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Glosse Braucht die SPD mehr Currywurst?

Die Currywurst hat es ihm angetan: Gerhard Schröder holt sich das deutsche Nationalgericht auf einem SPD-Fest im Jahr 2007
Die Currywurst hat es ihm angetan: Gerhard Schröder holt sich das deutsche Nationalgericht auf einem SPD-Fest im Jahr 2007
© IMAGO / photothek
Bei der Currywurst hört der Spaß für Gerhard Schröder auf. Weil eine VW-Kantine das Gericht vom Speiseplan streichen will, greift der Altkanzler in den Wahlkampf ein. Was kann die SPD von der Currywurst lernen?

Ach, der Gerd. Das alte Wahlkampfschlachtross der SPD ist mal wieder in die Manege getrabt und hat gleich alle Augen auf sich gezogen. Er wieherte laut und vernehmbar zu einem Thema, das handlicher ist als Corona, greifbarer als die Digitalisierung und mehr Spaß macht als die Senkung der Steuern um nullkommairgendwas Prozent. Es ging um die Currywurst. VW will diese aus seinem, besser gesagt einem, Betriebsrestaurant verbannen, der Gerd findet das nicht gut. Schreibt er bei Linkedin .

Das Medienecho war größer als alles, was Saskia Esken bisher so zustande gebracht hat, stellt RTL-Reporterin Franca Lehfeldt fest. Das lässt sich zwar schwer nachprüfen, aber gefühlt fühlt sich das richtig an. Da stellt sich die Frage, ob die Currywurst nicht zu mehr taugt, als ein „Kraftriegel für die Facharbeiterin und den Facharbeiter“ zu sein, wie Schröder es so schön formulierte. Vielleicht taugt sie auch zum Kraftriegel für die Partei selbst.

Braucht die SPD mehr Currywurst? Ist die SPD überhaupt noch Currywurst oder ist sie schon veganisiert? Ist da kein Fleisch mehr am Parteiknochen? Ist da nur noch die Imitation von Fleisch? Die Umfragen zeigen seit Jahren, was für einen Salat die Partei hat, auch wenn es zuletzt ein bisschen nach oben ging. Fakt ist: Saskia Esken kann man sich eher nicht mit einer Currywurst vorstellen. Und bei Olaf Scholz hätte man Angst, dass der schöne Anzug befleckt werden könnte.

Der letzte Dinosaurier

Dabei hat die Currywurst das geschafft, was die SPD seit Jahren versucht: Sie hat den Wandel der Zeiten überstanden. Die Currywurst ist einer der letzten überlebenden Dinosaurier der bundesrepublikanischen Nachkriegsküche. Der Hawaii-Toast ist tot, Sauerkraut muss man suchen und an einen schönen Sauerbraten traut sich kaum noch jemand heran. Die Currywurst dagegen lebt. Facharbeiter greifen zu, aber auch Studentinnen, Chefs und Politiker. Gästen aus dem Ausland wird stolz die zerschredderte Wurst als inoffizielles Nationalgericht aufgetischt. Sie ist deutsch, kann aber auch international. Sie ist für alle da. Kann sich die SPD da nicht eine Scheibe abschneiden?

Es hieß in den vergangenen Jahren öfter mal, die historische Mission der SPD sei erfüllt. Wir haben einen starken Sozialstaat, kaum eine Partei stellt ihn infrage. Frauen sind Männern rechtlich gleichgestellt und die Grenzen sind offen und wir sind stolz auf die internationale Solidarität. Menschen wie Gerhard Schröder schafften es von ganz unten nach ganz oben - genau wie die Currywurst, die auch schon Sterneköche inspiriert hat. Doch wer steigende Mieten, stagnierende Löhne und die Altersarmut sieht, weiß: Da ist schon noch was zu tun. Die Sozialdemokratie wird eigentlich noch gebraucht, zumindest von mehr als 15 oder auch 18 Prozent der Gesellschaft.

Sicher ist, dass die Currywurst mehr als 18 Prozent der Gesellschaft schmeckt. Was macht sie besser als die SPD? Sie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten diversifiziert. Es gibt sie auch mit Biofleisch. Es gibt sie auch vegan. In der globalisierten Welt deklarierte sie sich einfach zum German Streetfood, das auch in New York und London Abnehmer findet. Und die Soßen - klar, früher reichte vielleicht Tomatenketchup mit Currypulver und alle waren glücklich. Heute muss man mehr bieten. Ausgeklügelte Rezepturen mal mit viel, mal mit wenig scharf. So wählen Hungrige überall in Deutschland die Wurst mit roter Soße.

Sie will es nicht allen recht machen

Fehlt der SPD ein Programm mit verschiedenen Schärfegraden? Stimmen die Rezepte nicht mehr? Vielleicht ist es eher eine Frage der Kommunikation. Vielleicht dringt das Personal gerade einfach nicht durch. Was aber auch daran liegen könnte, dass man niemanden verschrecken, es allen recht machen will. Dem schrumpfenden Stamm-Milieu der Arbeiter, den ach so hippen Menschen in den Städten. Was lehrt die Currywurst in Sachen Kommunikation? Sie ist ein klares Statement, sie ist vielseitig, sie lädt alle ein, will es aber nicht jedem recht machen.

Aber hat die Partei ihr Currywurst-Monopol nicht längst verloren? Mittlerweile haben fast alle Parteien mehr oder weniger alte SPD-Elemente in ihrem Programm. Vielleicht hat der Gerd deswegen so viel Aufmerksamkeit bekommen. Weil es so schön gestrig wirkt. Da meldete sich die alte SPD, die an der Seite der kleinen Leute steht und sie am besten versteht. Angeblich. Vielleicht sollte sich die SPD also andere kulinarische Vorbilder suchen. Bier vielleicht. Das schmeckt wirklich allen.

Dieser Beitrag ist zuerst bei n-tv.de erschienen

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