Thomas Redling (Name v. d. Red. geändert) hat sich überreden lassen. Vor zwei Jahren stand der 29-Jährige in der Filiale seiner Bank im niedersächsischen Emsland. Ursprünglich wollte Redling nur einen Fondssparplan und eine Riester-Rente abschließen – doch als er die Bank eine Stunde später wieder verließ, hatte er nicht nur einen Sparplan und eine Riester-Rente gekauft, sondern gleich auch einen Bausparvertrag.
Seine Beraterin hatte Redling gesagt, dass die Zinsen ja wieder steigen werden. Da sei es doch klug, einen Bausparvertrag abzuschließen, denn damit könne er sich schon heute die Zinsen für ein Darlehen sichern, das er erst in fünf, zehn oder 15 Jahren brauche – wenn die Zinsen vielleicht deutlich höher liegen. „Für mich war das einfach schlüssig“, sagt Redling. Schließlich will er in einigen Jahren raus aus der Mietwohnung – und mit seiner Freundin rein ins Eigenheim.
Hinterfragt hat der Ingenieur die Sache mit dem Bausparvertrag nicht. Warum auch? „So viele Leute haben einen Bausparvertrag, dann kann er doch nicht so falsch sein“, sagt er.
Die Macht der Disziplin
Eine eigene Immobilie, das ist für viele nicht nur der viel beschworene Traum von den eigenen vier Wänden, in denen kein Vermieter nervt. Es ist für die allermeisten Menschen auch der wichtigste Weg, oftmals sogar der einzige, um Vermögen aufzubauen.
Dafür gibt es einen ziemlich einfachen Grund, der so gar nichts mit persönlichen Wohnträumen zu tun hat: „Haus- oder Wohnungskauf disziplinieren“, sagt Tobias Just, Immobilienökonom an der Universität Regensburg. Wer die eigenen vier Wände abbezahlen muss, der muss sein Geld zusammenhalten. Der tilgt lieber den Kredit, als das Geld für einen Vier-Tage-Trip nach New York auf den Kopf zu hauen. Studien zeigen: Immobilienbesitzer verfügen im Alter – bei gleichem Einkommen – über ein vielfach höheres Vermögen als Mieter. Hinzu kommt: Eigentümer profitieren nicht nur vom möglichen Wertzuwachs ihrer Immobilie, sondern ebenfalls von geringeren Ausgaben im Alter: „Der Immobilienkauf ist auch lohnenswert, weil die Besitzer einmal mietfrei wohnen werden und gerade im Rentenalter mehr Geld übrig haben als Mieter“, sagt Just.
So hat das Immobilienforschungsinstitut Empirica ausgerechnet: Ein Rentnerhaushalt in einer abbezahlten Immobilie muss im Schnitt bis zu 300 Euro monatlich weniger fürs Wohnen ausgeben als der eines Mieters. Obendrein plagt Eigentümer im Alter keine Angst vor Mieterhöhungen.
Der Schrecken der Preise
Das Problem ist nur: Gerade in den Ballungsräumen haben die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren dramatisch angezogen. In Düsseldorf etwa sind die Preise für Bestandswohnungen in fünf Jahren um 50 Prozent gestiegen, in Leipzig gar um 110 Prozent, zeigen Daten des Immobilieninstituts iib Dr. Hettenbach, mit dem Capital seit vielen Jahren zusammenarbeitet. In München, der teuersten Stadt Deutschlands, kostet ein Quadratmeter Wohnraum im Schnitt mittlerweile gut 6300 Euro – im Schnitt! „Wer eines Tages, in fünf, zehn oder 15 Jahren, eine Immobilie kaufen will, der sollte möglichst früh anfangen, Geld dafür zurückzulegen“, rät Just daher.
Denn je mehr Eigenkapital die Käufer mitbringen, desto besser die Konditionen, die sie später mit den Banken aushandeln können – und desto erschwinglicher das Haus oder die Wohnung. Die Frage ist bloß: Wie sparen potenzielle Häuslebauer am besten?
