernhalten. Denn nichts ist schwieriger zu berechnen als der Effekt staatlicher Eingriffe bei privaten und halbstaatlichen Unternehmen.   

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf X folgen.

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