Interview „Wir müssen Männer an Frauen in Führungspositionen gewöhnen“

Caryn Beck-Dudley ist die Chefin der AACSB, einer globalen Vereinigung von Business-Schools.
Caryn Beck-Dudley ist die Chefin der AACSB, einer globalen Vereinigung von Business-Schools.
© Beck-Dudley
Ein Hebel für mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern im Berufsleben ist die Ausbildung – das jedenfalls sagt Caryn Beck-Dudley, CEO der AACSB, einer weltweiten Vereinigung von Business-Schools

Capital: Frau Beck-Dudley, Sie kämpfen für mehr Frauen in Managementpositionen. Warum?

CARYN BECK-DUDLEY: Weil junge Frauen Vorbilder brauchen, damit in Zukunft noch mehr Frauen in Spitzenpositionen landen.

Wie meinen Sie das?

Ich war lange Zeit immer eine der ersten Frauen, die in den USA irgendetwas gemacht haben. Ich war als Erste Dekanin einer Business-School, ich bin die erste Chefin der AACSB . Mir ist aufgefallen, dass es in meiner Generation keine weiblichen Vorbilder gab, die mir hätten zeigen können, wie es geht.

Sie sagen, Vorbilder helfen, mehr Frauen in Spitzenpositionen zu bringen?

Ja, das meine ich. Ich habe das bei meiner Tochter erlebt. Ihr Vater ist Wissenschaftler. Man hätte denken können, dass sie wegen ihm ebenfalls in die Wissenschaft gegangen ist.

Und?

Sie hat die Berufswahl wegen einer Frau getroffen, die sie in der High-School getroffen hat, einer Lehrerin. Ich glaube, dass viele Frauen, vor allem in meiner Generation, kaum Vorbilder hatten, die ihnen dabei hätten helfen können, sich durch die Universitäten und die Business-Welt zu bewegen. Es gibt aber noch einen anderen Grund, dass wir mehr Frauen in der Wirtschaft brauchen.

Welchen denn?

Männer werden als autoritär angesehen. Wenn Frauen so agieren, wie Männer das tun – würden viele das als sehr negativ empfinden. Aber: Ich finde Frauen sollten auch nicht so handeln, wie Männer. Die Pandemie hat uns schließlich gezeigt, dass wir keine Generäle mehr brauchen, die von oben nach unten durchregieren. Was wir brauchen, sind Leute, die Zusammenarbeit fördern.

Und da sind Frauen besser drin?

Sagen wir mal so: Ich glaube, dass das Skillset vieler Frauen da ein bisschen besser zu passt. Das heißt aber nicht, dass nur Frauen kollaborativ arbeiten. Auch männliche Manager, die so denken und handeln, werden in Zukunft erfolgreicher sein als die autoritären.

Das Ziel ist also, dass alle Geschlechter gleichberechtigt sind – haben wir denn schon Fortschritte gemacht?

Absolut. Schauen wir uns die Dekane der Business-Schools weltweit an. Inzwischen sind 20 Prozent von ihnen Frauen, also Dekaninnen. Als ich Dekanin wurde lagen wir bei unter fünf Prozent. Und wir sehen auch, dass der Anteil der Frauen an den Universitäten zugenommen hat. Wir haben eine Studie an 800 Universitäten weltweit gemacht und die sagt, dass 50 Prozent der Masterabschlüsse inzwischen an Frauen gehen. 40 Prozent der Doktortitel gehen an Frauen. Wo sie noch fehlen, ist in MBA-Programmen.

Das klingt schon mal nicht schlecht, oder?

Ja, das muss man sagen. Ich bin eigentlich Anwältin. Als ich angefangen habe zu praktizieren, waren wir 80 Leute in meinem Unternehmen. Sechs davon waren Frauen. Aber es geht ja auch nicht nur darum, dass wir Frauen in der Wirtschaft haben – es geht darum, dass wir Frauen in Spitzenpositionen haben. Auch da haben wir Fortschritte gemacht. Aber zu wenig und zu langsam.

Sie arbeiten in der Ausbildung – muss die sich verändern, um mehr Frauen nach oben zu lassen?

Ich glaube, einer der wichtigsten Hebel für die Gleichberechtigung ist, mehr Frauen an den Universitäten einzustellen. Das würde nämlich auch die Frage der Vorbilder klären. Wenn wir mehr Frauen in Führungspositionen sehen wollen, müssen wir dafür sorgen, dass sie dieses Führen auch lernen. Das wäre mein nächster Punkt. Wir sollten an den Universitäten einen Raum schaffen, in dem Männer und Frauen daran gewöhnt werden, dass es Frauen in Führungspositionen gibt. Wir sollten viel mehr Möglichkeiten für Gruppenarbeiten geben – und diese Gruppen sollten von Frauen und von Männern geführt werden. Dann gewöhnen sich alle bereits in den Universitäten daran, dass es Frauen in Führungspositionen gibt.