Natürlich kommt vielen Sparern wie Thomas Redling da zuerst ein Bausparvertrag in den Sinn, was schon im Namen begründet liegt: Man spart ja schließlich fürs Bauen und erhält währenddessen auch noch Zinsen. Und sobald die künftigen Bauherren eine vorher vereinbarte Summe erspart und eine Immobilie gefunden haben, gibt die Bausparkasse ein Darlehen dazu – so jedenfalls die Theorie.
Zwar hat der Ruf der Bausparkassen in den vergangenen Jahren deutlich gelitten, was sich auch in Daten spiegelt: So ist die Zahl der neu abgeschlossenen Verträge von klar mehr als drei Millionen pro Jahr zuletzt auf gerade noch zwei Millionen gesunken.
Doch die Anbieter, die seit Jahren bei neuen Verträgen praktisch keine Zinsen mehr zahlen und langjährige Kunden mit höher verzinsten Altverträgen hinausdrängen, verspüren neuerdings Rückenwind.Schließlich könnten bald die Zinsen wieder steigen. „Wenn es je einen Sinn ergab, sich gegen steigende Zinsen abzusichern, dann jetzt. Der Boden bei den Zinsen ist erreicht“, warnt etwa Reinhard Klein, Chef von Schwäbisch Hall.
Die Zinswende zieht am Schalter
Allerdings fällt die Zinswende vorläufig wohl aus. Bisher haben die Zinsen vor allem in den USA angezogen, der Leitzins der US-Notenbank liegt bei 1,5 Prozent und mehr. Die Eurozone aber hinkt weit hinterher. Es könnte durchaus sein, dass die Zinsen auch in Europa in den nächsten zwei bis drei Jahren etwas steigen – aber im nächsten Abschwung in drei oder fünf Jahren schon wieder sinken. So sicher, wie Bausparkassen und ihre Berater behaupten, ist der Zinsanstieg also keineswegs. „Bausparverträge sind auch nur ein spekulatives Produkt“, mahnt daher Max Herbst, Chef der Frankfurter Finanzberatung FMH.
Und selbst wenn die Zinsen kontinuierlich steigen sollten, muss das nicht bedeuten, dass ein Bausparvertrag billiger ist als ein normaler Immobilienkredit . FMH-Chef Herbst hat das für Capital durchgerechnet: Ein Ehepaar mit einem Haushaltsnettoeinkommen von 5000 Euro im Monat möchte in zehn Jahren ein Haus für 500.000 Euro kaufen. 100.000 Euro wird das Paar von den Eltern als Erbvorschuss erhalten, bleiben 400.000 Euro offen.
Im ersten Fall schließen die Eheleute heute einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von 200.000 Euro ab. Von diesen 200.000 Euro müssen sie über zehn Jahre 80.000 Euro selbst ansparen, wobei die Bausparkasse ihr zurückgelegtes Geld mit den derzeit üblichen 0,1 Prozent verzinst. Die übrigen 120.000 Euro erhalten sie als Darlehen von der Bausparkasse, dafür müssen sie 2,45 Prozent Zinsen zahlen, was grob dem heutigen Schnitt für ein Bauspardarlehen entspricht.
Dass das Paar einen noch größeren Bausparvertrag abschließt, wäre unsinnig. Denn in der Regel müssen Bauspardarlehen innerhalb von zehn bis 15 Jahren zurückbezahlt werden, bedeutet: „Die monatliche Rate ist ohnehin recht hoch und wird mit zunehmendem Volumen des Vertrags für viele unerschwinglich“, sagt Herbst.
Das Paar braucht also einen zusätzlichen Immobilienkredit von 200.000 Euro von der Bank, um das Haus zu finanzieren. Ein solches Annuitätendarlehen kostet in zehn Jahren – Zinsanstieg! – drei Prozent Zinsen. Damit wäre das Darlehen bei zehnjähriger Zinsbindung immerhin etwa doppelt so teuer wie derzeit.
