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Lesestoff Steve Bannon: "Politik ist Krieg"

Trumps Chefstratege Steve Bannon über die Wahlkampagne, Donald Trump und die rechtspopulistische Website Breitbart News
Steve Bannon
Steve Bannon
© Getty Images

Es fällt durchaus schwer, sich Steve Bannon als einen zurückhaltenden Mann vorzustellen. In der vergangenen Woche hat er genauso die Schlagzeilen beherrscht wie Donald Trump – und das ist ein Kunststück. Bannon ist der Chef der rechtspopulistischen Nachrichtenwebsite Breitbart News, die eine der aggressivsten Stimmen im Netz ist. Die Website ist eine Angriffsmaschine auf Demokraten und das Establishment der Konservativen. Donald Trump berief Bannon vergangene Woche als zukünftigen Chefstrategen und Berater ins Team des Weißen Hauses, ein Posten, der normalerweise von jemandem übernommen wird, der auch als Vertreter des Präsidenten im Fernsehen auftreten kann.

Bannon war erst Mitte August zur Trump-Truppe gestoßen. Und er schaffte das scheinbar Unmögliche. Aus dem Außenseiter Trump formte er einen Sieger mit Donnerhall. Dabei hielt sich Bannon selbst im Hintergrund auf. „Es ist nicht wichtig, bekannt zu sein“, sagt Bannon in einem Telefoninterview mit dem Wall Street Journal. Er zitiert Laozi. Der habe einmal gesagt, die besten Führer seien diejenigen, die es schafften, das Volk glauben zu machen, es habe selbst Dinge verändert. „So halte ich es.“

Paarhufiger Teufel

Es kümmere ihn auch nicht, dass die Demokraten und die Medien ihn als „paarhufigen Teufel“ sehen, wie er es ausdrückt. „Ich rühme mich dafür Dinge umzusetzen, die zählen. Bei der Trump-Kampagne war es das Ziel zu gewinnen. Das haben wir getan. Jetzt geht es darum, dass beste Team zusammenzustellen, um Trumps Visionen umzusetzen.“ Und gegen die Medien keilt er: „Wie können Sie einen Medienapparat ernst nehmen, der systematisch und offensichtlich versagt hat, den Brexit vorauszusehen – oder die Trump-Revolution? Man sollte meinen, sie hätten ihre Lektion in der Wahlnacht gelernt.“ Kleine Pause. „Haben sie aber nicht.“

In den vergangenen Tagen gab es eine Menge über Bannon zu lesen: Er sei ein Verfechter der weißen Vorherrschaft, ein Fanatiker, ein Antisemit. Er sei selbstbekennender Leninist, der den Staat zerstören will. Er sein ein Verbündeter der sogenannten „alt-right“, einer Gruppe, die rechtsextreme Ideologien vertritt und laut New York Times Juden, Muslime und andere Minderheiten über soziale Medien diffamiert und diskriminiert. Wahrscheinlich haben Sie einige der verstörenden und hetzerischen Schlagzeilen auf Breitbart News gelesen. Oder davon gehört, dass Breitbart eine Art Staatsorgan für Trump wird, ähnlich der Prawda in Russland.

Politischer Schlägertyp

Bannon ist ein aggressiver, politischer Schlägertyp, unverfroren in seinen Ansichten. Er sagt: Das, was die Medien über ihn berichteten, entbehre jeder Realität. Über 70 Minuten dauerte das Telefonat mit dem Wall Street Journal, in dem er sich als „konservativ“, „populistisch“ und als „ökonomisch nationalistisch“ bezeichnet.

Bannon ist ein guter Redner, dabei unaufgeregt – und er spricht in gemäßigtem Ton. Er ist in ehemaliger Offizier der Marine, er denkt in militärischen Begriffen und zitiert oft Philosophen oder Generäle. Er verabscheut die Medien, ist stolz auf Breitbart und bereit mit jedem aus dem Team von Trump zusammenzuarbeiten. Zu Beginn des Gesprächs legt Bannon Wert darauf, keine Zeit zu verschwenden, in dem man die Vorwürfe gegen ihn diskutiert. Für ihn ist das alles „Nonsens“.

Antisemitisch? „Breitbart ist pro-israelisch wie keine andere Website in den USA“, sagt Bannon. Sie hätten ein Büro in Jerusalem mit zehn Reportern. „In den USA sind wir führend im Kampf gegen das BDS-Movement (eine propalästinensische Bewegung, die sich gegen Israel und insbesondere gegen die jüdischen Siedlungen richtet, Anm. d. Red.), wir sind führend in der Berichterstattung über jüdische Studenten, die an amerikanischen Universitäten schikaniert werden und wir sind führend, wenn es um das Leid der Juden in Europa geht.“ Durch die Positionierung zu Israel habe Breitbart diverse jüdische Autoren und Partner gewinnen können. „Leute wie Joel Pollak. Diese Anschuldigung des Antisemitismus können Sie nicht ernst nehmen. Das ist ein Witz“, sagt Bannon.