Männer an eine neue Realität gewöhnen also?

Auch. Ich sage immer: Frauen brauchen Verbündete. Wir nennen sie Allies.

Befürchten sie nicht, dass viele Männer das eher ablehnen, weil sie Angst um ihren Platz in der Gesellschaft haben?

Wir werden nicht alle Männer überzeugen. Aber wir werden auch nicht alle Frauen überzeugen. Ich verschwende deshalb auch keine Zeit damit, die Unerreichbaren zu erreichen. Ich versuche die Leute, vor allem Männer, da zu packen, wo sie selbst betroffen sind. Haben sie Töchter? Dann wollen die meisten ein gutes Leben und Gleichberechtigung für sie. Wie können sie ihre Frauen unterstützen? Das ist der Weg, den wir gehen müssen. Das ist ein bisschen wie in der Erziehung – wir alle haben Dinge von unseren Eltern gelernt, die gut und schlecht sind. Gute oder richtige Verhaltensweisen können wir vielen langsam beibringen.

Wie kann Gleichberechtigung in einem Business-Kontext gelingen?

Ich denke, das ist eine Frage des wirtschaftlichen Erfolges. Gute Leute werden auf Dauer nicht in schlechten Umfeldern bleiben. Es ist daher im Interesse eines Unternehmens, dass Männer und Frauen eine Umgebung schaffen, in der sie gerne arbeiten. Und dafür können wir die Leute bei ihrem eigenen Ehrgeiz packen.

Wie meinen Sie das?

Fast niemand will seinen Job schlecht machen, oder? Wer in eine Führungsposition kommt, will sie gut ausfüllen – das muss man aber lernen. Darauf sollte sich die Ausbildung daher auch konzentrieren.

Eine Möglichkeit mehr Gleichberechtigung zu schaffen, ist flexibler zu arbeiten. Doch jetzt, da sich die Pandemie vielleicht ihrem Ende nähert, debattieren Firmen darüber, ob Homeoffice-Regelungen wieder abgeschafft werden sollen. Wie passt das zusammen?

Corona hat uns gezeigt, dass Homeoffice in vielen Bereichen kein Problem ist. Wir alle haben von zuhause aus flexibel gearbeitet. Vor der Pandemie hatten die meisten Unternehmen noch gar keine Regelungen dafür. Ich glaube kaum, dass die meisten Unternehmen das wieder zurückdrehen können, weil sich ihre Angestellten daran gewöhnt haben und das auch einfordern. Wer in Zukunft gute Leute finden will, muss sich daran gewöhnen, dass flexibles Arbeiten und Homeoffice wichtige Teile unseres Alltages bleiben werden. Das heißt auch, dass wir uns überlegen sollten, wie wir die Orte, an denen wir uns treffen, nutzen wollen.

Das müssten Sie erklären.

Nehmen wir zum Beispiel die Universitäten. Da muss ich nicht mehr hin, um Dinge auswendig zu lernen oder mir von Professoren erklären zu lassen, wie ich Unterrichtsmaterialien lese. Online- und hybrides Lernen unterstützt den Stoff, der traditionell in Präsenzveranstaltungen vermittelt wurde, aber die Professoren sind natürlich immer noch wichtig, um den Studierenden zu helfen, das Wissen in realen Szenarien anzuwenden. Aber: Der Campus sollte dafür da sein, Gruppenarbeiten zu machen und für den Austausch mit anderen Studierenden.

Gilt das auch fürs Büro?

Natürlich! Büros sind wichtig für den Teamzusammenhalt. Aber ob ich da wirklich hinmuss, um meine alltäglichen Aufgaben zu erledigen? Das würde ich stark bezweifeln.

Sie plädieren also für eine flexible Ausbildung und für flexibles Arbeiten, um mehr Frauen in Spitzenpositionen zu kriegen?

Ja, unbedingt. In der Ausbildung sollten die Leute lernen, dass es ganz normal ist, dass auch Frauen Chefinnen sein können. Wenn wir es dann noch schaffen, Arbeit flexibel zu gestalten – dann schaffen wir auch mehr Gleichberechtigung und dass wir mehr Frauen in Spitzenpositionen bekommen.

Icon1

Kennen Sie schon unseren Newsletter „Die Woche“? Jeden Freitag in ihrem Postfach – wenn Sie wollen. Hier können Sie sich anmelden

Mehr zum Thema

Neueste Artikel