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Olaf Scholz „Deutschland-Pakt“ – oder: der nächste rhetorische Kniff von Kanzler Scholz

Olaf Scholz hat die Bundesregierung und die Opposition zur Zusammenarbeit aufgerufen 
Olaf Scholz hat die Bundesregierung und die Opposition zur Zusammenarbeit aufgerufen 
© IMAGO/Metodi Popow
Das Angebot des Kanzlers an die Opposition mag charmant klingen. Aber: es fehlt die Aussicht, dass so ein Deutschland-Pakt gelingt. Und das hat viel mit jener Olaf Scholz-Meisterschaft zu tun, mangelnden Fortschritt durch immer neue Verpackungen zu kaschieren 

Es ist ja nicht so, dass Regierungen – frühere und die aktuelle – nicht bereits viel Mühe und Liebe darauf verwendet hätten, für ihre Ideen und Gesetze klangvolle Namen zu ersinnen. Das „Gute-Kita-Gesetz“ der früheren Familienministerin Franziska Giffey (SPD) setzte in dieser Disziplin Maßstäbe, auch das „Starke-Familien-Gesetz“ aus ihrem Haus hörte sich vor allem sehr schön an. Leider kann man nicht sagen, dass die Gesetze im realen Leben gehalten hätten, was ihre Namen versprachen – sonst wären in den letzten 18 Monaten ja nicht das „Bürgergeld“ und die „Kindergrundsicherung“ nötig gewesen.   

Es gibt, seit vielen Jahren schon und bei allen Parteien, eine Kluft zwischen der großen Geste der Verkündung und der Substanz in der Umsetzung. Geradezu wohltuend bescheiden setzte sich davon das jüngste „Wachstumschancengesetz“ ab, denn es betont mehr die Chance als das Wachstum – und bekanntlich bewährt sich das größte Talent ja, wenn es selbst aus Stroh noch Gold spinnt: Das Gesetz ist eben eher ein Angebot, das man nutzen kann – wenn daraus aber wenig folgt, liegt das vielleicht, ganz liberal, auch ein bisschen an jeder und jedem einzelnen. 

Noch bevor es alle parlamentarischen Hürden genommen hat, beförderte Kanzler Olaf Scholz in dieser Woche aber eben dieses „Wachstumschancengesetz“ noch etwas weiter, nämlich zu einem zentralen Bestandteil eines neuen „Deutschland-Paktes“, den zu schmieden er allen anbot, die in diesem Land etwas zu sagen haben: Landesregierungen, Bürgermeistern und Stadträten, und der jeweiligen Opposition – aber nur jener, die sich auch zu den Grundwerten der Demokratie bekennt. Weil er weiß, dass er für viele Dinge – auch eben jenes Wachstumschancengesetz – die Zustimmung der Länder im Bundesrat braucht, will Scholz nun eine All-Parteien-Koalition schmieden. 

Ungewohnt leidenschaftlich beklagte Scholz, es habe sich „ein Mehltau“ über das gesamte Land gelegt, der die Wirtschaft und das Wachstum lähme. Und er sagte einen kühnen Satz: „Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid. Und ich bin es auch.“ Kühn deshalb, weil Scholz und seine SPD ja nicht behaupten können, an diesem Mehltau gänzlich unbeteiligt gewesen zu sein – man ihn also umgehend fragen möchte: „Ja, warum habt Ihr es denn so weit kommen lassen?“

Insgesamt soll dieser Deutschland-Pakt aus vier Komplexen bestehen: Einem weiteren Anlauf zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für große Investitionsvorhaben, für neue Wohnungsbauten und den Ausbau der Infrastruktur; aus diversen Programmen zur Stärkung von Wirtschaftswachstum und speziell der Gründerszene; einer schnelleren Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und weiteren Erleichterungen für die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte bei gleichzeitig stärkerer Kontrolle der Flüchtlingsströme. 

Fehlende Erfolgsaussicht

Das alles ist richtig, es ist oft ver- und besprochen worden, teils wurde es auch schon beschlossen – vor allem aber: Es ist zunächst einmal nur ein weiteres Etikett, ein wohlklingendes Versprechen, dass endlich etwas besser wird. Allein, es fehlt die Aussicht, dass so ein Deutschland-Pakt gelingt. Und das hat viel mit jener Meisterschaft zu tun, mangelnden Fortschritt in der Sache durch immer neue Verpackungen zu kaschieren.  

Die notorische Kluft zwischen den überbordenden Versprechen, der großen Geste des Auftritts einerseits und dem, was dann anschließend tatsächlich passiert und herauskommt, haben viele Menschen im Land inzwischen genau registriert. Sicher gibt es noch weitere Gründe, aber im Grunde lassen sich drei Reaktionsmuster beobachten: Viele Wähler haben sich von den großen, etablierten Parteien abgewandt und liebäugeln inzwischen mehr oder weniger offen mit radikalen Protestalternativen wie der AfD. Eine zweite Gruppe zieht sich verunsichert zurück und weiß im Grunde genommen gar nicht mehr, wen oder was sie wählen soll. Und eine dritte Gruppe – immer noch die Mehrheit, die im Moment jedoch von Wahl zu Wahl kleiner wird – bleibt, oftmals murrend-unzufrieden, dem demokratischen Parteienspektrum treu. 

Bei den anstehenden Landtagswahlen Anfang Oktober in Hessen und Bayern wird dies noch mal gut gehen (doch auch in Bayern kommen inzwischen mit den Freien Wählern und der AfD zwei Protestparteien rechts der CSU auf 25 bis 30 Prozent), aber 2024 stehen in Sachsen und Thüringen zwei Wahlen an, bei denen das Verhältnis erstmals kippen könnte: Gegen AfD und Linke könnten CDU, SPD, Grüne und FDP dort bald keine Mehrheit mehr haben.

Es ist auch diese Aussicht, angesichts derer Scholz seinen Deutschland-Pakt unterbreitet: Demokratische Parteien müssen und sollen zur Zusammenarbeit bereit sein. Allein es fehlt auch beim Kanzler selbst der Beweis, dass seine Initiative mehr sein soll als ein weiterer kleiner rhetorischer Kniff in einer für ihn selbst brenzligen Lage. Denn momentan ist ja schon in seiner eigenen Ampelkoalition kaum ein Wille zur politischen Einigung erkennbar. 

Den Verdacht der fehlenden Ernsthaftigkeit in Scholz’ Angebot lieferte die Koalition gleich heute Nachmittag: Das hochumstrittene Gebäudeenergiegesetz (GEG), das für so viel Verunsicherung und Frust in Millionen Haushalten gesorgt hat, drückten SPD, FDP und Grüne mit ihrer Mehrheit durch das Parlament. Ohne jedes weitere Bemühen, die Opposition aus CDU und CSU einzubinden. Und das, obwohl sie damit CDU-Chef Friedrich Merz die beste Vorlage liefern, die er sich im Moment nur wünschen kann: Wenn die Union 2025 wieder an die Regierung kommen sollte, so verspricht es Merz nun immer wieder, werde sie das GEG umgehend wieder abschaffen. 

Ob es wirklich so kommt, ist im Prinzip egal. Entscheidend ist, dass mit dieser Perspektive viele Hausbesitzer und Bürgermeister erst recht abwarten werden, was in zwei oder drei Jahren dann gilt. Zwei oder drei Jahre weiterer Stillstand, die Scholz doch angeblich endlich überwinden will. 

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