„Die Messe als Begegnungsstätte stellt niemand mehr infrage“
„Die Messe als Begegnungsstätte stellt niemand mehr infrage“
Mitten im Coronajahr stellte Anita Tillmann, Managing Partner der Premium Group, die Weichen für eine neue Fashion Week 2021 in Frankfurt. Am Noch-Standort Berlin halfen derweil digitales Knowhow, Kreativität und der Zuspruch der Modebranche aus.
„Die letzten Monate waren zweifellos geschäftlich schmerzhaft, wir haben unterm Strich keinen Umsatz gemacht. Dank finanzstarker Eigner war dabei zum Glück nie unsere Existenz gefährdet. Nun muss man wissen, dass wir kein klassischer Messeveranstalter sind. Wir haben schon vor Jahren gewusst, dass bald kaum mehr jemand eine Messe braucht, die wenig mehr ist als ein paar Ordertage. Das kann zum großen Teil auch virtuell abgewickelt werden. Wobei das bei Schuhen und Accessoires besser funktioniert als bei ganzen Outfits, die sieht man doch lieber live. Unser Kerngeschäft ist es stattdessen, Innovationstreiber für unsere Branche zu sein, Trends zu erkennen, zu setzen und ein globales Netzwerk zu managen. Wer muss wen treffen, um einen Deal auszuhandeln, eine offene Position zu besetzen, damit sich ein Stil durchsetzt oder um gemeinsam neue Projekte zu starten? Die Quadratmeter und Services, die wir verkaufen, sind dafür nur die Währung.
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„Gleich im Juli 2020 konnten wir die weltweit erste virtuelle Modemesse eröffnen, bei der wir eng mit Joor zusammengearbeitet haben, einem der führenden Anbieter für digitales Großhandels-Management. Daraus ist eine Plattform entstanden aus Messen, Konferenzen, Modenschauen und weiteren B2B-Inhalten. Über drei Monate lang präsentierten sich dort 300 Marken, erreichten 200.000 Einkäufer:innen und verkauften über 80.000 Produkte. Was mich sehr optimistisch macht, ist die Tatsache, dass nach über 15 Monaten auf Distanz niemand mehr die Messe als halbjähriges Branchentreffen infrage stellt. Eher das Gegenteil ist der Fall, unsere Aussteller können ein Wiedersehen kaum erwarten, was hoffentlich im Januar 2022 wieder möglich sein wird.“
Mitten im Coronajahr stellte Messemacherin Anita Tillmann von der Premium Group die Weichen für eine Fashion Week 2021 in Frankfurt. Am bisherigen Standort Berlin halfen derweil digitales Knowhow, ein finanzstarker Eigentümer und Zuspruch der Modebranche beim Überleben trotz Umsatznull.
Die zurückliegenden Monate waren zweifellos finanziell schmerzhaft, wir haben unterm Strich Null Umsatz machen können, was uns dank potenter Eigner zum Glück nicht in der Existenz gefährdet hat. Aber auch emotional ist das eine bittere Pille. Wir arbeiten rund sechs Monate auf drei Messetage zu und gleich danach wieder auf die nächste – diesen Rhythmus vermisst man. Außerdem sind mein Team und ich zu gern Gastgeber und freuen uns immer auf ein Wiedersehen mit langjährigen Kontakten und Freunden.
Wir hatten das Glück, dass unsere Messen und Veranstaltungen im Januar 2020 gerade noch stattfinden konnten, obwohl wir von Ausstellern und Kontakten, beispielsweise aus Schanghai, bereits vom dortigen Ausnahmezustand hörten. Noch im März hätte ich allerdings nicht geglaubt, dass die Pandemie unser Leben so lange auf den Kopf stellen würde.