Ökonomischer Nationalist

Die Attacken auf ihn schiebt er einer faulen und nicht recherchierenden Presse zu. So sei auch die Lenin-Anekdote entstanden. Die stamme aus einem Artikel in der „Daily Beast“. Der Autor habe angeblich mit ihm im Jahr 2013 gesprochen. „Da kommt so ein Typ, dessen Namen ich noch nie in meinem Leben gehört habe, sagt, er hätte mich bei einer Party getroffen und ich hätte ihm irgendetwas über Lenin erzählt. Und diese Geschichte wird für bahre Münze genommen – und niemand prüft sie.“

Und was hat es mit seiner Bewunderung der weißen Herrenrase auf sich? „Ich bin ein ökonomischer Nationalist. Amerika kommt für mich zuerst. Ich habe nationale Bewegungen auf der ganzen Welt bewundert, habe immer gesagt, dass starke Nationen großartige Nachbarn sind. Ich habe immer gesagt, ethnonationalistische Bewegungen, wie es sie in Europa gibt, werden die Zeit nicht überstehen. Ich war niemals ein Unterstützer dieses Ethnonationalismus.“

Laut Bannon würden die Anschuldigungen gegen ihn übersehen, dass die schwarze und hispanische Arbeiterklasse und Mittelschicht, genauso wie die weiße, stark von der Globalisierung in Mitleidenschaft gezogen wurde. Er sei es gewesen, der Trump dazu gedrängt habe, diesen Aspekt in seinen Wahlkampf aufzunehmen. „Ich war derjenige, der gesagt hat, wie gehen nach Flint, Michigan, (Flint hat eine der höchsten Armuts- und Kriminalitätsraten der USA, Anm. d. Red.) und wir besuchen schwarze Kirchen in Cleveland, weil die Stoßrichtung dieser Kampagne war, dass wir Kapitalismus in die Innenstädte bringen wollen.“

Stolz auf Angriffe

Und warum glaubt Bannon, dass die Linken so auf ihn fixiert sind? „Sie waren bereit, Hillary Clinton zu krönen. Das klappte nicht, und ich bin einer der Gründe dafür. Mal nebenbei. Ich empfinde diese Angriffe als eine Art Stolz.

Stolz ist Bannon auch auf seine brandstiftende Website Breitbart News. Früh habe Breitbart die populistischen Bewegungen verstanden: Bereits 2013, als in Großbritannien die Unabhängigkeitspartei (Ukip) erstarkte. Als die Schotten sich vom Commonwealth lossagen wollten. Und als der Brexit kam. „Wir haben den Wandel schon vor Jahren gesehen, lange bevor Trump überhaupt die Bühne betreten hat“, sagt Bannon.

Bannon selbst sagt, Breitbart sei „an der Kante“, aber er besteht darauf, dass die Website sehr lebhaft sei. Er offenbart seine eigene Definition von der rechtspopulistischen „alt-right“-Bewegung und erklärt, warum sie zu Breitbart passe. „Unsere Definition von „alt-right“ sind junge Leute, die gegen die Globalisierung sind, sehr nationalistisch, energisch gegen das Establishment.“ Aber Breitbart sei auch eine Plattform für Liberale, Zionisten und konservative Schwule, Gegner der Schwulenehe, ökonomische Nationalisten sowie Populisten und Gegner des Establishments. In anderen Worten: Die Website vertritt viele Ansichten. „Wir verbreiten zehn, zwölf oder 15 verschiedenen Ansichten. Die „alt-right“ sei eine sehr kleine davon. Und ja, die „alt-right“ habe „einige rassische und antisemitische Untertöne“. Bannon sagt, er habe „Null Toleranz“ für diese Ansichten.

Wie ein Kampfhund

Seit er die Trump-Kampagne unterstütze, befinde er sich in einer Art Sabbatical. „Seit dem 15. August habe ich nichts mehr mit Breitbart zu tun.“ Und das soll auch so bleiben. „Während ich für das Wohl des Präsidenten arbeite, lasse ich alle Verbindungen zu Breitbart ruhen.“ Er versichert: „Von der Minute an, in der ich für Trump gearbeitet habe, hat Breitbart nicht einen Scoop aus der Kampagne erfahren. Sie mussten sich genauso abmühen, wie andere Medien auch.“

Aber wird Breitbart nicht loyal zu Bannon und Trump stehen und wie ein Kampfhund auf alles losgehen, was dem neuen Präsidenten Paroli bietet? Bannon sagt, Breitbart wird so berichten, wie die Redaktion es für richtig hält. Auch die Trump-Administration müsse offen für Kritik sein. „Wenn wir das nicht sind, werden sie uns an die Wand nageln.“

Und wie wird Breitbart über andere Republikaner berichten? „Sehe ich jetzt, wie Breitbart Leuten wie Paul Ryan bedingungslos den Rücken stärkt? Vermutlich nicht. Ich habe keine Kontrolle über Breitbart. Wenn Sie sich derzeit einige Namen anschauen, die im Trump Tower für Ämter gehandelt werden, und sie schauen sich dazu die Kommentare auf Breitbart an, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass diese Leute nicht durch die Gegend laufen und sich gegenseitig High Five geben. Und genau das ist fantastisch. Der Grund, warum Breitbart so groß wurde, ist, dass Breitbart „Spirit“ hat.

