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Teure Reservierungen Mit Interrail günstig durch Europa: Diese Falle lauert bei der Planung

Das Bahnunternehmen Eurostar ist vor allem für seine Schnellzüge nach London bekannt und jetzt mit Thalys fusioniert
Das Bahnunternehmen Eurostar ist vor allem für seine Schnellzüge nach London bekannt und jetzt mit Thalys fusioniert
© picture alliance / ANP | Bas Czerwinski
Eine Zugreise mit Interrail verspricht Flexibilität und Erlebnisse zu günstigen Ticketpreisen. Aber viele werden von den hohen Reservierungskosten überrascht. Die fallen vor allem bei der Überquerung einer Grenze an

An einem Tag versinkt man noch in den roten Stoffsesseln des Thalys, während am Fenster französische Dörfer vorbeiziehen. Am nächsten kleben die Beine am grauen Kunstleder der spanischen Renfe-Sitze fest, dafür ist Barcelona schon fast in Sichtweite. Einige nennen diese Art zu reisen einen „europäischen Mythos“. Mit einem Interrail-Pass geht es quer durch Europa, innerhalb kurzer Zeit kann man zahlreiche Städte und Länder erleben mit nur einem Ticket.

Das Ticket selbst ist verhältnismäßig günstig. Gerade jetzt, wo die Flugpreise wieder hoch sind, ist die Wechselbereitschaft bei vielen Reisenden groß. Schließlich ist Zugfahren auch klimafreundlicher. Doch wer auf seinem Interrail-Trip schnell vorankommen und Hochgeschwindigkeitszüge wie den Eurostar nutzen will, der muss in vielen Ländern zwingend Reservierungen machen – und die Kosten dafür summieren sich schnell zum Ticketpreis auf. Fliegen wird dann doch wieder attraktiver und der Klimaschutz zweitrangig. Kunden und Fahrgastvertreter finden das unangemessen.

Interrail ist als günstige Reiseform beliebt, Reservierungen kosten extra

Ein Fallbeispiel: Eine fünfköpfige Familie will in den Herbstferien von Berlin über Paris nach Barcelona fahren, die Tickets kosten 1300 Euro. Allein für die Reservierungen im TGV von Paris nach Barcelona sollen aber nochmal 885 Euro fällig werden, 177 Euro pro Platz und pro Person. Zum Vergleich, das reine TGV-Ticket bei der französischen Staatsbahn SCNF würde 199 Euro kosten. Zu Tickets und Reservierungen kommen Kosten für eine Hotel-Übernachtung, weil die Strecke an einem Tag nicht zu schaffen ist. In Summe würde allein die Anreise fast doppelt so viel kosten wie Flugtickets. 

Interrail verkauft seit über 50 Jahren Bahntickets an Europa-Reisende. Sie können einen sogenannten „Pass“ für eine bestimmte Anzahl an Reisetagen innerhalb eines Monats oder mehrerer Monate erwerben und an diesen alle Regional- und Fernzüge teilnehmender Verkehrsunternehmen nutzen. Mittlerweile sind mehr als 35 Unternehmen in 33 europäischen Länder beteiligt: in Frankreich zum Beispiel Thalys und der TGV-Betreiber SCNF, in der Schweiz SBB und in Italien Trenitalia. Der Ticket-Preis hängt von der Länge des Reisezeitraums ab und von erster oder zweiter Klasse. Für Jugendliche und junge Erwachsene kostet der „Global Pass“ für ganz Europa mindestens 206 Euro, für Erwachsene mindestens 267 Euro.

Sitzplatzreservierungen sind im Ticketpreis grundsätzlich nicht inbegriffen. Es lässt sich zwar die Platzkategorie, erste oder zweite Klasse wählen, aber bei der Ticketbuchung ist bei Sitzplatzreservierung kein Häkchen gesetzt. In den meisten Hochgeschwindigkeits- und Nachtzügen sind Reservierungen aber verpflichtend. Interrail weist auf seiner Internetseite auf entsprechende „Zusatzgebühren“ hin und erinnert im Verlauf der Buchung daran: „Vergiss nicht, deine Sitzplätze zu reservieren“. Auf die Höhe der Reservierungskosten hat Interrail aber keinen Einfluss, da diese von den einzelnen Eisenbahnunternehmen festgelegt wird.

