Angelika Weinländer-Mölders kennt den Führungsalltag aus den Chefetagen diverser mittelständischer und börsennotierter Unternehmen in der Gesundheitswirtschaft. als Mentorin den beruflichen Werdegang junger Frauen. Sie ist Ideengeberin für das Buch „21 Erfolgsfrauen - 21 Karriereformeln“
Authentizität gehört heute zum Anforderungsprofil im Leadership Management. Laut Duden steht sie für Echtheit, Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit. Doch was bedeutet das im Führungsalltag? Wer stets sein Herz auf der Zunge trägt, riskiert, andere zu brüskieren oder zu verunsichern. Wahrhaftigkeit versus Kompatibilität - ein Dilemma? Nicht zwangsläufig. Ein authentisches Auftreten muss nicht gleich Verlust an Vertrauen und Verständnis bedeuten. Denn es geht bei Authentizität nicht um uneingeschränkte Selbstbehauptung, sondern vielmehr um das Selbst-Bewusstsein im Sinne eines „sich seiner Selbst bewusst sein“.
Wer selbstsicher ist, um seine Stärken und Schwächen weiß, wer also Klarheit besitzt, der gewinnt. Und zwar nicht nur an Charisma, sondern auch an Überzeugungskraft. Weil wir in unserer Authentizität in der Lage sind, einen klaren Willen zu bekunden und damit Verlässlichkeit verkörpern. Mit anderen Worten: Unser Gegenüber weiß, woran es bei uns ist. Und das fördert Vertrauen. Wahrhaftigkeit muss nicht verprellen. Sie kann vielmehr verbinden.
Authentizität gilt als wichtige Eigenschaft eines Managers. Sie wird von Mitarbeitern meistens höherwertig eingestuft als Fachkompetenz oder Belastbarkeit. Doch Vorsicht! Einen Chef, der sich auf Kosten anderer auslebt, sein Innerstes ohne Filter rauslässt ‒ ob cholerisch polternd, phlegmatisch lamentierend oder melancholisch quengelnd ‒ braucht niemand. Gerade als Führungskraft stellt sich die Frage: Wie viel Wahrhaftigkeit verträgt mein Umfeld? Hier bedarf es als Führungskraft einer Offenheit für das Feedback von Mitarbeitern. Denn man selbst sieht sich nie ganz. Die Spiegelung durch andere ist eine wichtige Ergänzung fürs Selbstbildnis.
Flexibilität ist für ein gedeihliches Miteinander unabdingbar
Besonders im Umgang mit Schwächen sind viele von uns zögerlich. Mache ich mich mit dem Eingestehen von Defiziten nicht unnötig angreifbar? Darf ich den anderen mit seinen Schwächen konfrontieren? Schwächen gehören bei jedem dazu. Sie zu verleugnen, ist nie förderlich. Vielmehr hilft es, sie zu akzeptieren und an für meine Arbeit relevanten Schwächen zu arbeiten. Hier bedeutet die Orientierung an Menschen, die über entsprechende Stärken verfügen, keinesfalls das Aufgeben meiner Authentizität, sondern es dient ebenso der persönlichen Weiterentwicklung wie die Konzentration auf eigene Stärken. Wer authentisch ist, weiß um beides – seine Stärken und seine Schwächen. Und er stärkt vor allem seine Stärken. Eine Führungskraft hat auch hier Vorbildfunktion.
Authentizität bedeutet nicht starres Verharren. Ich vergleiche das gern mit der Wirbelsäule. Sie ist dann am gesündesten, wenn sie beweglich bleibt. Ein starres, einzwängendes Korsett braucht es nur, wenn sie pathologisch verkrümmt ist ‒ was meistens aufgrund von Haltungsfehlern oder falschen Bewegungsabläufen entsteht. Ein starres Lebensmuster zu befolgen ist genauso falsch, wie sich ständig unter der Last anderer Ansichten oder Vorgaben zu verbiegen. So hat es nichts damit zu tun, zu wenig Rückgrat zu beweisen oder an Authentizität einzubüßen, wenn ich nicht ständig auf meiner Art beharre, wie die Dinge zu sehen und anzugehen sind. Eine gewisse Flexibilität ist für ein gedeihliches Miteinander ebenso unabdingbar wie das Ausüben bestimmter Rollen.
Sich auf andere einzustellen, heißt, die Bandbreite seines Verhaltens zu erweitern, nicht aber die eigenen Wertvorstellungen aufzugeben. Als Führungskraft gilt es, variabel in der Kommunikation zu sein, Bedürfnisse wahrzunehmen und jedem Mitarbeiter individuell zu begegnen. Meine eigene Sprache wird nicht weniger verständlich, indem ich sie um den Sprachschatz anderer erweitere – ganz im Gegenteil.
Primat des Handelns nicht aus der Hand geben
Ein unternehmerisches Umfeld lässt sich nicht immer so gestalten, wie es der Einzelne gerne hätte. Dann kommt es auf die Kooperation an – sowohl mit den Menschen meines Umfelds als auch mit den Umständen. Das bedeutet für Sie: Flexibel sein, ohne zur Blaupause zu werden. Das Primat des Handelns nicht aus der Hand geben, eher beharrlich sein denn sturköpfig. Den Abgleich meiner Lebensleitlinien nicht aus den Augen verlieren und doch anerkennen, dass die Reflexionen durch die Augen eines anderen hin und wieder sehr wertvoll sein können.
Es ist eine Herausforderung, seine Einstellungen mit den äußeren Anforderungen in Einklang zu bringen, also seine Authentizität zu wahren. Deshalb empfehle ich, sich regelmäßig mit folgenden Fragen zu prüfen:
• Welche Wertmaßstäbe sind für mich in meinem Leben am wichtigsten und wie haben sich diese Werte im Laufe der Zeit verändert?
• Welche Schwierigkeiten muss ich überwinden, um diese Werte umzusetzen beziehungsweise was bin ich bereit aufzugeben, um nach diesen Wertvorstellungen zu leben?
• Welche Eindrücke oder Anreize von außen und aus meinem Inneren heraus beeinflussen mich am meisten?
Wer nach seinen Wertvorstellungen handelt, bleibt sich selbst treu. Jeder entwickelt aus seinen Werten Prinzipien, nach denen er handelt. Diese Leitlinien sind für den Einzelnen sinnstiftend und richtungsweisend. Je stärker sich eine Führungskraft mit ihren Aufgaben und den Werten des Unternehmens identifizieren kann, weil diese auch den eigenen Werten entsprechen, desto authentischer wird ihr Agieren sein. Dann wird Authentizität zu gelebter Glaubwürdigkeit. Und eine Führungskraft zu einem Erfolgsproduzenten.