General und brillanter Taktiker

Bannons Rolle bei der Trump-Kampagne wurde nie klar beschrieben, obwohl die Trump-Vertraute Kellyanne Conway ihn den „General“ nannte und als einen „brillanten Taktiker“ beschrieb. Bannon selbst spricht von einer engen Allianz zwischen ihm, Conway und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der eine strikte Strategie von Reden, öffentlichen Großauftritten und sozialen Medien entwickelt hatte. Sie kreierten zwei mögliche Wege ins Weiße Haus. Der eine führte über Nevada und New Hampshire. Der andere über Ohio und Pennsylvania, Michigan und Wisconsin. Eine Woche vor der Wahl sahen sie, dass der zweite Plan funktionieren würde.

Die Behauptung, die Trump-Kampagne sei in den letzten Monaten chaotisch gewesen, sei falsch, sagt Bannon. Sie baute auf „exzellenten Daten“ auf, die vom Republican National Committee und einer Agentur in San Antonio erhoben wurden. Die Kampagne habe sich an ländlichen Gegenden orientiert, in denen eine Menge an Stimmen zu holen waren. Die Clinton-Kampagne hatte diese Gegenden bereits abgeschrieben. Ein anderer Fehler von Clinton sei es gewesen, sich auf Minderheiten und Millennials zu konzentrieren.

"Trump wird in die Geschichte eingehen"

Der Grund, warum Trump die Wahl gewonnen habe, „ist nicht so kompliziert“, sagt Bannon. „Die Daten waren überwältigend. Es war klar: Das wird eine Wahl des Wechsels. Die Leute waren unzufrieden mit der Richtung, in die das Land sich bewegt hatte. Alles, was wir zu tun hatten, war Donald Trump als Wegbereiter des Wandels aufzubauen, der diese eine Message immer wieder verbreitete. Trump musste für den Wechsel stehen und Clinton als Hüterin der korrupten und inkompetenten Elite – und damit für den status quo.“ Bannon ist sogar der Meinung, Trump würde als einer der besten Redner in die amerikanische Geschichte eingehen.

Durch Bannons Hilfe hat eine neue Ära in den USA begonnen. Und darauf ist er stolz. „Die eine Sache ist die, dass mittlerweile alle Republikaner geeint sind“, sagt Bannon. „Wir waren Anti-Establishment-Führer in einer sehr Anti-Establishment-Bewegung. Und trotzdem haben wir es geschafft, Leute wie Reince Priebus (Vorsitzender des Nationalkommittees der Republikaner und designierter Stabschef des Präsidenten, Anm. d. Red.) mit uns zusammenzubringen und alle Differenzen in der Koalition auszuräumen. Das ist ein großer Sieg für Donald Trump.“

Große Reformen stehen an

Bannon ist zuversichtlich, dass Trump große Reformen umsetzen wird. „Glaubt Paul Ryan (Sprecher des Repräsentantenhauses, Anm. d. Red.) das alles, wofür Breitbart steht, wofür Steve Bannon steht, großartig ist? Nein. Glaube ich, dass alles großartig ist, wofür er steht? Nein. Können wir zusammen arbeiten, um Trumps Vision für Amerika umzusetzen? Können wir das? Oh, yeah!“ Bannon räumt ein, dass es Zeiten geben werde, in denen wir wirklich uneinig sein werden. Aber das sei Zukunftsmusik und im Moment arbeiten wir an Prioritäten wie der Steuerreform oder Obamacare. Und das 24 Stunden am Tag zusammen mit dem künftigen Vizepräsidenten Pence, der unser Verbindungsglied ins Kapitol ist.

Bannon ist stolz auf die Bandbreite an Leuten, die sich einbringen will. Er ist stolz darauf, dass das erste Jobangebot an einen registrierten Demokraten ging - an den ehemaligen Militär Michael Flynn für das Amt des Nationalen Sicherheitsberaters. „Das Land wird eine Menge an Möglichkeiten sehen“, sagt Bannon. „Trump weiß, wie er das beste Team zusammenstellen muss, wie er das Beste aus den Menschen herausholt. Und das sagt eine Menge darüber aus, dass er eine historische Figur werden kann.“

Politik ist Krieg

Im Fernsehen auftreten, das wird Bannon nicht. Da bleibt er seinen Maximen treu. „Einige sagen mir, mach das. Aber ich sehe keinen Sinn darin, mich mit einer Meute an Medienleuten zu unterhalten, die immer nur zu sich selbst sprechen. Während der gesamten Kampagne war ich nicht einmal im Fernsehen zu sehen. Nicht ein Mal. Wissen Sie warum? Weil Politik Krieg ist. General Sherman (legendärer General im Sezessionskrieg, Anm. d. Red.) wäre niemals vor die Presse getreten, um seine Pläne zu verbreiten.“

Copyright: The Wall Street Journal

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