Zum Vergleich hat Herbst eine zweite Finanzierung ohne Bausparvertrag durchgerechnet: Hier spart das Ehepaar zehn Jahre lang monatlich 650 Euro und erhält dafür im Schnitt – Zinsanstieg! – ein Prozent Zinsen. So kommen rund 85.000 Euro Rücklagen zusammen. Um das Haus kaufen zu können, müssen sie noch gut 315.000 Euro als Kredit aufnehmen, wieder bei drei Prozent Zinsen.
Nun das Ergebnis: Beim Bankkredit zahlt das Paar circa 410.000 Euro inklusive Zinsen, bei der Kombination aus Bausparvertrag und Bankkredit sind es gut 418.000 Euro – trotz der niedrigeren Zinsen im Bausparvertrag. „Zumindest eine Zeit lang muss das Ehepaar zwei Zinssätze zahlen, das führt zu Zusatzkosten im Vergleich zum reinen Bankkredit“, sagt Herbst.
Bausparverträge sind unflexibel
Sollte ein gewöhnlicher Hauskredit bei einer Bank in zehn Jahren gar vier Prozent Zinsen kosten, wäre die Kombination aus Bausparvertrag und Bankkredit zwar gut 700 Euro günstiger. Doch auch dieser kleine Vorteil kann schnell verloren gehen.
In Wahrheit ist der Bausparvertrag, der einfach und risikolos klingt, ein komplexes Produkt. „Es ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden“, sagt Annabel Oelmann, Vorstand der Verbraucherzentrale Bremen. Das Problem ist: „Ein Bausparvertrag ist extrem unflexibel“, sagt Oelmann. Das Bauspardarlehen erhalten Immobilienkäufer nur, wenn sie einen gewissen Prozentsatz der Bausparsumme nach etwa zehn Jahren erspart haben. Aber was ist, wenn das Paar bereits nach sieben Jahren vor seinem Traumhaus steht?
Die nötige Sparsumme wäre nicht beisammen, ein teurer Kredit müsste her, um die Zeit bis zum Bauspardarlehen zu überbrücken. Oder sie verzichten auf das Darlehen, hätten dann aber wegen der hohen Abschlussgebühren (in der Regel ein Prozent der Bausparsumme) Verlust gemacht.
Probleme können sogar auftauchen, wenn Bausparer ihren Immobilienkauf genau auf die Vertragslaufzeit abgestimmt haben. Denn die Auszahlung des Darlehens hängt auch davon ab, ob die Bausparkasse überhaupt genügend Geld hat. Klingt merkwürdig und unwahrscheinlich, kam aber schon vor: In den 1980ern mussten Bausparer teils mehrere Jahre warten, bis sie an ihr Geld kamen. So ein Engpass kann dann auftreten, wenn viele Bausparer ihren Kredit zur gleichen Zeit haben wollen – und nicht genügend Sparergeld reinkommt, um die Darlehen zu finanzieren.
Zwar sagt Alexander Nothaft, Sprecher des Verbands der Privaten Bausparkassen: „Derzeit und auf absehbare Zeit erwarten wir hier überhaupt keine Probleme!“ Schließlich existiert auch ein Notfallfonds für Kassen, die in Bedrängnis geraten. Allerdings lässt sich der auch flott plündern. Mitte 2017 kam heraus, dass die Kassen ihrem Notfallfonds wegen der niedrigen Zinsen innerhalb von zwei Jahren bereits 1,1 Mrd. Euro entnommen hatten, fast 50 Prozent der Gesamtsumme. Zu guter Letzt weigern sich manche Banken, eine Immobilie mit Bausparkassen zu finanzieren. „Es kann vorkommen, dass Banken Darlehen gewisser Bausparkassen nicht akzeptieren“, sagt der Hamburger Verbraucherschützer Alexander Krolzik. Denn am liebsten machen Banken das Geschäft allein.
