Capital: Herr Skopec, Sie sind mehrfacher Gründer und beraten heute auch Unternehmen. Was haben Sie im BSW zu suchen?
OLIVER SKOPEC: Es gibt eine Reihe von Gründen für die Partei. Ich persönlich habe einfach das Gefühl, dass Sahra Wagenknecht als Politikerin das Herz am richtigen Fleck hat. Ich habe sie zu Unizeiten schon als Makroökonomin wahrgenommen, mit einer guten Mischung aus analytischer Kompetenz und Empathie und Gerechtigkeitsempfinden.
Moment, Sie haben sie als Makroökonomin wahrgenommen?
Ja, und man konnte da auch beobachten, dass sie sich dem in einzelnen Schulen verhafteten makroökonomischen Denken nicht einfach fügt, sondern auch hier ein Challenger war, jemand, der den Status quo konstruktiv und kritisch in Frage gestellt hat.
Die Beschreibung „konstruktiv“ würde Frau Wagenknechts Ex-Kollegen aus der Linksfraktion im Bundestag wahrscheinlich eher nicht zu ihr einfallen.
Mir aber schon. Ich bin zwar kein politikerfahrener Typ, aber ich glaube schon, dass Klappern zum Geschäft gehört, gerade aus einer Oppositionsrolle heraus. Für konstruktives Arbeiten braucht es die Bereitschaft, Sachen in Frage zu stellen und die Betroffenen zu verstehen. In einem Start-up würde man das User Research nennen: zu verstehen, welche Probleme wen betreffen.
Was ist das Hauptproblem, das das BSW adressiert?
Wie viele Menschen in Deutschland mache ich mir große Sorgen, was wir für einen vermeintlichen Rechtsruck erleben.
Wieso vermeintlich?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Zulauf, den die AfD erfährt, seine Wurzeln nicht darin hat, dass ein Großteil unserer Gesellschaft auf einmal so denkt wie das Führungspersonal der AfD. Die Menschen sehen sich anderswo nicht mehr repräsentiert, spüren Frust und Alternativlosigkeit. Das BSW ist da ein konsequent linker Gegenentwurf, eine wirksame Möglichkeit, dem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen. Und wenn es nur das wäre, wäre es jedes Engagement wert.
Mit welchen Inhalten würden Sie der AfD das Wasser abgraben?
Aus meiner Perspektive als Unternehmer und Gründer würde ich sagen, dass es uns um eine breite soziale Stabilität geht, um Gerechtigkeit und das Gefühl, nicht abgehängt und verloren zu sein. Das ist übrigens auch essenziell, um innovativ sein und gründen zu können. In Deutschland ein Unternehmen zu starten ist ein sehr riskantes Unterfangen, da muss man häufig die eigene Existenz oder gar die der Familie aufs Spiel setzen. Das schreckt ab.
Aber gibt es da wirklich einen Zusammenhang? Die Statistiken zeigen doch eher, dass die Menschen gerne in ihren Anstellungsverhältnissen bleiben, wenn es ihnen wirtschaftlich gut geht. Die Gründungsquoten steigen eher in Krisenzeiten.
Ich glaube, das lässt sich eher auf manche persönliche Alternativlosigkeit zurückführen, die es in Krisenzeiten gibt. Grundsätzlich ist Gründen in Deutschland so unattraktiv wie an kaum einem anderen Ort. Das mag an teilweise sicheren Angestelltenjobs liegen – aber sicher auch an den bürokratischen Pflichten und den persönlichen Haftungsrisiken, die wir jungen Gründern zumuten. Vieles davon wäre überhaupt nicht nötig, sondern könnte auch erst nach zwei, drei Jahren anlaufen. Und zudem sollten Gründungen besser gefördert werden.
Wie denn?
Es gibt schon gute Förderprogramme, aber die Bewerbungs- und Auswahlprozesse sind oft sehr langwierig und zäh. Ich glaube, wir vertrauen den Empfängern zu wenig. Gleichzeitig gehen Fördergelder und auch Risikokapital zu häufig nur an Menschen aus bestimmten bessergestellten sozialen Milieus.
Also spezifischer fördern? Aber das hieße dann doch wieder zusätzliche Regeln, mehr Bürokratie…
Nein, wir sollten breiter fördern, auch auf die Gefahr hin, dass solche Gründer Geld bekommen, die es vielleicht nicht so nötig gehabt hätten. So viel Zutrauen sollten wir aber haben – und es wäre ein echter Schritt zur Entbürokratisierung.
