Unsere Reihe Capital erklärt macht aktuelle Wirtschaftsthemen schnell verständlich. Diesmal beantworten wir wichtigen Fragen zum Immobilienmarkt. Wir haben mit Capital-Redakteurin Nadine Oberhuber über aktuelle Entwicklungen und Zukunftsaussichten gesprochen.
Wie sieht die aktuelle Preisdynamik des deutschen Immobilienmarktes aus?
Die Preisdynamik sieht auch 2019 nicht anders aus als in den letzten Jahren: Die Preise steigen weiter, und das vor allen Dingen in den Großstädten, die ja ohnehin schon ziemlich teuer sind. Aktuelle Zahlen zeigen auch, dass keine Entschleunigung, die von den Experten für 2018 und 2019 erhofft wurde, eingetreten ist: Der Preisanstieg bei Immobilien liegt immer noch bei ungefähr acht Prozent, die Preise für Baugrundstücke haben einen Zuwachs von rund 11 Prozent und auch die Eigentumswohnungen haben 10-15 Prozent zugelegt.
Die große Frage ist: Ist eine Trendwende in Sicht? Experten rechnen damit, dass es auch in den kommenden Jahren mit den Preisen weiter aufwärts geht. Eine Studie der Uni Freiburg besagt sogar, dass bis 2030 bundesweit mit steigenden Immobilienpreisen zu rechnen ist, nur einzelne Regionen insbesondere in Ostdeutschland sind davon ausgenommen. Immobilien in begehrten Metropolen wie Berlin oder Hamburg sollen bis 2060 zunehmend teurer werden. Bundesweite Durchschnittszahlen sind aber natürlich nicht der ideale Maßstab, wenn man selber eine Immobilie kaufen will. Denn es gibt natürlich immer auch ländliche Gebiete wie das Bremer Geestland, das Sauerland oder Nordhessen, in denen die Preise nicht steigen. Oder Regionen, in denen die Preise wieder fallen, wie in der Uckermark, im südlichen Sachsen, der Saaleregion oder Südniedersachsen, weil die Leute wegziehen und das Interesse an Immobilien nachlässt, während in den Großstädten durch den Zuzug die Preise noch stärker anziehen.
Sehen wir hier gerade eine Entwicklung, die auf eine Immobilien-Blase hinausläuft?
Viele Experten, und ich würde mich da anschließen, sagen, dass die ganzen Hauptindikatoren nicht darauf hindeuten, dass wir in den nächsten Jahren eine Immobilien-Blase in Deutschland sehen werden. Natürlich ist der Preisanstieg teilweise enorm, in den letzten zehn Jahren haben sich alleine in Großstädten die Immobilienpreise um mindestens 100 Prozent nach oben bewegt haben, in München sogar um 180 Prozent. Das kommt daher, dass es in den Großstädten viel zu wenig Immobilienangebot gibt, die Nachfrage aber nach wie vor wächst. Es ist nicht abzusehen, dass sich die Preise fundamental von dem eigentlichen Wert der Immobilie entkoppeln. Es gibt einige entscheidende Faktoren, die dagegen sprechen: Die Kreditvergabe der Banken ist weiterhin sehr restriktiv in Deutschland. Es werden also nicht mehr Immobilienkredite vergeben und auch nicht zunehmend an bonitätsschwache Käufer, die sich das im Grunde gar nicht leisten könnten. Anders als im europäischen Ausland liegt der Beleihungswert einer Immobilie in Deutschland immer noch bei rund 80 Prozent, sprich: Beim Kauf werden 20 Prozent des Hauspreises mit Eigenkapital finanziert. Und diese Zahl blieb in den letzten Jahren tatsächlich unverändert, obwohl die Preise enorm in die Höhe gegangen sind.
Im Prinzip ist der Preisanstieg in vielen Orten und Städten noch gerechtfertigt. Nicht überall, Experten blicken vor Allem skeptisch auf die ländlichen Regionen, in denen die Immobilienpreise stark angezogen wurden, obwohl sie infrastrukturell nicht gut angebunden sind oder wenig Arbeitsplätze bieten. Wenn die Immobilienpreise auf dem Land steigen, geht der Preisvorteil des Draußenwohnens natürlich verloren.
Wichtig ist auch, dass die Preise als Erstes dort zurückgehen würden, wo sie als Letztes angezogen wurden: Sprich, nicht in den Großstädten, sondern in Kleinstädten auf dem Land, die unter Bevölkerungsschwund leiden. Besser werden sich die Preise in den sogenannten B-Städten halten, also in mittelgroßen Städten und Uni-Standorten, die vor allem eine sehr junge Bevölkerung haben. Ob die Metropolen einen Preisrückgang erleben oder nur eine Stagnation, ist davon abhängig, ob der Bevölkerungszuzug dort im bisherigen Maße anhält. Derzeit sind es größtenteils junge Leute bis 25, Berufs- oder Studienanfänger und Fachkräfte aus dem europäischen Ausland, die unsere Großstädte zum Wachsen bringen. Besonders die Jungen könnten sich künftig eher in günstigere Städte orientieren, weil sie die hohen Mieten nicht mehr bezahlen können. Frankfurt hat bereits deutlich an Attraktivität bei Studenten verloren. Und Leipzig wächst, weil es viele junge Leute auffängt, denen Berlin zu teuer ist.
Was bedeutet der Preisanstieg für Käufer? Wird Wohneigentum unerschwinglich?
