Zum Börsenschluss der letzten Woche machten der chinesische Aktienmarkt mal wieder das, was er seit Wochen macht: Er legte ein bisschen zu. In Shanghai stieg der CSI 300 auf fast 5000 Punkte. Damit liegt ein ziemlich steiler Weg hinter dem Aktienindex, der im September letzten Jahres noch auf ein Tief von 3200 Punkten gefallen war. Möglicherweise geht es noch eine Weile so weiter. Aber die Gefahr wächst, dass Anleger in eine Bullenfalle geraten.
Die chinesische Regierung stützt den Aktienmarkt direkt und indirekt durch eine Vielzahl an Aktionen. Und die privaten Investoren vertrauen darauf, dass sie sich noch eine Weile auf die staatlichen Stimuli verlassen können. Doch die Chinesen sind sehr viel vorsichtiger geworden als noch vor ein paar Jahren. Viele Familien mit einem mittleren Einkommen sitzen auf hohen, noch nicht realisierten Verlusten aus Immobilien. Sie können sich keine weiteren Verluste leisten und dürften schnell an der Börse aussteigen, wenn sie dem Boom nicht mehr trauen.
Die Kluft zwischen dem Aktienmarkt und der Realwirtschaft bleibt das allergrößte Problem für Investoren. Die Krise auf dem Immobilienmarkt, der viele Jahre lang der Haupttreiber der Wirtschaftsentwicklung im Reich der Mitte war, geht unvermindert weiter. Die chinesische Führung wirkt ratlos, wie sie mit dem Problem fertig werden soll, ohne einen Crash auszulösen und China damit auf Jahre zu belasten.
Für Anleger fehlt in China die Transparenz
Aber auch die Exportindustrie, der zweite wichtige Treiber der Wirtschaft, gerät immer tiefer in die Bredouille. Zahlreiche große Unternehmen, vor allem in der Autobranche, liefern sich einen harten Verdrängungswettbewerb und machen keine Gewinne. Der unsichere Zoll-Deal mit Donald Trump sorgt für zusätzliche Unsicherheit. Die Regierung in Peking macht seit neuestem ernsthaft Druck auf die Unternehmen in der Provinz, den ruinösen Wettbewerb einzustellen. Aber auch auf diesem Feld fehlen letztlich die Mittel, um die chinesischen Konzerne zu einer Verhaltensänderung zu zwingen.
Die mangelnde Transparenz macht es in China schwer, die Bewertung der Konzerne zu überprüfen, die in Shanghai oder Shenzhen notiert sind. Die zentralen Behörden in Peking, die Provinzen und die Staatsbanken stützen Unternehmen immer wieder gegen jede wirtschaftliche Vernunft. Zugleich sind sie bemüht, diese Aktionen zu verschleiern. Oft gehen sie Hand in Hand mit Korruption. Experten fragen sich seit langem, ob zahlreiche chinesische Unternehmen nach globalen Finanzkriterien nicht eigentlich pleite sind – unter den besonderen Bedingungen des chinesischen Staatskapitalismus aber weiter wirtschaften können wie bisher.
Je weiter sich eine Volkswirtschaft entwickelt, umso wichtiger wird finanzielle Transparenz. China geht jedoch genau den umgekehrten Weg: In den vergangenen Jahren sind mehrere Gesetze in Kraft getreten, die es ausländischen Experten schwerer machen, sich einen tieferen Einblick in die Unternehmen zu verschaffen. Wer chinesische Aktien kauft, sollte deshalb niemals vergessen: Er kauft die Katze im Sack.