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Bernd Ziesemer Das nächste Glyphosat-Desaster der Bayer AG

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Die Agrarsparte des Leverkusener Bayer-Konzerns kämpft mit einem weiteren großen Problem aus der Monsanto-Übernahme – und ein Ende des Desasters ist nicht in Sicht

Dass die Bayer AG weiterhin unter der Flut von Glyphosat-Schadenersatzklagen vor amerikanischen Gerichten ächzt, daran haben sich die gebeutelten Aktionäre des Konzerns mittlerweile gewöhnt. Nun aber verdichten sich die Probleme, die sich das Unternehmen mit der Übernahme von Monsanto eingehandelt hat, auch im ganz normalen Geschäft. Die Agrarsparte des Konzerns berichtete in der letzten Woche in einer Präsentation, der Verkauf von Glyphosat-Produkten sei 2024 um sechs Prozent gesunken und belaste die ohnehin schwächelnde Einheit. Der Kernsatz auf Folie 20 der Vorstandsübersicht: „Das Glyphosat-Geschäft verwässert die Gesamtmarge stark.“

Und so geht es offenbar auch 2025 weiter: Während die Agrarsparte im laufendenden Geschäftsjahr insgesamt einen Umsatz von minus zwei bis plus zwei Prozent erwartet, zeichnet sich bei den Glyphosat-Produkten nur ein Wert von minus vier bis null Prozent ab. Will sagen: Selbst im besten Fall stagniert dieses Geschäft. Und der Preisdruck bleibt hoch. Deshalb muss der gesamte Bereich noch stärker sparen als ohnehin schon. Und noch ein Satz aus der Präsentation lässt aufhorchen: Die Bayer AG will das von Monsanto übernommene Geschäft künftig als „getrennt geführtes Unternehmen“ managen.

Ein hoffnungsloses Geschäft ausgliedern, um es bei erster passender Gelegenheit loszuwerden? So könnte man meinen. Aber in der realen Welt eröffnet sich erst dann wirklich eine Chance dafür, wenn keine juristischen Milliardenrisiken mehr auf dem Geschäft lasten und sich die Preise für die umstrittenen Produkte, die aus Sicht der amerikanischen Kläger für ihre Krebserkrankungen verantwortlich sind, nachhaltig stabilisieren.

Bayer-Chef Anderson vertröstet die Anleger auf das Jahr 2026 

Klar ist: Die Agrarsparte, geführt von einem ehemaligen Monsanto-Mann, ist immer noch viel zu abhängig von ihren Glyphosat-Produkten. Vor fast sechs Jahren hatte die Bayer AG eine große Anzeige in deutschen Medien geschaltet mit dem Versprechen, „in den nächsten zehn Jahren rund fünf Milliarden Euro“ in die Forschung und Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln zu investieren, die Glyphosat überflüssig zu machen. Die Überschrift der Epistel, mit der die Bayer-Spitze die kritische Öffentlichkeit wieder einfangen wollte: „Wir haben zugehört. Und verstanden.“

Seit dem Sommer 2019 ist viel Wasser den Rhein heruntergeflossen. Der damalige Vorstandschef und sein unglücklicher Aufsichtsratschef mussten vorzeitig den Hut nehmen, als es weiter bergab ging mit dem einzigen Konzern. Seit fast zwei Jahren amtiert nun der Nachfolger Bill Anderson, der in der Agrarsparte auch nicht recht vorangekommen ist. In der vergangenen Woche schürte der Bayer-Chef viele Hoffnungen, die jedoch allesamt erst ab 2026 und zu einem großen Teil noch viel später greifen sollen. Immerhin denkt der Konzern nun offenbar auch über radikalere Lösungen nach als bisher – zum Beispiel der Einstellung des Glyphosat-Verkaufs in den USA, wie das Handelsblatt am vergangenen Freitag meldete.

Der Kurs der Bayer-Aktie ist in den letzten fünf Jahren um über 60 Prozent gefallen. Und nach der Vorstandspräsentation in der letzten Woche muss man schon ein ziemlicher Optimist sein, um an eine baldige Wende zu glauben. Vor allem, wenn man sich die Agrarsparte anschaut.  

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf X folgen.

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