Eigentlich sollte er mit 52 Jahren aus dem Gröbsten raus sein. So hatte sich Maik Middenhoff* das jedenfalls vorgestellt. Schließlich zahlt er seit 27 Jahren in die gesetzliche Rentenversicherung ein, und er hat immer ganz gut verdient, findet er. Auch wenn man als Grafiker eher nicht reich wird. Direkt nach dem Studium hat er eine private Lebensversicherung abgeschlossen, in die er jeden Monat 100 Euro steckt. Später kam noch eine Riester-Police dazu, denn er wünschte sich eine Familie und spekulierte auf die Kinderzuschüsse.
Die Kinder kamen nicht, und die Police bespart er auch nicht üppig, nur mit rund 70 Euro im Monat. Aber er erhoffte sich dennoch eine gute Extrarente davon, wenn er 2034 in den Ruhestand geht. Schließlich investiert das Versicherungsunternehmen in Fonds. Und der Berater damals rechnete ihm das so vor: Im schlechtesten Fall würde seine Monatsrente mal bei 100 Euro zusätzlich liegen – aber das sei sehr unwahrscheinlich, denn auf 30-Jahres-Sicht seien am Aktienmarkt satte Erträge zu erwarten. Deshalb könne er eher mit 200 bis 300 Euro Rente aus dem Riester-Vertrag rechnen.
Middenhoffs Lebensversicherung sollte dazu knapp 100.000 Euro abwerfen. Die wollte er dann in eine Monatsrente umwandeln, was noch einmal circa 750 Euro gebracht hätte. So jedenfalls steht es in der Standmitteilung von damals. Zusammen mit rund 1400 Euro gesetzlicher Rente wären das insgesamt um die 2400 Euro im Alter gewesen. Davon ließe sich leben, dachte Middenhoff. Heute weiß er, dass diese Rechnung hart an der Realität vorbeigeht.
Der Rentenfaktor schrumpft
Die Überschüsse und Ablaufsummen seiner Lebensversicherung etwa sind in diesem Jahrtausend praktisch in jedem Jahr gefallen. Irgendwann hat er nicht mehr hingeguckt, wenn die jährliche Standmitteilung kam, und inzwischen ist Middenhoff froh, wenn er in ein paar Jahren wenigstens noch 60.000 Euro ausgezahlt bekommt. Das ist der Wert, mit dem die Versicherung heute rechnet. Das Drama aber geht noch weiter: Wenn Middenhoff diese Summe später in eine Monatsrente umwandelt, dann wird auch die erheblich kleiner ausfallen als gedacht. Wer 1992 umgerechnet 100.000 Euro zu einer Sofortrente machte, der erhielt tatsächlich noch stolze 750 Euro monatlich dafür. 2008 waren es gut 400 Euro. Heute sind es nur noch 300 Euro. Aus Middenhoffs 60.000 Euro werden also eher 180 Euro pro Monat.
Auch bei der Riester-Rente geht er nun vom Schlimmsten aus. Nicht nur wird die angesparte Summe auch dort deutlich kleiner sein. Die Versicherung hat dazu längst den Rentenfaktor zusammengeschrumpft, also jenen Betrag, den sie pro 10.000 Euro Fondswert später an Monatsrente zahlen wird. Wenn der Grafiker Glück hat, bekommt er später 60 Euro monatlich raus. Das ergibt insgesamt inklusive seiner gesetzlichen Rente rund 1640 Euro im Monat – statt der erhofften 2400 Euro.
Nun fragt Middenhoff sich natürlich, ob er diese Lücke in wenigen Jahren überhaupt noch füllen kann. Oder ob er sich schon einmal daran gewöhnen soll, dass das Geld eben nicht reichen wird . Und ist es angesichts der Niedrigzinsen überhaupt clever, an den Verträgen festzuhalten? Oder sollte er sie lieber auflösen – und die Summe dann woanders investieren?