Für Durchschnittsbürger wird es in den Metropolen tatsächlich zunehmend unerschwinglich, sagen Zahlen von Immobilienanalysten: Normalverdiener müssen monatlich schon 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Kreditrate oder die Miete im Neubau ausgeben. Alles über 30 Prozent ist aber zu viel, sagen Immobilienökonomen. Wir müssen aber immer differenzieren, weil die Preise bundesweit deutlich auseinanderklaffen: In München kostet eine Doppelhaushälfte rund eine Million Euro, dort muss man tatsächlich Millionär sein. In Berlin bekommt man Haushälften schon für 300.000 Euro, das ist für viele noch erschwinglich. Und es gibt noch Regionen draußen auf dem Land, in denen man ältere Häuser für 70.000 Euro bekommt.
Neben den Preisen muss man aber auch auf die Einkommen schauen, da ist die Schere weit auseinander gegangen: Die Immobilienpreise sind in vielen Regionen erheblich stärker gestiegen, als die Einkommen im selben Zeitraum. Nun machen gesunkene Zinsen die Preisanstiege teilweise wieder wett, aber eben nicht die überproportional hohen Anstiege in den Metropolen. Wie erschwinglich ist der Immobilienkauf heute noch? Dazu gibt es diese Zahlen: Für das Abtragen eines Kredits für eine 70-Quadratmeter-Eigentumswohnung zahlt man in Berlin, Hamburg und Stuttgart im Schnitt 1100 bis 1300 Euro im Monat. Im Umland von Stuttgart ist es mit 700 bis 900 Euro schon deutlich weniger. Dagegen muss man in München für die gleiche Wohnung 2000 Euro monatlich abtragen. Das dürften sich nur wenige leisten können.
Muss mehr gebaut werden? Und was kann man tun, um den Wohnungsbau anzuschieben?
Bauen ist die absolut einzige Lösung. Im Moment wird noch immer viel zu wenig gebaut, zu langsam und an der falschen Stelle. Viele Wohnungen entstehen in Mittel- und Kleinstädten, dort ist der Bedarf aber größtenteils schon übererfüllt. Dagegen liegen die Großstädte weit hinterm Bedarf zurück. Vor allem braucht es dort mehr kleinere Wohnungen und nicht noch mehr Vier- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen für 800.000 Euro aufwärts, die Investoren massenhaft errichten. Das ist überhaupt nicht das, was der Markt braucht, denn in 80 Prozent der Stadthaushalte leben nur ein oder zwei Personen.
Das Hauptproblem ist: Es gibt zu wenig Bauland. Gerade in den Städten, wo die meisten Wohnungen gebraucht werden, gibt es nicht genug Fläche, die noch bebaut werden kann, weil die Städte viel zu langsam neues Bauland ausweisen. Öffentliche Beteiligungen verlängern Bauprozesse außerdem oft jahrelang und auch das Erteilen von Baugenehmigungen dauert ewig, weil Mitarbeiter in den Ämtern fehlen. Die Kommunen müssen viel weitsichtiger in die Zukunft planen. Es kann nicht sein, dass Metropolen jahrelang über Neubaugebiete am Stadtrand diskutieren, die erst bebaut werden, wenn die Bevölkerung schon wieder in andere Städte oder ins Umland abwandert, weil sie sich das Wohnen in dieser Stadt nicht mehr leisten kann.
Der entscheidende Faktor ist auch: Bauen muss wieder billiger werden. Neben den astronomischen Grundstückspreisen hat der aktuelle Handwerkermangel die Baukosten in die Höhe getrieben, dadurch haben sich die Fertigstellungskosten um circa 30 Prozent erhöht.
Welche politischen Maßnahmen können wirklich helfen, um den Wohnungsmangel zu bekämpfen?
Mietendeckelung oder Zwangsenteignung können hier nicht die Lösung sein. Die Politik muss den Bau von erschwinglichen Wohnungen und Gebäuden interessanter und attraktiver machen. Es muss mehr Bauland zur Verfügung gestellt werden und über Steuersenkung für Investoren diskutiert werden.
Daneben hätten die Kommunen noch viel mehr Möglichkeiten: Sie könnten bei Neubaugebieten flächendeckend Auflagen machen, was die maximalen Baukosten betrifft und die Endmieten. So könnten sie die Bauträger verpflichten, Immobilien zu zivilen Preisen zu errichten statt neuer Luxuswohnungen. In Städten wie Stockholm hat man das erfolgreich gemacht. Zurzeit bauen Bauträger fast nur im hochpreisigen Bereich, um den größtmöglichen Gewinn zu erzielen. Viele Städte behaupten zwar, dass sie bereits mit Quoten zur „sozial gerechten Bodennutzung“ den Bau günstiger Wohnungen fördern, das führt aber bisher nur dazu, dass 30 Prozent geförderte Wohnungen entstehen, deren Mieten später von den Städten subventioniert werden. Die übrigen 70 Prozent sind aber nicht preisgebunden, da versuchen Bauträger, die entgangenen Gewinne wieder hereinzuholen, indem sie Quadratmetermieten von 25 bis 30 Euro verlangen, das ist keine Seltenheit. Es kann doch nicht sein, dass es auf dem Markt nur noch Sozialwohnungen gibt und frei finanzierte Wohnungen, die sich nur noch Leute mit sechsstelligen Jahreseinkommen leisten können.
Die Städte müssen mehr für Normalverdiener tun und auch öfter ihr Vorkaufsrecht nutzen, um mehr Immobilien und Grundstücke zurückzukaufen. Nur dann können sie wieder aktiv gestalten. Das geht aber nicht von heute auf morgen, deshalb ist die Gefahr, dass uns der Markt inzwischen davon galoppiert.