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Presseschau zur Generaldebatte „Eigentlich bräuchte Scholz einen Pakt mit seiner eigenen Koalition“

Bundeskanzler Olaf Scholz schlug der Opposition in der Generaldebatte einen „Deutschland-Pakt“ vor, um das Land schneller nach vorne zu bringen
Bundeskanzler Olaf Scholz schlug der Opposition in der Generaldebatte einen „Deutschland-Pakt“ vor, um das Land schneller nach vorne zu bringen
© IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Nach zwei Jahren im Amt will Kanzler Olaf Scholz die Bundesrepublik mit einem Deutschland-Pakt vorwärts bringen. Höchste Zeit, heißt es in der Presse. Nur: Kann die Koalition das schaffen?

Mit einem „Deutschland-Pakt“ will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Wirtschaft wieder in Fahrt bringen und das Land schneller, moderner und sicherer machen. Der SPD-Politiker lud am Mittwoch Länder, Kommunen und die Opposition mit Ausnahme der AfD dazu ein, an einem Maßnahmenpaket zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, Digitalisierung der Verwaltung und Unterstützung für Unternehmen mitzuwirken. „Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung. Also lassen Sie uns unsere Kräfte bündeln“, sagte Scholz in der Generaldebatte des Bundestags. „Tempo statt Stillstand, Handeln statt Aussitzen, Kooperation statt Streiterei. Das ist das Gebot der Stunde.“

Ähnlich sieht das die deutsche Presse. Nur sind viele Journalistinnen und Journalisten kritisch, ob Deutschland sein Vorhaben umsetzen kann. Die Regierung inszeniere sich zwar als „gestaltende Kraft“, liefere aber zu wenig.

Deutschland-Pakt mit oder ohne Union?

„Leipziger Volkszeitung“: „Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz den Deutschland-Pakt wirklich will, der für den Zusammenhalt der Gesellschaft von elementarer Bedeutung und auch ein klares Signal an AfD-Anhänger und -Anhängerinnen wäre, muss er die Union einbinden. Wenn das Umfragehoch der AfD nicht vorübergehend ist, wird sich Deutschland an Koalitionen mit vielen Partnern gewöhnen müssen. Der Deutschland-Pakt wäre dann auch noch eine gute Übung vor den nächsten Wahlen in den Ländern und 2025 im Bund.“

„Nürnberger Zeitung“: „Für die Union ist das Angebot des Kanzlers zur Zusammenarbeit Chance und Problem zugleich. Einfluss auf die Regierungspolitik zu haben, wirkt erstrebenswert. Würde die Union das Angebot des Kanzlers ablehnen, stünde sie als notorische Verweigererfraktion da. Was das Angebot des Kanzlers wert ist, wird aber an Ergebnissen zu messen sein. Die Union stellt schon mal erste Bedingungen in der Migrationspolitik. Das werden die Grünen kaum mitmachen. Was dann?“

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Das Angebot von Scholz wirkt wie das Eingeständnis, dass seine Regierung vom eigenen Koalitionsvertrag überfordert ist. Die Koalition selbst müsste erst einmal einen Pakt schließen, um energisch in Angriff nehmen zu können, was sie sich vorgenommen hat. Dass es damit gar nicht oder nur punktuell vorangeht, liegt daran, dass die Ampel zerstritten ist (...) Die Liste der Vorhaben, die nach Fortschritt und Tempo schreien, wird deshalb lang und länger (...) Die Koalition redet sich heraus, wenn sie den 'Stillstand', den Scholz nun offen zugab, auf die Jahre der großen Koalition schiebt. (...) Wenn Scholz mit seinem Hilferuf sagen wollte, dass diese Koalition nicht imstande ist zu tun, was getan werden muss, ist kein Pakt nötig. Für solche Fälle sieht das Drehbuch der Demokratie einen Regierungswechsel vor.“