Rendite mit ETF-Fondsparplan
Zunächst: Altverträge zu kündigen lohnt sich häufig nicht (siehe Kasten). Trotzdem ist es nicht unmöglich, die drohenden Löcher in der künftigen Rente wieder zu stopfen – es erfordert nur einige Anstrengungen. Nehmen wir zunächst einmal an, Middenhoff hätte zusätzlich noch etwas Geld gespart. Diese Summe könnte er nun freiwillig in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen und sich damit eine höhere Rente „erkaufen“: Mit rund 22.600 Euro Einzahlung wüchse seine Rente um 100 Euro im Monat. Deutlich besser als das, was ihm seine Riester-Versicherung bietet. Die zahlt ihm – Stand jetzt – für je 10.000 Euro Fondsvermögen eine Monatsrente von 35 Euro. Also für 22.600 Euro nur 79 Euro. Mit einer heutigen Einzahlung in die gesetzliche Rentenkasse würde Middenhoff auch künftige Rentenerhöhungen mitnehmen und könnte die Zahlung dazu größtenteils von der Steuer absetzen.
Hätte er zudem 200 oder 300 Euro im Monat übrig, könnte er den Betrag splitten und davon – selbst als der vorsichtige Mensch, der er ist – wenigstens 100 Euro in einen ETF-Fondssparplan stecken . Damit hätte er die Chance auf eine ordentliche Rendite bis zur Rente. Im Schnitt warf ein Indexfonds auf den MSCI World über 15 Jahre rund 7,2 Prozent jährlich ab. Das würde aus 100 Euro im Monat noch rund 32.000 Euro machen, im besten Fall könnte auch rund das Doppelte herauskommen. Wenn er die übrigen 200 Euro in einen Banksparplan steckt, wäre damit auch sein Sicherheitsbedürfnis bedient. Circa 0,5 bis zu einem Prozent Rendite sind damit derzeit drin. Das ist nicht viel, macht aber immerhin weitere 37.500 bis 38.800 Euro daraus.
Zu Rentenbeginn könnte Middenhoff also auf rund 70.000 Euro zusätzliches Kapital kommen. Das ergibt mit einem einfachem Entnahmeplan (bei einem Prozent Zinsen) rund 300 Euro Extrarente jeden Monat, bis er fast 90 ist. Würde er im Beispiel 200 Euro in die ETF-Fonds und nur 100 Euro in den Banksparplan stecken, könnten es rund 350 Euro sein. Auch ohne zusätzlich zu sparen, gibt es einen vielleicht nicht schönen, aber vergleichs-weise einfachen Weg, die Rente zu erhöhen: längeres Arbeiten. Ein Durchschnittsverdiener mit 3240 Euro brutto erhöht seine gesetzliche Rente monatlich um 94 Euro, wenn er ein Jahr später aufhört.
*alle Namen von der Redaktion geändert
Ende mit Schrecken?
Auch wenn Lebens- und Rentenversicherungen weniger abwerfen als erhofft: Eine Kündigung lohnt nur selten
Lebens- und Rentenversicherungsverträge jetzt aufzulösen und die Summe anders anzulegen ist meist keine gute Idee. Die Rückkaufswerte sind Jahre vor Vertragsende gering und steigen erst zum Schluss rasant. So wollen Versicherer ihre Kunden zum Durchhalten animieren. Gerade bei Altverträgen, die noch Zinsen von 3,75 oder vier Prozent garantieren, wäre das rausgeworfenes Geld. Bei Fondspolicen sollte man am besten von einer Verbraucherzentrale durchrechnen lassen, ob sie sich noch lohnen. Denn hier sind die Gesamtkosten oft hoch, daher bringen sie erst in späteren Jahren überhaupt eine spürbare Rendite.
Generell gilt: Hat man den Vertrag in den vergangenen fünf Jahren unterzeichnet, macht man hohen Verlust bei Kündigung. Denn dann führen die Abschlusskosten (die in den ersten Jahren abgezogen werden) meist dazu, dass noch kaum Kapital vorhanden ist. Besonders bei hoch verzinsten älteren Verträgen lohnt es eher, sie beitragsfrei zu stellen, als sie zu kündigen.
Der Beitrag ist als Teil unserer Analyse über das „Leben ohne Zinsen“ in Capital 11/2019 erschienen. Interesse an Capital? Hier geht es zum Abo-Shop , wo Sie die Print-Ausgabe bestellen können. Unsere Digital-Ausgabe gibt es bei iTunes und GooglePlay