Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeitsbelastungen und privaten Bedürfnissen gewinnt für viele Arbeitnehmer zunehmend an Bedeutung. Immer wieder wird deshalb über flexiblere Arbeitsverhältnisse diskutiert. Doch nicht nur der Job beeinflusst die persönliche Work-Life-Balance, sondern auch die Stadt in der man lebt und arbeitet.
In seiner aktuellen Studie zur Work-Life-Balance in weltweit 40 Metropolen hat das Beratungsunternehmen Kisi rund 20 Kategorien für eine ausgewogenes Verhältnis zwischen Beruflichem und Privaten aufgestellt. Dazu gehören auch Kriterien wie Dauer des Arbeitsweges, Zugang zu Gesundheitsvorsorge, Luftverschmutzung und Freizeitangebot. Aber auch klassische Faktoren wie die Arbeitszeit pro Woche und bezahlte Urlaubstage im Jahr fließen in den Vergleich mit ein.
Eine gute Work-Life-Balance umfasst viele Aspekte
Alle Kriterien verteilen sich dabei auf die drei Oberkategorien „Arbeitsbelastung“, „Soziale Institutionen“ und „Lebensqualität“. Die Erhebung basiert dabei aus statistischen Daten nationaler Regierungen aber auch internationaler Organisationen wie Eurostat, der Weltgesundheitsorganisation, der OECD oder der International Labour Organisation. Aus den Daten leiten sich wiederum Bewertungen auf einer Skala von 1 bis 100 ab. Aus ihnen wird schließlich ein Index für die Gesamtbewertung zwischen 1 und 100 Punkten gebildet.
Ziel der Studie ist es laut Kisi zu ermitteln, welche Städte eine gute Work-Life-Balance am besten fördern. Dabei zeigt sich: Eine besonders starke Leistung in einzelnen Bereichen reicht für eine gute Bewertung nicht aus. Stattdessen ist eine gute Leistung in allen Oberkategorien nötig.
Die Spitzenreiter des Rankings hat Capital bereits vorgestellt. Unter die Top Ten haben es neben vielen europäischen Metropolen dabei auch drei deutsche Städte geschafft. Die zehn Besten konnten dabei vor allem durch ein großes Kultur- und Freizeitangebot, saubere Luft und einen geringen Stresslevel punkten. Dieses Ranking schaut sich allerdings noch einmal die Schlusslichter der Studie an:
Diese Metropolen haben die schlechtes Work-Life-Balance
Diese Städte haben die schlechteste Work-Life-Balance
Gleich fünf amerikanische Städte haben es unter die zehn Schlusslichter in Sachen Work-Life-Balance geschafft. Philadelphia liegt mit einem Gesamtwert von 37, 2 Punkten immerhin auf Platz zehn: Im Schnitt herrscht hier eine 42-Stunden-Woche, für 15 Prozent der Arbeitnehmer sind es sogar mindestens 48 Arbeitsstunden pro Woche. Gesetzliche Urlaubstage gibt es gerade einmal zehn – und genau so viel nehmen die Arbeitnehmer in etwa auch in Anspruch. Elternzeit gibt es in Philadelphia und den anderen US-Städten übrigens nicht – hier stehen im Ranking deshalb null Tage.
Rund 44,6 Stunden verbringen Beschäftigte in Singapur jede Woche auf der Arbeit, für 23 Prozent – also für mehr als jeden fünften Arbeitnehmer – ist eine 48-Stunden-Woche völlig normal. Das ist der höchste Anteil des gesamten Rankings. Gleichzeitig gibt es in Singapur die wenigsten bezahlten Urlaubstage. Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeitern gerade einmal eine Woche an. Auch der Weg zur Arbeit ist mit 44,5 Minuten einer der längsten. Immerhin die Bewohner fühlen sich in ihrer Stadt am sichersten, hier gibt es für Singapur die volle Punktzahl. Das gilt auch für die Größe und Anzahl an Parks. Mit einem Gesamtwert von 36.36 Punkten landet Singapur deshalb auf Platz neun.
Strand, Sonne und blaues Meer sind eigentlich die idealen Voraussetzungen für eine gute Work-Life-Balance. Miami erzielt trotz dieser Eigenschaften nur 35,98 Punkte und ist damit eines der Schlusslichter im Gesamtranking. Denn genauso wie in Philadelphia sind die Arbeitszeiten mit 42 Stunden pro Woche im internationalen Vergleich hoch, die bezahlten Urlaubstage mit zehn Tagen dagegen gering. Bei der Größe und Anzahl von Parks und öffentlichen Plätzen liegt Miami gerade einmal im Mittelfeld. Mit 5,8 Mikrogramm pro Kubikmeter hat die Stadt dafür aber die drittniedrigsten Feinstaubwerte und auch die Zufriedenheit der Bewohner ist mit 91,9 Punkten gar nicht mal so schlecht.
