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Management So befreit man Mitarbeiter von überflüssigen und sinnlosen Tätigkeiten

Arbeit im Büro
Sinnlosen Arbeiten sind die Produktivitätskiller im Büro
© Image Source / IMAGO
Unnötige Aufgaben und Arbeiten bremsen Leistungsfähigkeit sowie Produktivität – und verursachen hohe Kosten. Es gibt Möglichkeiten, diese zu reduzieren, die oft einfacher sind als gedacht

Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland beim jährlichen Produktivitätszuwachs hinterher. Viele Unternehmen leiden unter hohen Kosten, was das Erreichen einer zufriedenstellenden Umsatzrendite erschwert. Zum Teil sind dafür externe Faktoren wie Kostensteigerungen und neue gesetzlichen Anforderungen – Beispiel Lieferkettengesetz – die Ursache – aber auch innerhalb der Unternehmen gibt es erhebliche Potentiale zur Kostensenkung und Leistungssteigerung, insbesondere in den indirekten Unternehmensbereichen wie Verwaltung und Büros.

Verschiedene Umfragen zeigen, dass fast 30 Prozent der Arbeitszeit als Verschwendung angesehen wird  – so schätzen es die Beschäftigen in den deutschen Büros ein. Diese Einschätzung wird übrigens in Kundenprojekten immer wieder bestätig. Und eine aktuelle Studie des Thinktanks Next Work zeigt, dass weltweit jährlich Kosten in Höhe von 114 Mrd. Euro allein durch unnötige Besprechungen und Unterbrechungen am Arbeitsplatz entstehen.

Sinnlose Arbeit ist eine der Hauptursachen für Erschöpfung am Arbeitsplatz, von der sich inzwischen mehr als die Hälfte der Beschäftigten bedroht fühlt. Und auch die Krankenkassen melden inzwischen immer mehr Arbeitsausfälle aufgrund sinnlos empfundener Arbeit.

Das könnte zu einer toxischen Mischung führen: Fachkräftemangel, Viertagewoche, demographischer Wandel und dann noch Ausfälle wegen Erschöpfung und Burn-out. Und es gibt kaum noch Unternehmen, die nicht immer mehr Aufgaben mit immer weniger Personal erledigen müssen, sei es aufgrund von Wachstum, neuen Anforderungen oder massiver Personalreduzierung.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen ist es wichtig, die vorhandenen Optimierungspotentiale in den Unternehmen zu heben. Dazu müssen Prozesse und Arbeitsabläufe von Überflüssigem entlastet und optimiert werden. Das erfordert Disziplin und eine langfristig angelegte, strukturierte Vorgehensweise, bei der die Mitarbeiter und Führungskräfte aktiv eingebunden sind. Durch solch ein „organisatorisches Fitnessprogramm“ können Produktivitätssteigerungen von 20 bis 35 Prozent, verkürzte Lieferzeiten und zufriedenere Kunden erreicht werden. 

Und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren, wenn sinnlose Tätigkeiten reduziert werden und sie die Möglichkeit haben, Erfolgserlebnisse zu erleben, indem sie die Kunden zufrieden stellen. Auf der Basis von exzellenten Prozessen bietet die Digitalisierung zusätzliche Potentiale zur Optimierung, beispielsweise durch RPA (Robotic Process Automation), bei der wiederkehrende Routineaufgaben von Bots erledigt werden.

Die Implementierung einer „Organisatorische Fitnesskur“ im Unternehmen erfolgt in drei bewährten Phasen:

  1. Im Unternehmen wird gezielt nach Verschwendung gesucht und erste kleine Verbesserungen werden realisiert.
  2. Zentrale Geschäftsprozesse werden gemappt, analysiert und unter Einbeziehung der betroffenen Mitarbeiter verbessert. Dazu benötigt man anfangs entsprechende Fachexpertise. Falls diese im Unternehmen nicht verfügbar ist, sollte man auf externe Ressourcen zurückgreifen, weil dadurch der Einführungsprozess erheblich beschleunigt wird. In der Optimierung der Geschäftsprozesse liegen normalerweise die größten Potentiale für das Unternehmen. Mittelfristig sollten sich die Ergebnisse auch in der Umsatzrentabilität widerspiegeln.
  3. In der anschließenden Phase müssen die verbesserten Organisationsstrukturen angepasst und nachhaltig etabliert werden. Das Ziel ist ein gelebter, kontinuierlicher Verbesserungsprozess, in dem alle Mitarbeiter aktiv an der Verbesserung ihres Arbeitsumfeldes mitwirken.