Gleich für den Juli letzten Jahres konnten wir die erste virtuelle Modemesse der Welt eröffnen, bei der wir eng mit Joor, einem der weltweit führenden Anbieter von digitalem Management für den (Mode-)Großhandel zusammen gearbeitet haben. Wir haben uns dabei um das Frontend gekümmert und die Amerikaner stellten ihr sehr ausgereiftes System zur Verfügung. Das war für unsere Kunden gerade in der ersten Pandemie-Phase eine ganz wichtige Stütze, über die sie wenigstens einigermaßen mit ihren Partnern im Kontakt und im Geschäft bleiben konnten. Gern hätten wir auch andere Modemessen aus Europa und Übersee dazu bewogen, sich auf diese Plattformbasis zu einigen, um es den Fachbesuchern durch nur eine Plattform viel, viel leichter zu machen. Leider war das aber aus vielerlei Gründen schlussendlich nicht möglich.

Nun muss man wissen, dass wir kein klassischer Messeveranstalter sind. Ja, wir verkaufen Quadratmeter und Services darum herum, wie unsere Mitbewerber auch. Doch unser Kerngeschäft ist es, Innovationstreiber für unsere Branche zu sein, Trends zu erkennen oder selbst zusetzen und ein globales Netzwerk zu managen. Wer muss wen treffen, um einen Deal auszuhandeln, damit sich ein Stil durchsetzt, um gemeinsam die Zukunft zu gestalten? Das ist unsere wichtigste Aufgabe, die Quadratmeter nur die Währung.
Denn, und das hat uns ebenfalls geholfen, wir haben schon vor Jahren gewusst, dass bald kaum mehr jemand eine Messe braucht und bucht, die kaum mehr ist als Ordertage. Das kann zu einem großen Teil auch virtuell abgewickelt werden, wobei es bei Schuhen und Accessoires besser funktioniert als bei ganzen Outfits, die man doch in Bewegung oder noch mal spontan anders kombiniert sehen will, ehe man bestellt.
Was wir in Berlin geschafft haben und in Frankfurt schaffen wollen, das ist eine Plattform. Die hat Live-Events, die hat eine ganzjährige Heimat im Netz, die fungiert als Dach für virtuelle und ganz handfeste Meetings. Wir verbinden Messen, Konferenzen, Modenschauen und digitalen Content. In Person aber erst, wenn es die Bestimmungen zulassen und ich unseren Kunden garantieren kann, dass sie auch ausreichend wichtige Einkäufer, Branchenpersönlichkeiten und Medienvertreter treffen können, sich also ihr Investment lohnt. Ich will da absolut fair sein und nicht unser Risiko auf die Aussteller abwälzen.
Was ich im letzten Jahr wieder und wieder beobachtet habe, in unserer Branche, die ja noch sehr Inhaber-getrieben ist: Sind die Eigner im Unternehmen noch aktiv, wird deutlich schneller entschieden und agiert als, wenn ein angestellter Geschäftsführer am Ruder ist. Dann wird doch mitunter länger abgewogen und der günstigste Moment verpasst.
Positiv war, dass wir durch die Pandemie deutlich mehr Zeit für den Wechsel von Berlin nach Frankfurt hatten, mit den Partnern der Messegesellschaft dort zusammenwachsen konnten und an sämtlichen Konzepten länger feilen konnten, als es neben dem sonst extrem anstrengenden Tagesgeschäft möglich geworden wäre. Wir können es kaum erwarten, alle am Ergebnis teilhaben zu lassen.
Großartig war und ist der Zuspruch, die Solidarität, die Durchhaltenachrichten und das große Vertrauen, das wir in der Branche erleben dürfen. Und was mich sehr optimistisch macht, ist die Tatsache, dass nach über 15 Monaten auf Distanz niemand mehr die Messe als halbjähriges Branchentreffen infrage stellt. Eher das Gegenteil ist der Fall, unsere Aussteller können ein Wiedersehen kaum erwarten. Zum Aushecken neuer Projekte, um Kandidaten für offene Stellen zu treffen, Distributeure zu finden. Trotz aller Technik sind wir schließlich sinnliche Wesen, wollen uns berühren, die Mimik des anderen lesen können und zusammen lachen. In einem Raum, ohne Webcam. Vieles also, was wir bisher, vor Covid-19, als selbstverständlich wahrgenommen haben, was uns jetzt aber extrem fehlt. Jetzt brauchen wir „nur“ noch eine belastbare Perspektive.