Nach einem stressigen Arbeitstag ist die Freizeit vielen Arbeitnehmern besonders heilig. In Cleveland sieht es in Sachen Kultur und Freizeit dagegen schlecht aus: Mit 52 Punkten hat die US-Stadt das schlechteste Angebot im ganzen Ranking. Stattdessen bietet Cleveland jede Menge Stressfaktoren – und erreicht damit den zweithöchsten Stresslevel im ganzen Ranking. Immerhin, mit 41, 8 Stunden pro Woche arbeiten Beschäftigte weniger als in den anderen US-Städten der schlechtesten Zehn. Im Gesamtvergleich hat Cleveland mit 22,2 Minuten außerdem den kürzesten Arbeitsweg.
Bei einem Ranking der Metropolen mit den höchsten Feinstaubwerten, hätte Hongkong den ersten Platz sicher: Pro Kubikmeter werden hier 29 Mikrogramm Feinstaub gemessen – das ist mehr als viermal so viel wie beim Spitzenreiter des Rankings. Auch die Arbeitsbelastung ist eine der höchsten: Eine durchschnittliche Arbeitswoche hat 44 Stunden, wobei jeder fünfte Beschäftigte mindestens 48 Stunden pro Woche arbeitet. Die bezahlten Urlaubstage von einer Woche sind dagegen zusammen mit Singapur die niedrigsten im gesamten Ranking. In der Kategorie Parks und öffentliche Plätze zählt Hongkong dagegen zu den drei Spitzenreitern. Insgesamt reicht es mit 32,56 Punkten für Platz sechs.
„Houston, wir haben ein Problem“, sagte Schauspieler Tom Hanks im Kult-Film „Apollo 13“. Zwar hat das Filmzitat nichts mit den Arbeits- und Lebensumständen der Stadt zu tun, zur Work-Life-Balance der Stadt passt er aber trotzdem: Im Vergleich zu den anderen US-Städten der schlechtesten Zehn leisten die Beschäftigten in Houston die meisten Arbeitsstunden – fast 44 pro Woche. 15 Prozent von ihnen arbeiten außerdem mindestens 48 Stunden – ebenfalls der höchste Anteil der fünf US-Städte in diesem Ranking. Insgesamt landet Houston mit 31,52 Punkten auf Platz fünf.
Von allen US-Städten dieses Rankings schneidet Atlanta mit 30,93 Punkten am schlechtesten ab. Arbeitnehmer brauchen hier rund 31,7 Minuten ins Büro. Auch der Zugang zur Gesundheitsvorsorge ist im Vergleich zu den anderen vier Städten mit 54,5 Punkten der niedrigste. Gleiches gilt auch für die Anzahl und Größe öffentlicher Parks und Plätze mit 46,6 Punkten. Die Stressfaktoren der Stadt sind dagegen mit 57,3 deutlich geringer – und sogar die zweitniedrigsten unter den Schlusslichtern der Studie.
Auf Platz drei der Städte mit der schlechtesten Work-Life-Balance landet Argentiniens Hauptstadt mit 24,81 Punkten – und das nicht ohne Grund: Der Zugang zu Gesundheitsvorsorge ist mit 8,2 Punkten der schlechteste der gesamten Studie. Auch der Stresslevel der Stadt ist der dritthöchste im gesamten Ranking. Außerdem fühlen sich die Bewohner von Buenos Aires im Vergleich zu allen anderen untersuchten Städten am unsichersten. Anders als in den US-Städten gibt es dafür immerhin 98 Tage bezahlte Elternzeit. Außerdem stehen Arbeitnehmern rund 14 Tage bezahlter Urlaub zu – der höchste Wert unter den Schlusslichtern des Rankings.
Wenn es um Freizeit- und Kulturangebote und um Wellness- und Fitnessangebote geht, erzielt Japans Hauptstadt Spitzenwerte. Nur eine Stadt ist in beiden Kategorien noch besser aufgestellt. Die Arbeitsbelastungen in Tokio können diese Bereiche allerdings kaum auffangen: Rund 51 Minuten dauert der durchschnittliche Arbeitsweg ins Büro und ist damit der längste im ganzen Ranking. Jeder fünfte Arbeitnehmer schuftet zudem mehr als 48 Stunden pro Woche, bezahlte Urlaubstage gibt es dagegen nur zehn pro Jahr. Auch in Sachen Geschlechtergerechtigkeit gibt es noch Nachholbedarf, mit 64,1 Punkten landet Tokio hier auf dem letzten Platz. Im Gesamtranking gibt es dagegen Platz zwei mit 23,83 Punkten.
Die mit Abstand schlechteste Work-Life-Balance hat Kuala Lumpur mit gerade einmal einem Punkt: Die meisten Arbeitsstunden werden in der malaysischen Hauptstadt geleistet, 22 Prozent aller Beschäftigten arbeiten sogar mehr als 48 Stunden pro Woche. Auch das Wellness- und Fitnessangebot ist das schlechteste aller Metropolen, gleiches gilt für die Größe und Anzahl öffentlicher Parks und den Zugang zu physischer Gesundheitsvorsorge. Das macht sich auch an der Stimmung der Bewohner bemerkbar: Mit 77,3 Punkten hat Kuala Lumpur die niedrigste Zufriedenheit im gesamten Ranking.