Tagesgeld oder Sparpläne
Wer also wie Ingenieur Redling Geld für einen Hauskauf sparen will, sollte andere Möglichkeiten suchen – und kann bei simplen Bankprodukten fündig werden: bei Tagesgeldkonten und Sparplänen. Der Vorteil dieser Produkte: „Sie sind deutlich flexibler als ein Bausparvertrag, zudem entstehen Verbrauchern keine Kosten, weil es keine Abschlussgebühren gibt“, sagt Krolzik.
Obendrein können Sparer bei diesen Produkten von steigenden Zinsen profitieren, da die Zinssätze oft variabel sind. Flexible Sparpläne bieten beispielsweise einige Sparda-Banken und PSD-Geldhäuser. „Ob ein Sparplan oder Tagesgeld besser ist, hängt davon ab, wie gut sich Sparer disziplinieren können“, sagt der Bremer Verbraucherschützer Hartmut Schwarz.
Bei einem Tagesgeldkonto gehen Verbraucher keine Verpflichtung gegenüber der Bank ein. Das ist einerseits gut, kann sich aber auch als Risiko erweisen – nämlich dann, wenn andere Dinge plötzlich wichtiger erscheinen, ein Urlaub etwa oder ein neues Auto. Dann ist die Rücklage für die Immobilie schnell weg.
Bei einem Sparplan ist das anders, Verbraucher vereinbaren mit der Bank eine monatliche Sparrate. Wer sich selbst also schwer disziplinieren kann, wird hier zum Zurücklegen genötigt. Obendrein lässt sich der Sparplan nicht mal eben plündern, in der Regel können Verbraucher ihn nur mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten auflösen.
Weniger geeignet sind dagegen Fondssparpläne, mit denen Sparer regelmäßig Geld in einen Fonds einzahlen. Das Problem: Wenn die Börsen abstürzen, Sparer aber just in diesem Moment eine Immobilie erwerben möchten, drohen ihnen bittere Verluste – und ihnen steht weniger Geld für den Hauskauf zur Verfügung, als sie angespart hatten. Wenn Sparer die Börsenkrise wiederum aussitzen wollen, können sie das Geld für ihre Traumimmobilie nicht nutzen – und müssen weitersuchen.
Erbvorschuss früh klären
Zusätzlich sollten Immobilienkäufer einmal in der Familie besprechen, ob sie nicht auch auf andere Rücklagen zurückgreifen können – etwa in Form eines Erbvorschusses. „Aus steuerlicher Sicht ist es klug, sich möglichst frühzeitig um eine solche Schenkung zu kümmern“, sagt Carl-Josef Husken, Partner und Steuerberater beim Wirtschaftsprüfer EY. Dann können Sparer den Freibetrag für Schenkungen und Erbschaften ausschöpfen. So sind Schenkungen und Erbschaften von Eltern an ihre Kinder bis zu 400.000 Euro je Elternteil einmal in zehn Jahren steuerfrei.
Schenker und Beschenkte sollten den Vorschuss in einem Vertrag festhalten. Zum einen dient dieser als Beleg über die Schenkung. Zum anderen kann der Schenker im Vertrag festhalten, für was das Geld gedacht ist. So ein vertraglich festgelegter Verwendungszweck gibt den Kindern die Sicherheit, sich nicht mit den Eltern darüber streiten zu müssen, wofür sie das Geld ausgeben – und den Eltern das Recht, den Vorschuss zurückzufordern, sollten die Kinder diesen anders als abgemacht ausgeben.
Thomas Redling hat sich inzwischen intensiver mit seinem Bausparvertrag auseinandergesetzt. Noch mal würde er keinen abschließen, sagt er. Auch für ein Haus, von dem er immer noch träumt, will er sich jetzt eine andere Finanzierung suchen. Dennoch spart er weiter, er hat nun quasi ein Minimalziel. Wenigstens die jährlichen Kontoführungsgebühren von 12 Euro will er über Zinsen wieder reinbekommen. „Dass ich heute fürs Sparen zahle, das ist doch Wahnsinn“, sagt er.