Gründer fördern, Bürokratie abbauen, auch der Kampf gegen die AfD – all das schreiben sich doch auch Grüne, SPD, FDP oder die Union seit Jahren auf die Fahnen. Was wollen Sie wirklich anders machen?
Die etablierten, größeren Parteien haben an so vielen Stellen Vertrauen verspielt, ihnen fehlt die Glaubwürdigkeit. Und sie schleppen unheimlich viel Ballast mit, haben offene Rechnungen, existierende Gefälligkeiten. Nochmal eine Start-up-Analogie: Wenn ich eine tolle Idee habe, setze ich die doch eher in einer jungen Firma um als in einem großen Konzern, weil ich da einen viel größeren Hebel habe und einen Unterschied machen kann.
Aber für welche Inhalte?
Ich bin aufgewachsen, als noch ein absolutes Aufstiegsversprechen galt, heute müssen gerade junge Familien sich fragen, ob sie sich zwei Urlaube pro Jahr leisten können. Gehen Sie in Berlin mal durch einen Park, da sind ehrwürdige Rentner unterwegs, die das Pfandflaschen sammeln für sich als Spaziergang verbuchen, weil es für sie sonst nicht zum Leben reicht. Dass wir niemanden einfach so links liegen lassen, ist eigentlich vor allem eine Frage von guter Politik und guter Organisation. Denn es geht Deutschland insgesamt noch gut genug: Riesengroße Vermögen wachsen jedes Jahr und wir diskutieren immense Ausgaben für militärische Mittel. Ich rede nicht darüber, Nachfolge im Mittelstand zu drangsalieren, aber wir brauchen eine Lösung für die Erbschaftsteuer. Und wir müssen Big Tech besser besteuern.
Und dieses bessere soziale Netz würde dann auch gegen die AfD helfen? Ist es nicht ihre harte Haltung zur Flüchtlings- und Einwanderungspolitik, die Wähler anzieht?
Mit dem Thema setzen sich doch inzwischen fast alle Parteien kritisch auseinander. Für viele Leute ist es spürbar, dass die Integrationsarbeit seit 2015 schlecht gelaufen ist, auch weil dafür Mittel gefehlt haben. Aber das sind keine wirklich tief sitzenden Ressentiments gegenüber Migranten, die die Leute zur AfD treiben, sondern einfach die eigenen Sorgen. Was es braucht, wäre ein weitsichtiger Plan anstatt ständig nur zu reagieren.
Einer Bundesregierung bleibt aber häufig nicht viel anderes übrig als auf sich verändernde Weltlagen zu reagieren – das gilt auch für die steigenden Verteidigungsausgaben, die Sie schon angesprochen haben und die Russlands Einfall in der Ukraine geschuldet sind.
Um das klar zu sagen: Ich bin niemand, der der naiven Vorstellung anhängt, man könnte mal eben einfach so mit dem Kreml verhandeln. Aber ich finde schon, dass man das Ausmaß, die Länge und die vermeintliche Alternativlosigkeit, mit der wir uns da militärisch engagieren, infrage stellen kann. Dieser Krieg kostet jeden Tag Menschenleben und das gilt es um jeden Preis zu vermeiden. Aber ich bin mit Sicherheit kein Experte in internationalen Beziehungen, das ist meine ganz persönliche Haltung.
Als Sie auf Linkedin vor kurzem Ihr Engagement im BSW bekanntgegeben haben, gab es gerade wegen der Haltung zu Russland sehr kritische Reaktionen. Was für Rückmeldungen haben Sie sonst bekommen?
Tatsächlich sehr unterschiedliche. Wenig überraschend haben die überzeugten Turbokapitalisten aus den großen VC-Fonds mich gefragt: Um Gottes Willen, was ist denn da los? Umgekehrt habe ich von überraschend vielen Gründern ein sehr neugieriges, positives Feedback bekommen: Super, dass du das machst. Und ich hoffe, dass sich vielleicht noch ein paar mehr Menschen ermutigt fühlen, sich zu engagieren – egal auf welcher Ebene, parteilich oder nicht parteilich.
Haben Sie sich in der Vergangenheit schon einmal politisch engagiert?
Nicht seit Schulzeiten. Ich habe während der vergangenen Jahre immer mal wieder mit den unterschiedlichsten großen Parteien sympathisiert und es gibt auch heute noch viele Überlappungen zu anderen Parteien. Am Ende waren es das Menschenbild und die pragmatische und lösungsorientierte Haltung des BSW, die mich überzeugt haben.
Hegen Sie Ambitionen, was eine politische Karriere angeht?
Nein, im Moment nicht. Ich werde mich im Brandenburger Landesverband engagieren, dort bin ich mit meinen Kindern zuhause.