Daniel Zimmermann wurde 2009 mit 27 Jahren zum jüngsten Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen gewählt. Mittlerweile ist er 35 Jahre alt und befindet sich in der zweiten Amtszeit als Stadtoberhaupt von Monheim am Rhein. Zuvor studierte er Französisch und Physik fürs Lehramt. Daniel Zimmermann ist Mitglied der Capital Jungen Elite.
Herr Zimmermann, sind junge Menschen die besseren Politiker? Ich denke nicht, dass die Qualität eines Politikers etwas mit dem Alter zu tun hat, aber junge Leute haben auf jeden Fall meistens ein sehr hohes Maß an Veränderungsbereitschaft. Und es ist natürlich wünschenswert, dass alle Altersgruppen in der Politik vertreten sind. Deshalb haben Sie 1998 mit einer Gruppe von Mitschülern eine eigene Partei gegründet – PETO, was Latein ist für „Ich fordere“. Das war damals aus Spaß heraus. Wir dachten: Wenn wir jetzt schon in den Kommunalwahlen wählen dürfen, dann doch am liebsten uns selbst. War es immer Ihr Wunsch, in die Politik zu gehen? Nein, ich wollte nie Politiker werden. Jetzt kann ich mir keinen schöneren Job mehr vorstellen. Meine Arbeit kommt mir gar nicht wie Politik vor. Kommunalpolitik ist ja nicht so sehr mit Grundsatzfragen beschäftigt, sondern sehr lösungsorientiert.
Als Sie neu antraten mit PETO – was war Ihr Wahlprogramm? Wir haben uns mehr oder weniger aus allen Wahlprogrammen die für uns relevantesten Punkte zusammengetragen. Wir haben den Wählern eine Stadt versprochen, in der wir selbst gerne leben wollten. Am wichtigsten war uns, Monheim kinder- und familienfreundlicher zu machen – zum Beispiel durch mehr Betreuungsplätze und schönere Spielplätze. Im klassischen Parteiensystem ist PETO nicht zu verorten. Wie konnten Sie die Wähler trotzdem überzeugen? Ich denke unsere Verbundenheit zur Stadt hat eine große Rolle gespielt. Viele sagten uns, dass man merkt, dass uns die Stadt am Herzen liegt. Unser Wahlprogramm war geprägt von unseren Werten und Vorstellungen. Außerdem war niemand von uns Berufspolitiker. Unsere Leben drehen sich bis heute auch um andere Dinge. Dadurch sind wir viel unabhängiger als die meisten anderen Politiker.
2009 konnten Sie die Wähler überzeugen und wurden zum jüngsten Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen gewählt. Plötzlich waren Sie Oberhaupt einer Stadt mit rund 43.000 Einwohnern, zuvor waren sie fünf Jahre im Stadtrat, sonst aber ohne politische Erfahrung. Welchen Herausforderungen mussten Sie sich stellen? Durch die Zeit als Stadtratsmitglied habe ich schon einen guten Einblick in die Kompetenzen und Befugnisse eines Bürgermeisters bekommen. Für Fachbereiche hatte ich zum Glück kompetente Mitarbeiter als Experten. Das wichtigste, was ich lernen, beziehungsweise ausbauen musste, waren die kommunikativen Fähigkeiten – wie bringt man die richtigen Leute für ein Projekt zusammen, wie überzeugt man, welchen Ansprechpartner kontaktiert man zu welchem Zeitpunkt. Meine pädagogische Vorbildung war da schon ganz hilfreich. Und wie waren die Reaktionen der Älteren auf einen so jungen Bürgermeister? In der Stadtverwaltung wurde ich von Anfang an mit offenen Armen empfangen. Im Stadtrat gibt es bis heute Mitglieder – verschiedener Parteien – die sich gegenüber den Jüngeren arrogant verhalten. Als Ende 60-jähriger Parteivorsitzender möchte man sich ungern vom Anfang 30-jährigen Kollegen Parteipolitik erklären lassen. Wie gehen Sie damit um? Man darf das nicht persönlich nehmen, sich vor allem nicht provozieren lassen, immer wieder die Sachebene betonen – und muss auch die ein oder andere Bemerkung überhören können. Ist fehlende Wertschätzung ein Problem junger Menschen in Parteien? Es gibt sicher einige Ortsvereine, die neuen Mitgliedern keine Chance geben – da spielt oft nicht einmal unbedingt das Alter eine Rolle, sondern eher die Dauer der Mitgliedschaft. Das hat mit der Bereitschaft für Neues zu tun. Man muss neue Impulse zulassen, wenn man langfristig erfolgreich sein will. Auch für erfahrene Politiker setzt sich der Erfolg nur fort, wenn man Andere teilhaben lässt und sich mit kompetenten Menschen umgibt.
Demokratie kann nur bestehen, wenn Viele mitmachen
Können sich junge Generationen nur politisch einbringen indem sie eigene Parteien gründen? Man kann sich auch in bestehenden Parteien einbringen. Das sollte man einfach ausprobieren – schließlich sind die Parteien auf neue Mitglieder angewiesen. Man kann sich aber auch übers Internet engagieren, zum Beispiel Petitionen starten oder sich mit Personen zu bestimmten Themen vernetzen. Wichtig ist, dass man sich beteiligt. Demokratie kann langfristig nur bestehen, wenn möglichst viele Menschen verschiedenen Alters mitmachen. Sie sagten, Sie selbst wollen nicht immer in der Politik bleiben. Wie sieht die Zukunft für Sie aus? Erst mal bin ich ja noch Bürgermeister. Danach wird sich schon was finden. Eine andere Partei als PETO kommt für mich jedenfalls nicht infrage.
Lese Sie weitere Interviews mit den Mitgliedern der Jungen Elite: Lisa Jaspers, Anne Kjaer Riechert, Helen Yuanyuan Cao, Esra Küçük, Maike Becker-Krüger
Seit 2007 sucht Capital für das Projekt „Junge Elite“ in ganz Deutschland nach Talenten wie Anna Herrhausen und kürt alljährlich die „Top 40 unter 40“ in den vier Kategorien „Unternehmer“, „Manager“, „Politik“ sowie „Staat und Gesellschaft“. Alle sind jünger als 40 Jahre, haben beachtliche Erfolge vorzuweisen und noch viel Potenzial. Einige sind schon an der Spitze, andere noch auf dem Sprung dorthin; manche machen durch bahnbrechende Ideen und Start-ups auf sich aufmerksam, andere gehen den Weg durch Konzerne und Institutionen.