Tagesschau: „Die Bundesregierung als gestaltende Kraft in Krisenzeiten – dieses Bild hat der Kanzler in seiner Rede selbstbewusst gezeichnet. (...) Das aber passt nicht zu der andauernd mit sich selbst beschäftigten Ampelkoalition. (...) Und zum anderen hat der „Deutschland-Pakt“ wenig Aussicht, diesen Tag zu überdauern. Denn CDU-Chef Merz möchte am liebsten mit den Liberalen paktieren – und nur mit den Liberalen, und setzt ansonsten auf Konfrontation. Auch die umworbenen Länderchefs sind weit weg. Sie setzen sich bei der EU in Brüssel für einen Brücken-Industriestrompreis ein, von dem der Kanzler bekanntlich wenig hält. Die gestaltende Kraft wird die Ampelkoalition schon selbst sein müssen.“

„Da muss endlich geliefert werden“

„Frankfurter Rundschau“: „Historische Stunde im deutschen Parlament: Erstmals hält ein Bundeskanzler eine zweite Antrittsrede – und das knapp zwei Jahre nach Beginn seiner Regierungszeit. Dabei wirbt er zugleich um eine ganz große Koalition: In einem Deutschland-Pakt sollen Bund, Länder, Kommunen und gerne auch die Opposition im Bundestag daran arbeiten, dieses Land voranzubringen. Eine wunderbare Idee, käme sie nicht von jemandem, der schon seit fast zwei Jahren als Chef im Bundeskanzleramt sitzt. Er muss die Reformen, die dieses Land nötig hat, nicht alleine durchführen. Doch es ist seine Aufgabe, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Den Satz, dass er (und wir Bürger:innen!) den Stillstand leid sind, hätte er längst schon mal zum Beispiel seinem Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagen können. Der ist für die Bahn zuständig und fürs Digitale. Beides sehr traurige Kapitel in der Mehltau-Republik. Klar ist: Weniger Streit und bessere Stimmung im Land wird es erst nach spürbaren Reformen geben. Wir warten noch darauf.“

„Lausitzer Rundschau“: „Während Scholz im Frühjahr noch ein Wirtschaftswunder versprach, muss er zur Halbzeit seiner Amtszeit nun einsehen, dass das Projekt Aufschwung trotz Ukraine-Kriegs und Klima-Umbaus die Kräfte seiner Ampelregierung übersteigt. Fraglich ist zudem, ob die zusammen mit Ländern und Kommunen angesprochene 'demokratische Opposition' den Pakt eingeht. Grund zum Misstrauen hätte sie, wie CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag ausführte. Die Hand zum Sondervermögen Bundeswehr hatte die Union nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gereicht, nur um jetzt festzustellen, wie in Sachen Verteidigungshaushalt inzwischen getrickst wird. Vertrauen ist so jedenfalls nicht entstanden.“

„Westfälische Nachrichten“: „Der Kanzler steht angesichts miserabler Umfragewerte mit dem Rücken zur Wand, deshalb der Versuch eines Befreiungsschlages. Der Opposition geht es freilich nicht viel besser – auch Fraktionschef Friedrich Merz müsste jetzt eigentlich liefern angesichts vieler innerparteilicher Zweifel an seiner Führungsstärke. Und Merz wollte auf Attacke setzen. Doch das ist dem Unionsmann wenig gelungen. So bleibt der Eindruck, dass die Union weiter nach der eigenen Regierungsfähigkeit sucht. Wie Scholz irgendwie auch.“

„Handelsblatt“: „Deutschland muss schneller, moderner, unbürokratischer werden. Doch Bund und Länder streiten seit Langem über einen 'Pakt zur Planungsbeschleunigung'. Da muss endlich geliefert werden – gleich, welchen Titel das Gesetz am Ende bekommt. Am liebsten möchte man allen Beteiligten einschließlich CDU-Chef Friedrich Merz zurufen: Setzt euch an einen Tisch und legt los!“

Dieser Artikel ist eine Übernahme von stern.de

dpa/cl/jti

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