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Agrarhändler Baywa-Krise: Banken schießen Geld zu, Bauern suchen andere Abnehmer

Der Agrarhändler Baywa betreibt auch Märkte wie hier in Nürnberg
Der Agrarhändler Baywa betreibt auch Märkte wie hier in Nürnberg
© CHROMORANGE / Jürgen Schott / Picture Alliance
Der Münchner Mischkonzern Baywa hat sich in jahrelanger Expansion mit Milliardenkrediten verhoben. Eine Folge ist, dass Bauern ihre Ernte an andere Händler verkaufen wollen – und dass Banken und Genossenschaften jetzt über eine halbe Milliarde zuschießen

Banken und Genossenschaften schießen dem unter Milliardenschulden ächzende Mischkonzern Baywa viel Geld zu: Sie zahlen Deutschlands größtem Agrarhändler eine kurzfristige Finanzspritze von über einer halben Milliarde Euro. Damit soll sichergestellt werden, dass der für Bauern und die Lebensmittelversorgung vor allem im Süden Deutschlands wichtige Konzern liquide bleibt. Wie die Baywa mitteilte, hat das Hilfspaket mehrere Bestandteile, zum Großteil Kredite in Höhe von zusammen knapp 400 Mio. Euro. 

Die wichtigsten Gläubigerbanken stellen einen Überbrückungskredit von 272 Mio. Euro zur Verfügung, befristet bis Ende September und mit Verlängerungsoption bis Ende Dezember. Hauptaktionäre der Baywa sind die Beteiligungsgesellschaften der Genossenschaften in Bayern und Österreich: die Bayerische Raiffeisen Beteiligung (BRB) und die Raiffeisen Agrar Invest (RAIG) steuern Gesellschafterdarlehen in Höhe von 125 Mio. Euro bei. Auf der anderen Seite verkauft die Baywa ihren eigenen 45-Prozent-Anteil an der BRB für 120 Mio. an die DZ Bank und die BRB. Hinzu kommen noch der Verkauf von Getreide und eines kleineren Firmenanteils für zusammen 30 Mio. Euro nach Österreich.

Bauern suchen andere Abnehmer für Ernte

Die Baywa hofft damit, die Schuldenkrise abzumildern. Denn sie hat jetzt schon spürbare Auswirkungen: Etliche besorgte Landwirte vor allem im Süden Deutschlands weichen auf andere Abnehmer für ihre Getreideernte aus. Bei privaten Agrarhändlern gehen in diesem Sommer zahlreiche Anfragen von Landwirten ein, die einen Käufer oder ein Lagerhaus für ihre Ernte suchen. Ähnliches ist aus dem Umfeld der Agrargenossenschaften zu hören. 

„Die Probleme der Baywa haben Auswirkungen auf die ganze Branche“, sagt Michael Osterholzer, Geschäftsführer des gleichnamigen Agrarhandels Osterholzer in der niederbayerischen Gemeinde Massing. „Erstmals haben wir an einem Standort Getreide abgelehnt, weil wir keinen Platz mehr haben. Das liegt aber nicht allein an der Baywa.“ Denn viele Bauern haben nach wie vor Getreide aus der Ernte 2023 eingelagert. 

Baywa mit großem Abstand Marktführer in ihren Kerngebieten 

Der Hintergrund: Die aus der Genossenschaftsbewegung hervorgegangene Baywa kauft insbesondere in ihren bayerischen Kerngebieten und in den neuen Bundesländern einen beträchtlichen Teil der Ernte an. Exakte Zahlen gibt es nicht, doch nach grober Schätzung eines führenden Fachmanns könnte der Marktanteil im heimischen Bayern bei etwa 40 Prozent liegen.

Doch das Unternehmen leidet unter drückenden Finanzschulden in Höhe von über fünf Milliarden Euro. Hauptproblem ist die hohe Belastung durch die Kreditzinsen, allein im ersten Quartal dieses Jahres waren es fast 100 Millionen Euro. Die Baywa hat den Landwirten zugesichert, dass das notwendige Geld für die Bezahlung der Ernte bereitstehe. Es sind auch keine Zahlungsausfälle oder -verzögerungen bekanntgeworden.

Hilfe in Vorbereitung

Eine Insolvenz der Baywa gilt in der Agrarbranche eben wegen ihrer großen Bedeutung als quasi ausgeschlossen. Die beiden Hauptaktionäre haben Finanzspritzen zugesagt, ein gemeinsames Hilfspaket in dreistelliger Millionenhöhe in Kooperation mit den kreditgebenden Banken ist in Vorbereitung.

„Die Problematik Baywa kurz vor der Ernte hat zu einiger Verwirrung und Unsicherheit geführt“, sagt Bernd Zehner, Leiter des Agrarhandels der mittelständischen Zehner Gruppe im unterfränkischen Bad Königshofen. „Es sind ja nicht nur die Landwirte betroffen, sondern auch alle anderen Marktteilnehmer, die in den verschiedenen Vermarktungsketten beteiligt sind.“

Voraussichtlich Mitte bis Ende September wird es größere Klarheit geben. Bis dahin sollte nicht nur der genaue Umfang des Hilfspakets bekannt sein: Die Unternehmensberatung Roland Berger soll ein Sanierungsgutachten vorlegen, und der Vorstand will die Geschäftszahlen des ersten Halbjahres veröffentlichen.

dpa/jti/ess

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