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Rath checkt ein „Hôtel Métropole Genève“: Das Drama beginnt schon bei der Anreise

Die durchaus imposante Fassade des Hotels, wenn sie nicht von Baugerüsten verdeckt wird
Die durchaus imposante Fassade des Hotels, wenn sie nicht von Baugerüsten verdeckt wird
© metropole.ch
Genf ist die zweitgrößte Stadt der Schweiz, zudem Finanzplatz und Heimat vieler wichtiger Organisationen. Das Hotel hat unseren Kolumnisten allerdings enttäuscht
Carsten K. Rath hat zahlreiche Grandhotels geführt. Er ist Gründer des Hotel-Rankings „Die 101 besten Hotels“, das auch als Buch in Kooperation mit Capital erscheint. Hotels, über die er für Capital schreibt, bereist Rath auf eigene Rechnung.
Carsten K. Rath hat zahlreiche Grandhotels geführt. Er ist Gründer des Hotel-Rankings „Die 101 besten Hotels“, das auch als Buch in Kooperation mit Capital erscheint. Hotels, über die er für Capital schreibt, bereist Rath auf eigene Rechnung.

Auf eine mythenhafte Geschichte blicke das „Hôtel Métropole Genève“ zurück, verkündet die Website des 1854 eröffneten Hauses in direkter Seelage. Und immerhin die Fassade erinnert auf Fotos an Zeiten, die einst den Begriff glanzvoll verdient haben. Im Inneren allerdings passt nur eine Formulierung: Der Lack ist längst ab. Leider. 

Das Drama beginnt schon bei meiner Anfahrt. Als das Navi „Sie haben Ihr Ziel erreicht“ verkündet, glaube ich an ein Versehen. Von der Bilderbuch-Fassade ist kein Mauervorsprung und Pariser Balkon zu sehen, stattdessen ein von Planen bedecktes Gerüst, das die legendären Künstler Christo und Jeanne-Claude sicher in Verzücken versetzt hätte. Vor dem vermuteten Haupteingang nirgends eine Menschenseele. Es braucht drei Anrufe, ehe ein Mitarbeiter auftaucht, der mir beim Parken hilft und das Gepäck abnimmt. 

Als ich die Lobby betrete, kommt der Concierge hinter seinem Tresen hervor und entschuldigt sich für die Baustelle. Mein Blick fällt auf die Tee- und Kaffeetassen hinter seinem Stehpult und denen der Kollegen sowie Dutzende von Notizzetteln, die darauf herumfliegen. In einem wirklich guten Hotel wäre das undenkbar.

Der Check-in wird ähnlich holprig wie die Ankunft. Mir wird pausenlos etwas erklärt: Wann das Frühstück beginnt und aufhört, ebenso die Öffnungszeiten der weiteren Restaurants. Das Passwort fürs WLAN buchstabiert man mir auch. Ich meine mehrfach. Sicher alles gut gemeint, doch ich bin ein Freund von Effizienz und der Beschränkung aufs akut Nötigste. Zudem lässt sich der Redeschwall des „Métropole“-Personals kaum stoppen und statt eines herzlichen Willkommens erlebe ich Frontalunterricht wie zu Schulzeiten. Das kann ja heiter werden, denke ich, und werde Recht behalten. 

Das „Superior“-Zimmer bietet ausreichend Platz für ein Bett – für viel mehr nicht
Das „Superior“-Zimmer bietet ausreichend Platz für ein Bett – für viel mehr nicht
© metropole.ch

Wenn die Ankunft zu Odyssee wird

Als ich endlich auf mein Zimmer eskortiert werden soll, führt mich der sichtlich bemühte Mitarbeiter auf die falsche Etage. Im Aufzug hatte ich mich laut gewundert, weshalb wir für Zimmer 433 den dritten Stock ansteuerten. „Das stimmt so“, wurde mir versichert. Zum Smalltalk frage ich, wem das Hotel gehöre. Den Namen, den mein Begleiter nennt, verstehe ich leider nicht. 

Ob der Besitzer weitere Häuser im Portfolio habe, frage ich weiter. „Das sind alles komische Hotels, die werden Ihnen nichts sagen.“ Hm. Immerhin das „L’Hôtel-Restaurant du Parc des Eaux-Vives“ mit vier Sternen, fünf Autominuten vom Genfer Stadtzentrum entfernt, ist nach Angaben auf der Homepage eine Schwester des Métropole. Nun denn.

Im richtigen Stockwerk angelangt, muss ich, der noch nie hier war und nicht zurückkehren wird, den Mitarbeiter zu meinem Zimmer führen und ihm dabei kurz die Logik der Nummern verdeutlichen. Gern geschehen.

