Anzeige

Bernd Ziesemer Salzgitter AG – das smarteste Übernahmeangebot des Jahres

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Wer überhaupt an die Zukunft der deutschen Stahlindustrie glaubt, landet zwangsläufig bei der Salzgitter AG. So wie Günter Papenburg

Günter Papenburg gehört zu den vielleicht erfolgreichsten Unternehmerfiguren der letzten Jahrzehnte, obwohl ihn außerhalb seiner niedersächsischen Heimat und seiner Baubranche kaum jemand kennt. Manche nennen den 85-Jährigen Schlitzohr, aber meinen das durchaus positiv. Vor allem weiß der Hannoveraner, wann man ein anderes Unternehmen am besten kauft – und wie man anschließend damit Geld verdient. Diese Fähigkeit hat Papenburg in den 90er-Jahren groß gemacht. Nun zeigt der Unternehmer auch mit seinem Übernahmeangebot bei der Salzgitter AG das richtige Gefühl für Timing.

Papenburg möchte seinen bestehenden Anteil an dem zweitgrößten deutschen Stahlunternehmen auf mindestens 45 Prozent ausbauen. Man könnte es das klügste Übernahmeangebot dieses Jahres nennen. Mindestens fünf Argumente sprechen für seine Offerte:

  • Erstens kauft Papenburg die Aktien der Salzgitter AG aller Wahrscheinlichkeit nach sehr billig ein. Bei der Bekanntgabe seiner Offerte lag der Kurs der Papiere um die Hälfte unter seinem 52-Wochen-Hoch. Danach schossen die Aktien ein Stück in die Höhe, bleiben aber äußerst günstig. So eine Gelegenheit kommt wahrscheinlich so schnell nicht wieder.
  • Zweitens profitiert der Unternehmer von der anhaltenden Schwäche der Essener Konkurrenz, die ums Überleben kämpft. Die Stahlsparte von Thyssenkrupp kann der Salzgitter AG kaum noch Paroli bieten. Vielleicht kippt der Marktführer sogar ganz. Auf jeden Fall steht er vor äußerst tiefen Einschnitten. Wer also überhaupt an die Zukunft der deutschen Stahlindustrie glaubt, landet zwangsläufig bei Salzgitter.
  • Drittens hat Salzgitter die Nase vorn bei der Umstellung auf „grünen Stahl“. Mitten auf dem Werksgelände laufen die Arbeiten planmäßig weiter, so dass der erste CO2-arme deutsche Stahl wahrscheinlich aus Niedersachsen kommt. Damit verschafft sich der Konzern auch eine gute Position in Europa, die sich langfristig auszahlen dürfte.
  • Viertens hält die Salzgitter AG auch noch eine Beteiligung von knapp einem Drittel an dem Kupferkonzern Aurubis, die mit einem Gegenwert über 1 Mrd. Euro etwas mehr auf die Waage bringt als die Salzgitter AG selbst. Investmentbanker lieben eine solche Gemengelage! Und das zu Recht.
  • Fünftens lassen sich bei der Salzgitter AG auch leicht innere Reserven heben. Der profitable Geschäftsbereich Technologie, ein Sammelsurium von Spezialmaschinen-Firmen, verfügt über so gut wie keine innere Verbindung zum Stahlbereich. Sein Verkauf wäre eine Option.

Spielt das Land Niedersachsen mit?

Ob es am Ende wirklich zu einem Deal kommt, ist trotzdem noch keineswegs ausgemacht. Papenburg verlangt zu Recht, dass ihm genügend Aktien angedient werden, um die Schwelle von 45 Prozent zu nehmen. Der bisher größte Aktionär spricht dabei ein gehöriges Wort mit: sein Heimatland Niedersachsen. 

SPD-Ministerpräsident Stephan Weil gebietet über 26,5 Prozent der Anteile und zeigt auf den ersten Blick wenig Bereitschaft, sich von einem Teil seiner Aktien oder gar allen zu trennen. Da fügt es sich gut, dass sich Papenburg seit langem um das bemüht, was man so schön politische Landschaftspflege nennt. Der Unternehmer weiß: Gegen Weil geht gar nichts.

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf X folgen.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel