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Chemiekonzern BASF zieht sich aus Uiguren-Region zurück – und erhöht damit den Druck auf VW

BASF-Flaggen am Stammsitz in Ludwigshafen
BASF-Flaggen am Stammsitz in Ludwigshafen
© Herrmann Agenturfotografie / IMAGO
Bundespolitiker begrüßen den Rückzug von BASF aus Xinjiang. Und doch gibt es Kritik. Um die chinesische Führung offenbar nicht zu verärgern, stellte BASF wohl Umweltgründe in den Vordergrund

Dieser Artikel liegt Capital.de im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn China.Table am 12. Februar 2024.

BASF ist gelungen, woran Volkswagen gescheitert ist. Mit der Ankündigung, sich aus der Autonomen Region Xinjiang im Nordwesten Chinas zurückzuziehen, hat der Chemiekonzern vorerst ein PR-Desaster in der westlichen Welt vermieden. Menschenrechtsorganisationen, Politiker und Investoren in Deutschland sind sich einig: Der am Freitag von BASF bekannt gegebene Verkauf der eigenen Anteile an den beiden Joint-Ventures BASF Markor Chemical Manufacturing (Xinjiang) Co., Ltd. und Markor Meiou Chemical (Xinjiang) Co., Ltd. in Korla sei definitiv richtig. BASF hat den Verkaufsprozess nach eigenen Angaben im vierten Quartal 2023 eingeleitet.

„Die Entscheidung ist ausdrücklich zu begrüßen“, sagte etwa die FDP-Politikerin Renata Alt, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag, zu Table.Media. Der Rückzug von BASF setze ein klares Zeichen; Xinjiang müsse als Standort für wirtschaftliche Aktivitäten westlicher Unternehmen ein Tabu werden. „Viel zu lange hat die Regierung Chinas auf westliche Unternehmen Druck ausgeübt, sich in Xinjiang niederzulassen – und sie als Feigenblatt benutzt, um ihre menschenverachtende Politik der Unterdrückung von Uiguren salonfähig zu machen“, betonte Alt.

Doch das Dilemma, in dem BASF steckt, bleibt bestehen. Um jeden Preis will die Unternehmensspitze vermeiden, den Zorn der chinesischen Regierung auf sich zu ziehen. Das Unternehmen hatte den Ausstieg aus den Gemeinschaftsunternehmen erst mitgeteilt, nachdem nicht mehr von der Hand zu weisen war, dass der eigene Joint-Venture-Partner Teil des Unterdrückungssystems gegen die Uiguren ist. Zwischen den Zeilen wurde aber deutlich, wie schwer sich der Konzern tut, die Menschenrechtsverletzungen in China als hinreichenden Anlass für den Ausstieg anzuführen.

BASF verweist auf den höheren CO2-Fußabdruck

So verwies BASF in der Mitteilung zuerst auf erhöhten Wettbewerbsdruck und den höheren CO₂-Fußabdruck der Standorte in Korla – anstatt unmittelbar auf jüngste Medienberichte einzugehen, wonach Mitarbeiter des Joint-Venture-Partners Markor aktiv dabei mithalfen, staatliche Kontrollmaßnahmen gegen die uigurische Minderheit durchzusetzen.

Erst im zweiten Absatz verwies das Unternehmen auf „kürzlich veröffentlichte Berichte über den Joint-Venture-Partner“. Es gebe schwere Vorwürfe, „die auf Aktivitäten hinweisen, die nicht mit den Werten von BASF vereinbar sind.“ Der Verkauf der Anteile an den Joint Ventures werde deshalb beschleunigt. Ansonsten bleibe die BASF-Präsenz in China unverändert. Das Unternehmen halte an seinen Geschäftsaktivitäten und geplanten Investitionen in vollem Umfang fest. BASF gehört neben den Autobauern VW, BMW und Daimler zu den vier größten deutschen Investoren in der Volksrepublik.