„Superior“ sind hier nur die Preise

Mein Zimmer ist ungewöhnlich klein. Eigentlich besteht es lediglich aus einem Bett. Durch das kleine Fenster fällt kaum Licht und die Aussicht besteht aus der Rückseite einer weiteren Baustelle. Nein, so schmeichelhaft die Kategorie „Superior“ auch klingen mag, hier ist sie unangebracht und irreführend. Das Badezimmer könnte ich durchgehen lassen, müsste ich mich beim Duschen nicht bücken, weil eine Ablage für Seife und Shampoo fehlt. Folglich steht alles zu meinen Füßen. Auf den Fliesen.

Immerhin gibt es eine Kaffeemaschine und eine Minibar, die „großzügig“ mit zwei Flaschen Wasser und einer Flasche Cola bestückt ist. Ach ja: Mein Bett steht übrigens auf Rädern, was mich etwas irritiert. Selbst nach vielen Hundert Nächten in Hotels auf der ganzen Welt gibt es also noch Premieren.

Die übrigen Zimmer, die ich hier und da durch eine offene Tür erspähen kann, überzeugen mich ebenso wenig. Sie mögen etwas größer sein, sind dafür aber in einem furchtbaren Grau gehalten. Einziger Akzent ist das schrille Rot der Sofakissen.

Chaotischer Start in den Tag

Um es ganz ungeschminkt zu sagen: Das Frühstücksbuffet im Métropole ist eines der schlechtesten, die ich je gesehen habe. Um überhaupt zu den Speisen zu gelangen, muss ich in dem engen Tisch-Layout ständig Gäste darum bitten, mit ihrem Stuhl nach vorn oder nach hinten zu rücken. Die Kaffeemaschine ist so klein und unpraktisch, dass sich davor eine lange Schlange bildet. Als ich die Kellnerin frage, ob sie mir einen Cappuccino bringen kann, antwortet sie mit einem entschuldigenden Schulterzucken. 

Von der wichtigsten Mahlzeit des Tages scheint man hier noch nicht gehört zu haben, dabei ist das Haus offizielles Spielerhotel der Geneva Open, dem wichtigsten Tennisturnier der Schweiz. Hoffentlich dürfen sich die Sportprofis an einem besseren Angebot für ihre Matches stärken. Vielleicht gar ohne Kaffee-Warterei.

Der Fairness halber möchte ich einen der wenigen Lichtblicke in diesem Hotel erwähnen, seine Dachterrasse. Sie bietet einen wunderschönen Blick auf den Genfer See und die übrige Stadt. Auch das Essen – vor allem der „Mini-Burger“ – ist lecker und die Kellner sind allesamt aufmerksam und freundlich.

Die Dachterrasse ist ein seltener Lichtblick in diesem Haus voller deutlicher Schwächen
Die Dachterrasse ist ein seltener Lichtblick in diesem Haus voller deutlicher Schwächen
© metropole.ch

Oben hui, innen pfui

Bloß reicht eine Terrasse auf dem Dach einfach nicht aus, um die vielen Mankos und Schwächen des Hotels zu kompensieren. Vor allem nicht, wenn man den Preis für ein „Superior“-Zimmer bedenkt: stolze 612 Euro pro Nacht. Dafür gibt es vor Ort glücklicherweise zahlreiche erstklassige Alternativen. 

Das elegante „Beau-Rivage“ etwa, dessen neoklassischer Stil schon von außen beeindruckt. Seit 1865 beherbergt das Hotel illustre Gäste aus aller Welt und statt Betten auf Rädern warten in den Zimmern vergoldete Wasserhähne und funkelnde Kronleuchter.

Auch das „Les Armures“ kann ich Ihnen ans Herz legen. Es befindet sich im Herzen der Altstadt, in einem Gebäude aus dem 17. Jahrhundert. Die Zimmer verbinden moderne Elemente mit historischer Tradition. Weitere Alternativen sind meine beiden Lieblingshotels – das „Mandarin Oriental“ und das „La Réserve Genève“. Alles zigmal besser als das „Hôtel Métropole“.

Tipps für Ihren Aufenthalt

„Dance First Think Later“: Das renommierte Festival findet vom 10. Oktober bis zum 10. November im Kulturzentrum Commun und anderen Standorten statt und verbindet Tanz, Performance und visuelle Kunst.  

„Grand Tour“: Unter diesem Titel hat die Genfer Bibliothek eine große Fotoausstellung kuratiert (30.9.24 bis 25.1.25), die sich den Anfängen des Schweizer Massentourismus im 19. Jahrhundert widmet, und zwar mit spannenden Aufnahmen aus beliebten Reisezielen wie Genf, der Zentralschweiz oder Chamonix – voller Berge und Begegnungen.

Uhrmacherkurs: In der Werkstatt Initium können Fans der gepflegten Zeitmessung in einem Einführungsworkshop lernen, wie man eine Uhr zerlegt und wieder zusammensetzt. Außerdem stehen Arbeiten wie das Gravieren und Anglieren auf dem Programm.

Raths Reise-Rating

1 Ganz großes Kino

2 Wenn’s nur immer so wäre

3 Meckern auf hohem Niveau

4 So lala, nicht oh, là, là

5 Besser als im Hostel

6 Ausdrückliche Reisewarnung
 

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