Die „Forbes“-Liste der Milliardäre gibt auch in Europa viel Anlass zum Prahlen. Deutschland hat aktuell mit Abstand die meisten Dollar-Milliardäre. „Forbes“ listet für die Bundesrepublik 107 Superreiche auf, im Vereinigten Königreich waren es bei rund einem Viertel weniger Einwohnern nur etwa halb so viele Milliardäre. Interessant ist auch die Frage, wie die jeweils reichsten Menschen des Landes im direkten Vergleich abschneiden. Hier trennt sich zum Teil die Spreu (Zahl der Superreichen) vom Weizen (Vermögen des reichsten Bürgers). Da sticht plötzlich Tschechien das Vereinigte Königreich aus und die Schweiz wird vom Steuerparadies Zypern geschlagen.
Geht es nur nach dem jeweils reichsten Menschen des Landes, ergibt sich in Europa diese Rangliste der Milliardäre.
Länder-Ranking der Milliaräre in Europa
Die Liebe beschert Irland seinen reichsten Bürger und Platz zehn dieser Rangliste. Der gebürtige Inder Pallonji Mistry (l.) ist mit einer Irin verheiratet und hat 2003 die irische Staatsbürgerschaft angenommen. 2019 hatte „Forbes“ sein Vermögen 15,0 Mrd. Dollar geschätzt. Das hätte auf der diesjährigen Liste für Platz sechs gereicht. Allerdings büßte der Unternehmer im vergangenen Jahr fast ein Drittel seines Vermögens ein und fiel im globalen Ranking mit 11,1 Mrd. Dollar auf Platz 117. Dennoch blieb der 91-Jährige der mit Abstand reichste Ire. Er leitet das indische Bauunternehmen Shapoorji Pallonji Group. Außerdem hält seine Familie fast ein Viertel der Anteile an Tata Sons, der Eigentümerin des Mischkonzerns Tata Group. Hinter Irland kam übrigens Zypern. Der Status als Steuerparadies bescherte der Insel Platz elf in der Rangliste der europäischen Länder mit den reichsten Milliardären, weil sie den norwegischen Unternehmer John Fredriksen und dessen Vermögen von aktuell 9,6 Mrd. Dollar für sich gewinnen konnte.
Die Niederlande verdanken Platz acht der europäischen Rangliste Charlene de Carvalho-Heineken. Sie hatte 2002 von ihrem Vater Freddy Heineken einen 23-prozentigen Anteil an dem Brauereigiganten geerbt. Die 66-Jährige, die in London lebt, ist der reichste Mensch der Niederlande. Weltweit belegten sie und ihre Familie zum Stichtag 7. April 2020 mit einem Vermögen von 12,8 Mrd. Dollar (2019: 14,2 Mrd. Dollar) Platz 93. De Carvalho-Heineken ist außerdem die viertreichste Frau in Europa.
Wer das Vereinigte Königreich in der europäischen Spitzengruppe vermutet, hat sich getäuscht. Die reichsten Briten, die Brüder Srichand, Gopichand, Prakash und Ashok Hinduja, liegen zusammen mit 12,9 Mrd. Dollar weltweit auf Platz 91 und in Europa gerade mal auf Platz acht. Sie verdanken ihren Reichtum dem indischen Mischkonzern Hinduja-Group (Finanzen, Telekommunikation, Öl). Das Unternehmen mit Sitz in London wurde 1914 von ihrem Vater gegründet. Geht es nach Einzelpersonen, müsste sich das Vereinigte Königreich mit James Ratcliffe, Gründer des Chemiekonzerns Ineos, und dessen 11,0 Mrd. Dollar noch hinter Irland einreihen.
Schweden kommt dank H&M im Milliardärs-Ranking auf Platz sieben. Der langjährige Aufsichtsratschef des Modekonzerns, Stefan Persson, bleibt der reichste Mensch des Landes. Sein Vater Erling hatte das Unternehmen 1947 gegründet. Persson hält laut „Forbes“ 36 Prozent an H&M und war zuletzt 13,5 Mrd. Dollar schwer. Das waren 2,1 Mrd. Dollar weniger als 2019. 2014 war Perssons Vermögen sogar noch auf 34,4 Mrd. Dollar geschätzt worden. Anfang 2020 hatte der 72-jährige H&M-Chef angekündigt, die Firmenleitung im Mai an seinen Sohn Karl-Johan übergeben zu wollen. Vollzugsmeldungen blieben bislang aber aus.
