Tim Harford ist Autor des Buches „The Undercover Economist Strikes Back“. Sein Text entstand kurz vor den Anschlägen von Paris.
Auf einem Langstreckenflug schreckte mich kürzlich eine Erinnerung aus den üblichen Sorgen um Beinfreiheit und Ladestecker. Ich dachte an eine frühere Reise, die ich unternommen hatte, ein paar Wochen nachdem ich im Fernsehen gesehen hatte wie die New Yorker Twin Towers einstürzten. Es war ein bedrückend stiller Flug gewesen, von London nach Kapstadt. Ich war damals in Todesangst.
Trotz der gelegentlichen schlimmen Erinnerungen daran, dass Terroristen töten können, scheint mir diese Angst heute nur noch dumm.
Jeder gewaltsame Tod ist schrecklich. Aber es gibt viele andere Möglichkeiten, gewaltsam zu sterben, sogar in einem reichen Land. Jahr für Jahr tötet sich jeder 8000. US-Amerikaner selbst, die Wahrscheinlichkeit, in den USA bei einem Autounfall getötet zu werden, beträgt 1:9000, die Wahrscheinlichkeit, einem Mord zum Opfer zu fallen, 1:20.000. Selbst im Jahr 2001 war die Wahrscheinlichkeit, von einem Terroristen getötet zu werden, in den USA nur 1:100.000. In normaleren Jahren beträgt sie 1: 10 Millionen. Der Terrorismus ist damit so lebensgefährlich wie Blitzschläge.
Diese trockenen Statistiken mildern selbstverständlich nicht das Leid der Angehörigen. Terrorismus ist keine Trivialität. Aber es ist auch nicht trivial, eine Tochter durch Selbsttötung oder einen Sohn durch einen Autounfall zu verlieren. Und das müssen mehr Menschen erleiden.
Kosten des Terrorismus
Es gibt andere Kosten des Terrorismus, die Alan Krueger 2007 in seinem Buch "What Makes a Terrorist" klug zusammengestellt hat. 2003 haben die Ökonomen Alberto Abadie und Javier Gardeabazal eine Schätzung der Kosten des Eta-Terrorismus für das Baskenland veröffentlicht. Er hatte bis dahin 800 Todesopfer gefordert. Die Ökonomen schätzten, dass die Anschläge im Laufe der Zeit das BIP der Region um zehn Prozent reduziert hatten. Ein Jahr später wendeten die Ökonomen Zvi Eckstein und Daniel Tsiddon eine andere Methode auf ein anderes Land an - Israel -, kamen aber zu demselben Ergebnis: Das BIP sinkt um zehn Prozent durch den Terror. Wenn das stimmt, sind das sehr hohe Kosten.
Dass die USA durch den Terror und durch 9/11 wirtschaftlich sehr gelitten haben, ist allerdings weniger klar. Nach offiziellen Schätzungen wurde durch 9/11 in Manhattan Büroraum im Wert von 13 Mrd. Dollar zerstört und im Wert von 17 Mrd. Dollar beschädigt. Etwa 75.000 bis 100.000 Jobs gingen danach verloren, vor allem in der Reise- und Touristikbranche. Dennoch geht man allgemein davon aus - das Buch „Resilient City“ von 2005 fasst die Ergebnisse zusammen -, dass New York sich schnell erholte und die offenkundigen wirtschaftlichen Verluste innerhalb eines Jahres wieder aufholte. Der Wiederaufbau der Infrastruktur dauerte länger, aber in einer Stadt wie New York werden ständig Gebäude zerstört und ersetzt. In der Zwischenzeit quetschten sich die Leute auf engerem Raum, Firmen mieteten Flächen in leeren Hotels. New York passte sich an.
Das ist ermutigend und sollte auch nicht überraschen. Naturkatastrophen richten sehr viel größere Schäden an und Volkswirtschaften erholen sich auch davon. Die klassische Studie dazu ist von George Horwich, der die Folgen des Erdbebens von Kobe 1995 analysiert hat. Das Beben zerstörte 100.000 Wohnungen und machte 300.000 Menschen obdachlos. Dennoch war die Industrieproduktion in Kobe nach 15 Monaten schon wieder bei 98 Prozent des vorherigen Niveaus.
Die Erholung war nicht vollständig: Es gab keinen ernsthaften Versuch, Firmen wieder aufzubauen, die schon vorher unter hohem Druck ausländischer Konkurrenz standen. Aber viele Branchen, die vorher blühten, blühten auch nach dem Beben weiter.
psychologischer Effekt des Terrorismus
Der wahre Effekt des Terrorismus ist denn auch wohl psychologischer Natur – der Begriff Terror sagt es ja bereits. Einige Monate nach 9/11 flog zum Beispiel ein Kleinflugzeug in den Pirelli-Tower in Mailand. Die Nachricht, dass es sich nicht um Terrorismus handelte, führte zu allgemeiner Erleichterung. Diese Erleichterung ist seltsam: Der Crash tötete drei Menschen, das Wissen, dass es ein Unfall war, ändert daran überhaupt nichts. Aber ihr Tod ist weniger beunruhigend.
Man hat versucht, auch den psychologischen Effekt des Terrorismus zu messen. Ein plausibles Ergebnis, zu dem ein Team um die Psychologin Roxane Cohen Silver kam, besagt, dass 60 Prozent der Amerikaner in den Wochen nach 9/11 unter Angstsymptomen litten. Aber innerhalb von zwei Monaten sank dieser Anteil auf 30 Prozent, nach einem halben Jahr auf zehn Prozent. Der Angriff scheint auf die Psyche der Amerikaner dieselbe Wirkung gehabt zu haben wie auf die Wirtschaft New Yorks: Ein schwerer, aber vorübergehender Effekt.
Obwohl alle Evidenz dafür spricht, dass selbst die groteskesten Terrorakte nur einen vorübergehenden Effekt erzielen, bleibt der Terror eine beliebte Taktik. Der Grund dafür ist vielleicht am besten in dem Roman „Wasp“ von Eric Frank Russell aus dem Jahr 1957 beschrieben, in dem es um einen Terroristen geht. Der Titel bezieht sich auf die Geschichte einer winzigen Wespe, die mit einem Stachel, den sie nicht einmal einsetzt, vier Menschen tötet: Sie sitzen in einem Auto, und der Fahrer, der durch die Wespe irritiert ist, verursacht einen tödlichen Unfall.
Die größte Hoffnung für Terroristen besteht darin, dass sie eine Überreaktion provozieren können. Leider sind sie damit zu oft erfolgreich.
Copyright The Financial Times Limited 2015