Die meisten Einsparpotentiale lassen sich durch die Optimierung der Geschäftsprozesse realisieren. Dennoch gibt es auch einige einfache Maßnahmen im Vorfeld, um zu einer ersten Entlastung zu kommen und die Mitarbeiter für das „Organisatorische Fitnessprogramm“ zu motivieren. Und mit diesen ersten Aktivitäten wird auch eine punktuelle Entlastung spürbar. Hier die erste Maßnahmen zum Start:

#1 Identifikation der Wertschöpfung und Aufdecken sinnloser Tätigkeiten

Es werden Tätigkeiten und Leistungen identifiziert, für die es keinen Abnehmer (Kunden) gibt. Diese findet man in jedem Unternehmen – auch die Top Player machen da keine Ausnahme. Die folgenden Vorgehensweisen haben sich in der Praxis bewährt:

  • Die Mitarbeiter werden aufgefordert, alle Tätigkeiten zu sammeln und zu benennen, die Ihnen sinnlos erscheinen. Diese werden analysiert und entweder tatsächlich eliminiert oder die Hintergründe dieser Tätigkeiten werden aufgezeigt. Es entsteht auf jeden Fall eine Win-win-Situation sowohl für das Unternehmen als auch für die Mitarbeiter
  • Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das bei allen Tätigkeiten konsequent notiert wird, wer Abnehmer (Kunde) ist und woher dessen Anforderungen bekannt sind. Auch hier ist mit einer deutlichen Entlastung zu rechnen.

Mit diesen Maßnahmen werden erste Freiräume geschaffen und Mitarbeiter für weitere Verbesserungen motiviert.

#2 Besprechungen und E-Mails

Angeblich werden 40 Prozent aller Besprechungen in deutschen Büros als überflüssig und Zeitverschwendung betrachtet. Wie kann es so weit kommen? In den meisten Fällen sind das gewachsene Strukturen, keiner fühlt sich verantwortlich und jeder hat das Gefühl etwas zu verpassen, wenn er nicht an allen Besprechungen teilnimmt.

Hier lässt sich aber sehr schnell Abhilfe schaffen. Wichtig ist die gemeinsame und abgestimmte Vorgehensweise sowie klare Zuordnung von Verantwortung. Man durchforstet zunächst alle Meetings und legt fest, welche weiterhin notwendig sind (wertschöpfend). Dann werden klare Regeln aufgestellt bezüglich Dauer, Teilnehmer, Agenda, Protokoll & Nachbereitung. 

Schon durch eine zielführende Auswahl der Teilnehmer schafft Verbesserungen. Bei einem Anlagenbauer konnte dadurch der Aufwand für „Jour Fixes“ um über 45 Prozent reduziert werden. Auch zu empfehlen sind kurze Stand-up-Meetings vor einem Board, auf dem schon alle relevanten Informationen aufgelistet sind und die nicht länger als 15 Minuten dauern.

Ähnliches gilt für E-Mails: die Einführung eines E-Mail-Knigges im Unternehmen führt deutlich zu einer Entlastung, ebenso hilfreich sind Pull – Systeme, beispielsweise Sharepoint, wo sich jeder Mitarbeiter genau die Informationen „ziehen“ kann, die er für seine Arbeit braucht.

#3 Unterbrechungen und Rückfragen

Arbeitsunterbrechungen sind große Produktivitätskiller (siehe Quelle zwei). Angeblich werden Wissensarbeiter 14-mal pro Stunde unterbrochen! Dass das sowohl die Produktivität als auch die Kreativität behindert, ist wohl offensichtlich.

Wie lassen sich Unterbrechungen vermeiden? Nachhaltige Verbesserungen entstehen durch Optimierung der Kernprozesse, dort werden alle Störungen und Rückfragen analysiert und systematisch eliminiert. Eine erste, schnell wirkende Hilfsmaßnahme besteht darin, eine tägliche Bestandsaufnahme der Rückfragen und Unterbrechungen zu erstellen. Dazu kann man Strichlisten nutzen und anschließend die Ursachen ausweisen und Clustern. Für die häufigste Störungen können dann erste Verbesserungsmaßnahmen aufgesetzt werden.

#4 Weitere Verschwendungen identifizieren

Toyota hat eine Kategorie mit acht Arten der Verschwendung entwickelt. Diese helfen den Blick für weitere unnötige Tätigkeiten und Verschwendungen zu schärfen. 

Zunächst erklärt man den Mitarbeitern (einer Abteilung beispielsweise) die Arten der Verschwendung und legt dann ein entsprechendes Formular aus mit der Aufforderung an die Mitarbeiter, dort alles einzutragen, was ihnen auffällt. Nach einigen Tagen werden die Formulare eingesammelt und die Beispiele analysiert. Und auf dieser Basis können auch schon erste Verbesserungen umgesetzt werden.

Bei diesen ersten Hilfemaßnahmen handelt es sich um Verbesserungsmaßnahmen, die mit einfachen Mitteln behoben werden können. Viele Potentiale sind einfach zu identifizieren. Oft hat man sich einfach an gewisse zustände gewöhnt. Mit einem gewissen Maß an Achtsamkeit und Aufmerksamkeit werden diese sichtbar und können im Team und mit einer geplanten und strukturierten Vorgehensweise verbessert werden.

Dazu braucht man Disziplin und Durchhaltevermögen. Die gute Nachricht aber dabei ist, dass die Mitarbeiter sich daran gewöhnen und auch Spaß an den gemeinsamen Verbesserungen entwickeln werden.

Kathrin Saheb, Geschäftsführerin der Saheb Consulting AG und seit über 17 Jahren als LEAN Beraterin mit dem Schwerpunkt Lean Administration tätig. Sie ist Autorin der Bücher „Lean Administration Schritt für Schritt“ Band 1 & 2. 

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