„Der Anteilsverkauf signalisiert weder Einsicht noch Transparenz, er ist rein profitgetrieben“, kommentierte der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Bundestag, Michael Brand, gegenüber Table.Media. Erst als es gar nicht mehr anders ging, habe BASF reagiert, „ohne ein Wort des Bedauerns.“

Kritischer Aktionärsverband mahnt BASF

Auch der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre (DKA) sieht BASF weiter in der Pflicht. „Einmal mehr reagiert BASF nur auf Missstände, die von außen durch unabhängigen Journalismus aufgedeckt werden, statt dass diese durch die eigenen Risikoanalysen und Maßnahmen identifiziert werden“, so Co-Geschäftsführer Tilman Massa. Es sei weiterhin vollkommen unklar, wie die BASF mit dem Risiko uigurischer Zwangsarbeit oder Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten zu den anderen BASF-Standorten in China umgehe.

Der Verband hatte sich zuvor bereits skeptisch gezeigt über die bestandene Sonderprüfung des Volkswagen-Werks in Ürümqi – und stellt den Wert solcher Inspektionen generell infrage. Auch Mitarbeitende der Audit-Firma distanzierten sich von der Prüfung. Die seit 2012 bestehende VW-Fabrik ist umstritten wegen ihrer räumlichen Nähe zu Menschenrechtsverletzungen wie den Internierungslagern für Uiguren in Xinjiang. Offizielle Dokumente und Augenzeugenberichte belegen staatliche Arbeitsprogramme, die uigurische Frauen und Männer in verschiedene Industriezweige lotsen zu Netto-Bezahlungen weit unter den Mindestlöhnen.

BASF und Volkswagen stehen daher auch an den Finanzmärkten seit einer Weile unter Beobachtung. Die Ratingagentur MSCI hatte die rote Flagge für Volkswagen nach dem Ergebnis seines Audits durch eine orange Flagge ersetzt und dem Autobauer damit eine Verschnaufpause gewährt. Auch die Fondsgesellschaft Union Investment stufte die VW-Aktie im Dezember weiterhin als „investierbar“ für nachhaltige Geldanlagen ein. BASF ist bislang ungeschoren davon gekommen.

Zenz: „Für Volkswagen gibt es jetzt keine Ausreden mehr"

Die Recherchen über Markor hatte der China-Forscher Adrian Zenz angestellt, den die Enthüllung des Lagersystems in Xinjiang weltweit bekannt gemacht hatte. Zenz sichtete in akribischer Kleinarbeit die Internetauftritte von Markor aus den Jahren 2017 bis 2019 und setzte sie in Beziehung zu offiziellen Dokumenten zur staatlichen Kontrolle der Uiguren. Mitarbeitende des BASF-Partnerunternehmens waren demnach direkt daran beteiligt, Uiguren unter Druck zu setzen.

„Aufgrund seiner geschichtlichen Verantwortung hätte das Unternehmen früher handeln müssen“, kommentierte Zenz den Rückzug. Er nahm damit Bezug auf die Verstrickung von BASF in die Menschenrechtsverbrechen der Nationalsozialisten. Dennoch sei es „ganz wichtiges Signal“ von BASF, zumal auch Volkswagen jetzt zunehmend unter Druck geraten könnte, so Zenz. „Für Volkswagen gibt es jetzt keine Ausreden mehr: Deutsche Unternehmen müssen sich aus Xinjiang zurückziehen.“

Der Weltkongress der Uiguren (WUC) zeigte sich erleichtert, dass BASF sich für den Rückzug aus Xinjiang entschieden hat. Auch der WUC stellte dabei den Kontrast zu VW heraus. Obwohl VW nach außen hin soziale Verantwortung demonstriere, „zeugen seine Taten von einer bedenklichen Ignoranz gegenüber der uigurischen Zwangsarbeit“, sagte WUC Berlin-Direktor Haiyuer Kuerban.

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Menschenrechtspolitiker Brand erinnerte BASF-Konzernchef Martin Brudermüller daran, dass deutsches Recht bei schweren Menschenrechtsverletzungen kein Vergessen kenne. „Die BASF-Führung muss ihre toxische Ergebenheit gegenüber einem brutalen Regime in Peking aufgeben und internationale Normen und nicht zuletzt deutsches Recht achten“, so Brand. Sollte das EU-Sortfaltspflichtengesetz kommen, wird es Umwelt-, Menschenrechts- und Sozialprobleme bei Zulieferern in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit in ganz Europa rücken.

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