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Interview „An Wasserstoff führt kein Weg vorbei“

Ein Wasserstoffzug von Alstom bei einer Testfahrt
Ein Wasserstoffzug von Alstom bei einer Testfahrt
© Karina Hessland / IMAGO
Anfangs wurde Alstom für seine Wasserstoffzüge belächelt, aber das hat sich gelegt. Deutschland-Chef Jörg Nikutta über Wasserstoffzüge im Nahverkehr und seine Erwartungen für einen Durchbruch der Technologie

Capital: Beim Wasserstoffzug ist Alstom Anfang der 2000er-Jahre vorgeprescht. Was brachte Sie damals auf die Idee?

Jörg Nikutta saß beim Video-Interview im Zug
Jörg Nikutta saß beim Video-Interview im Zug
© Screenshot

JÖRG NIKUTTA: Alstom hatte sich früh Nachhaltigkeitsziele gesetzt, wir wollten unseren CO2-Ausstoß bis 2020 um ein Viertel reduzieren. Gleichzeitig wollten wir aber auch unseren Kunden eine grüne Technologie anbieten. Es gab damals ein kleines Entwicklungsteam in Salzgitter, das am Wasserstoffzug getüftelt hat.

Wie kam der Plan in der Branche an?

Anfangs haben uns viele belächelt. Als wir 2012 unsere Pläne für einen Wasserstoffzug in Fachforen vorstellten, bekamen wir von den Experten zu hören, dass so ein Zug nicht funktionieren könne. Aber als Pionier bei einer solchen Technologie gibt es natürlich immer Herausforderungen. Wir haben einfach weitergearbeitet und wir sind sehr stolz, dass wir das gemacht haben.

Aber auch intern war die Idee eines Wasserstoffzugs umstritten.

Zu Beginn, ja. Warum sollte ein Unternehmen, das erfolgreich Dieselzüge baut und verkauft, diese Technik obsolet machen. In der Diskussion wurde schnell klar, wenn sie Reichweite und Flexibilität auf nicht-elektrifizierten Strecken haben wollen, führt an Wasserstoff kein Weg vorbei.

Auf der Fachmesse Innotrans in Berlin haben sie 2016 einen Prototypen vorgestellt.

Die Skepsis in der deutschen Industrie und im Bahnsektor war auch da noch groß. Das war alles vor dem Dieselgate und der CO2-Debatte. Sehr interessiert aber waren die Japaner. Toyota, die ja bekanntlich ein Wasserstoffauto entwickelt haben, schickte Delegationen nach Salzgitter, um sich den Brennstoffzellenzug anzuschauen.

Das Bild wandelte sich ...

... als wir den ersten Zug im Fahreinsatz hatten. Das war 2018 in Bremervörde. Da haben wir die „Coradia iLint“ anderthalb Jahre im Regionalverkehr von Cuxhaven nach Buxtehude getestet. Das Ergebnis ist, dass die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) dort nun ab 2022 14 Dieseltriebzüge durch Wasserstoffzüge ersetzt. Das Unternehmen Linde wird eine Wasserstofftankstelle in der Nähe des Bahnhofs Bremervörde errichten und betreiben.

Bisher haben Sie in ganz Deutschland erst 41 ihrer Wasserstoffzüge verkauft. Woran liegt´s?

Die neue Capital
© Capital

Die neue Capital

Das Interesse der Besteller von Nahverkehrszügen an der Wasserstofftechnologie wächst. Wir beteiligen uns vermehrt an Ausschreibungen und befinden uns mit mehreren Aufgabenträgern im Gespräch. Ein Problem war bisher die Betankung, die wir über mobile Tankstellen, die mit Lkw transportiert werden, gelöst haben. Ein großes Hindernis ist zudem die EEG-Umlage. Wenn wir zum Beispiel überschüssige Windenergie nutzen wollen, um grünen Strom in grünen Wasserstoff umzuwandeln, wird das als Energieerzeugung gewertet und die EEG-Umlage wird fällig. Das ist paradox und macht Wasserstoff unattraktiv. Das Interesse ist nach wie vor sehr groß. Wir bekommen jetzt aber vermehrt Anfragen aus anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Österreich und Italien, wo wir unsere Vorserienzüge getestet haben beziehungsweise testen werden.

Wo wäre der Einsatz eines Brennstoffzellenzugs denn überhaupt sinnvoll?

Im Regionalverkehr. Dort fahren ja noch zum Großteil Dieselloks auf nicht elektrisierten Strecken. Fast 40 Prozent des deutschen Bahnnetzes sind nicht elektrifiziert. Was die Leistung angeht, kann es der Wasserstoffzug mit einem herkömmlichen Diesel-Antrieb aufnehmen. Die Reichweite ist mit 1000 Kilometern vergleichbar, auch die Geschwindigkeit ähnlich. Dabei ist er deutlich leiser und pustet nur Wasserdampf in die Luft.

Die Bunderegierung wird Wasserstoff nun mit vielen Milliarden fördern – die Technologie ist ein Schwerpunkt des Konjunkturpakets. Hilft Ihnen das?

Es geht in die richtige Richtung. Wichtig ist, dass wir eine einheitliche Strategie haben und dass insbesondere grüner Wasserstoff als ein Schlüsselelement bei der Veränderung des Energiemixes bewertet wird. Wichtig ist auch, dass wir eine einheitliche Wasserstoff-Infrastruktur bei den Tankstellen bekommen, wo dann auch andere, etwa Lastwagen oder Busse Wasserstoff tanken dürfen. Auch bei der EEG-Umlage gibt es Signale, dass die Hürden für die Nutzung von Wasserstoff fallen sollen. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Jahren den Durchbruch der Technologie erleben.

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