Petr Kellner (M.) liegt unter den reichsten Milliardären der Länder Europas auf Platz sechs. Der Unternehmer gehörte 1991 zu den Mitgründern des Privatisierungsfonds PFF, dessen Mehrheitseigner er heute ist. Zum Portfolio des 56-Jährigen gehören zudem Anteile an O2 Czech Republik und Immobilien. Das Vermögen des reichsten Tschechen sank leicht von 15,5 auf 14,9 Mrd. Dollar. Das bedeutete im globalen Ranking Platz 68.
Dietrich Mateschitz (76) spielt unter Österreichs Milliardären in einer eigenen Liga. Der Mitgründer und -eigentümer der Red Bull GmbH verfügte laut „Forbes“ zum Stichtag 7. April 2020 über ein Vermögen von 16,5 Mrd. Dollar. Das war mehr als doppelt so viel wie beim Zweitplatzierten in Österreich. Mateschitz' Vorsprung schmilzt allerdings Jahr für Jahr. 2019 hatte er die Landesliste mit 18,9 Mrd. Dollar angeführt, 2018 waren es noch 23 Mrd. Dollar gewesen. Weltweit lag Mateschitz auf Platz 57.
Naschen ist krisensicher. Giovanni Ferrero hat 2020 den Abstand auf viele Superreiche in Europa ausgebaut. Der Chef des Süßwarenherstellers Ferrero steigerte sein Vermögen laut „Forbes“ von 22,4 auf 24,5 Mrd. Dollar (weltweit Platz 32). Damit lag der reichste Mensch Italiens hinter dem drittreichsten Franzosen François Pinault (Platz 27) und einen Rang hinter Elon Musk. Aushängeschild des Ferrero-Imperiums ist die Marke Nutella. Der Brotaufstrich wurde von Ferreros Großvater, dem Konditor Pietro Ferrero, erfunden. Zum Konzern gehören außerdem Kinder Schokolade und Tic Tac. Der heute 55-Jährige hat sich 2017 vom CEO-Posten zurückgezogen, um sich auf die strategische Ausrichtung des Konzerns zu konzentrieren. Ferrero ist der jüngste Superreiche in den Länder-Top-10.
„Forbes“ führt die Aldi-Süd-Erben Beate Heister und Karl Albrecht Jr. gemeinsam auf Platz eins der reichsten Deutschen. Wie sich das Vermögen von angeblich 33,3 Mrd. Dollar auf die Kinder des 2014 gestorbenen Aldi-Süd-Gründers Karl Albrecht aufteilt, lässt „Forbes“ im Dunkeln. Der Gesamtwert sichert Deutschland in Europa Platz drei. Ginge es nach der reichsten Einzelperson, würde sich die Bundesrepublik mit dem Lidl/Kaufland-Tycoon Dieter Schwarz (19,8 Mrd. Dollar) hinter Italien einreihen. Heister und ihr Bruder haben im Vergleich zum Ranking 2019 knapp acht Prozent ihres Vermögens eingebüßt. Sie rangieren in der europäischen Milliardärsliste hinter Frankreichs Nummer zwei, L'Oréal-Erbin Francoise Bettencourt Meyers.
Auch Zara bekommt die Corona-Krise zu spüren. Das Vermögen von Inditex-Mitgründer Amancio Ortega hat sich laut „Forbes“ bis April 2020 von 62,7 auf 55,1 Mrd. Dollar reduziert. Damit belegte er weltweit Platz sechs. Der 84-Jährige hält dem Bericht zufolge 60 Prozent an Inditex. Zu dem Fast-Fashion-Konzern gehören neben Zara unter anderem die Marken Massimo Dutti sowie Pull & Bear. Zara hat in der Corona-Krise Filialschließungen angekündigt. Das Unternehmen will sich auf große Läden sowie auf den Online-Handel konzentrieren.
Bernard Arnault und seine Familie nehmen im „Forbes“-Ranking 2020 weltweit Platz drei ein. In Europa beschert der LVMH-Chef Frankreich mit einem Vermögen von 76 Mrd. Dollar unangefochten Platz eins. Arnault lag fast 50 Prozent vor Amancio Ortega auf Platz zwei. Luxus statt Fast Fashion: Dieser Trend zeigt sich auch bei der Vermögensentwicklung des Unternehmers. Arnault konnte seinen Reichtum zwar nicht mehren, musste aber laut „Forbes“ in der aufziehenden Corona-Krise keine Verluste verzeichnen. Der 71-Jährige setzte bei Louis Vuitton während der Pandemie auf deutliche Preissteigerungen. Ob sich das bezahlt macht, wird sich zeigen. Hinzu kommt: Louis Vuitton gibt bei Taschen die Mehrwertsteuersenkung nicht an die deutschen Kunden weiter.