Die Überquerung der französischen Grenze kostet am meisten

„Einige Bahngesellschaften scheinen Passinhaber als Cash Cows zu betrachten“, sagt Rian van der Borgt aus dem Vorstand der European Passengers Federation (EPF) dazu Capital. Die französische Staatsbahn SNCF sei eine davon. „Sie ist vor allem bei internationalen Hochgeschwindigkeitszügen beteiligt, wie denen über die französische Grenze.“ Tatsächlich sind die Reservierungsgebühren hier am höchsten: So kostet ein Platz von Paris nach Barcelona 34 Euro und nach Mailand 31 Euro. Mit dem Eurostar von London nach Paris kostet eine Reservierung 30 Euro. 

Der Familie aus dem Fallbeispiel empfahl Interrail auf Nachfrage bis Perpignan mit dem Interrail-Ticket zu fahren, wo die Reservierung genau diese 30 Euro kostet. Danach sollte sie mit einem separaten günstigeren Ticket nach Barcelona weiterfahren. „Völlig absurd“, nennt das der Familienvater. Auch eine andere Kundin aus Deutschland beschreibt die Preise auf einem Verbraucherportal als „exorbitant teuer“, ein anderer beschwert sich, dass wegen seine Reservierung wegen der hohen Auslastung des Zuges ebenfalls fast so viel gekostet hätte wie das Ticket.

Laut van den Borgt vom EPF ist auch eine Reservierung über die österreichisch-italienische Grenze teuer. „Auch die Deutsche Bahn und die Österreichische Bundesbahnen scheinen sehr daran interessiert zu sein, 10 bis 15 Euro von jedem Interrail-Passinhaber zu bekommen“, sagt er. Ansonsten ist eine Reservierung bei der Deutschen Bahn aber meist optional ebenso bei den Schweizer Unternehmen.

Bei der polnischen, rumänischen und tschechischen Bahn sind die Reservierungen, wenn erforderlich, günstig: Eine Reservierung im Eurocity von Berlin nach Prag oder im RailJet von Prag nach Wien kostet beispielsweise nur 3,60 Euro. Allerdings sind laut EPF in einigen osteuropäischen Ländern auch die Regionalzüge reservierungspflichtig. „Eine normale Reservierungsgebühr liegt oft bei fünf Euro oder sogar darunter“, erklärt van den Borgt. „Ich persönlich halte jede Gebühr über 10 Euro für übertrieben, erst recht, wenn sie 20 Euro oder mehr beträgt.“

Interrail macht die Bedingungen online klar

Der deutsche Fahrgastverband Pro Bahn reagiert auf solche Fälle zurückhaltend. Schließlich seien die Bedingungen klar, auch wenn das Reservierungssystem in einigen Ländern anders sei als in Deutschland. „Wenn sie viele reservierungspflichtige Züge hintereinander nutzen, kann das unter dem Strich teurer werden als das Ticket“, sagt Detlef Neuß, Bundesvorsitzender von Pro Bahn. „Eine Falle sind die Zusatzgebühren aber nur, wenn man die Ticket-Bedingungen vorher nicht kontrolliert hat.“ Eine Beschwerde sei seinem Verband deswegen noch nicht untergekommen, auch dem Verband Allianz pro Schiene sind keine Fälle bekannt.

Wie viel durch die Reservierungsgebühren zum eigenen Ticketpreis dazukommt, hängt also stark davon, welche Züge und Strecken die Reisenden nutzen und in welcher Häufigkeit. Bei mehreren Personen kann die Summe entsprechend groß sein und sich die Zugfahrt im Vergleich zum Fliegen nicht mehr lohnen.

Vom Preis abgesehen, kritisieren Kunden aus Deutschland vorrangig, dass es schwierig sei überhaupt eine Reservierung zu bekommen, selbst lange im Voraus. „Mit spontanem, flexiblem Reisen hat das dann überhaupt nichts mehr zu tun“, schreibt beispielsweise jemand auf einem Bewertungsportal. In seinen Antworten verweist das Unternehmen auf die eigene Website. „Bitte beachten Sie, dass die Anforderungen und Gebühren öffentlich auf unserer Webseite angezeigt werden. Dadurch haben Sie die Möglichkeit, die zu erwartenden Kosten vor dem Kauf des Passes zu berechnen.“

Auf Capital-Anfrage empfiehlt Interrail lediglich Sitzplätze möglichst frühzeitig zu reservieren, da beliebte Strecken wie London-Paris schnell ausgebucht seien. Die Frage inwieweit ihr Angebot durch die verpflichtenden Reservierungen und Zusatzkosten noch mit der eigentlichen Idee korrespondiert, beantwortet das Unternehmen nicht.

Die fünfköpfige Familie überlegt nun jedenfalls, ihre Interrail-Tickets zu stornieren und Flüge von Berlin nach Barcelona zu buchen – günstiger wäre das.

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