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Kolumne Camerons ungestellte Frage

Der britische Premier Cameron bleibt schwammig – und eine Frage zur EU-Vertiefung bleibt sogar außen vor. Von David Milleker
Angela Merkel, David Cameron und Francois Hollande bei einem Treffen in Brüssel
Angela Merkel, David Cameron und Francois Hollande bei einem Treffen in Brüssel
© European Union
Kolumne: Camerons ungestellte Frage

David Milleker ist seit 2006 Chefvolkswirt bei Union Investment, einer der größten deutschen Fondsgesellschaften. Sie gehört zur genossenschaftlichen Finanzgruppe.

Zwischen Frühsommer 2016 und Ende 2017 wird Großbritannien ein Referendum über seinen Verbleib in der Europäischen Union (EU) abhalten. Davor soll nach Angaben der Regierung von Premierminister David Cameron das Verhältnis zur EU in Verhandlungen „grundsätzlich“ neu geregelt werden.

Aus taktischem Kalkül bleibt die britische Regierung bislang allerdings ausgesprochen schwammig, worin denn nun das „Grundsätzliche“ bestehen soll. Zum einen wird Großbritannien nicht damit rechnen können, dass bis zur Abstimmung in Europa konkrete Vertragsänderungen beschlossen werden können. Dazu ist das Einstimmigkeitsprinzip eine zu große Hürde. Zum anderen deuten Umfragen auf eine wachsende Zustimmung der Briten für einen Verbleib in der EU hin, wenn die Regierung erklärt, dass man eine grundsätzliche Neuordnung erreicht hat. Je konkreter ein Forderungskatalog aus London, desto leichter wird es natürlich für die Austrittskampagne, die Behauptung einer grundsätzlichen Neuordnung der Beziehungen zur EU zu widerlegen.

Am klarsten sind die britischen Vorstellungen noch in zwei Punkten: Erstens gibt es Widerstand gegen die Niederlassungsfreiheit von EU-Bürgern, insbesondere den Bezug von Lohnersatz- beziehungsweise Lohnergänzungsleistungen. Zweitens wünschen sich die Briten ein stärkeres Einspruchs- und Vetorecht der nationalen Parlamente gegen europäische Gesetzesinitiativen („System roter und gelber Karten“).

höhere Barrieren für Beitrittskandidaten

Es gibt allerdings eine Frage auf der Meta-Ebene, die Großbritannien stellen sollte, aber so nicht stellt: Es besteht weitgehender Konsens aus den Erfahrungen der Euro-Krise, dass ein gemeinsamer Währungsraum langfristig nur bei vertiefter institutioneller Integration lebensfähig ist. Was bedeutet das aber für Staaten, die den Euro nicht eingeführt haben oder gar nicht einführen wollen? Großbritannien und Dänemark haben ja sogar ein vertraglich garantiertes Recht, dauerhaft ihre eigene Währung zu behalten. Für alle anderen EU-Staaten besteht zumindest auf dem Papier die Verpflichtung, die Einführung des Euro anzustreben.

Zugleich baut eine institutionelle Vertiefung des Euro-Raums automatisch höhere Barrieren für Beitrittskandidaten auf. Nehmen wir den Extremfall einer Fiskalunion, in der bestimmte Steuertatbestände auf europäische Ebene verlagert und diesen entsprechende europäische Staatsaufgaben gegenübergestellt werden. Die Vertiefung im Innern – Stichwort Transferunion – würde zwar helfen, regional unterschiedliche Konjunkturentwicklungen abzufedern, wäre aber für ein Land mit eigenem Wechselkurs weder zwingend noch unmittelbar vorteilhaft. Zudem wäre der Übergang vom Nicht-Mitglied zum Mitglied in der Europäischen Währungsunion (EWU) dann nicht mehr nur mit einer zweijährigen Pflichtperiode stabiler Wechselkurse, sondern mit weitergehenden institutionellen Anpassungen im Sinne von Steuererhebungskompetenz und korrespondierenden Staatsaufgaben verbunden.

Vertiefung und Erweiterung stellen für die Eurozone also eine weit größere Herausforderung dar, als das bei dem reinen Binnenmarkt der EU ohnehin schon der Fall war. Das Konzept der „variablen Geometrie“ (unterschiedliche EU-Staaten können sich zu verschiedenen Themen zu unterschiedlichen Koalitionen zusammenschließen) hilft hier nur bedingt weiter. Was für den EWU-Teil eine überlebenswichtige Integration darstellt, schließt automatisch andere auf Dauer aus. Die Antwort darauf bleiben auch schlaue Papiere aus Brüssel zur weiteren Integration der Währungsunion bislang komplett schuldig. Den Vorteil des britischen Referendums kann man durchaus darin sehen, dass die EU hier klarer wird definieren müssen, wie der Status von Nicht-Euro zu Euro-Staaten einmal aussehen wird.

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