Wer weiß eigentlich, wieviel Sie verdienen? Ist es Ihr Lieblingsmensch? Die Kollegin am Schreibtisch gegenüber, mit der Sie detailreich Ihr Privatleben besprechen? Die Eltern oder Kinder? Die beste Freundin, der Doppelkopf-Spielpartner oder Ihr Psychotherapeuth? Wer von den Menschen, die Sie durch Ihr Leben begleiten, kennt Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse? Und Sie deren?
Das Jobportal Stepstone hat für ihren aktuellen Gehaltsreport 5700 Menschen befragt, darunter etwa 1200 Führungskräfte, wie sie das mit ihrem Einkommen halten: reden Sie darüber oder schweigen sie. Die Ergebnisse stimmen nachdenklich.
Immerhin 30 Prozent verschweigen ihren Lebenspartner:innen die Höhe des Gehalts und ihren Freunden erzählen 60 Prozent nicht, wieviel sie verdienen. Etwa 74 Prozent tauschen sich auch im Job nicht darüber aus. Ebenso wird gegenüber den eigenen Kindern ein Riesenbohei um dieses Thema gemacht. Etwa 82 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Kinder nicht wissen, wieviel sie verdienen.
Es gibt immer wieder Umfragen zu der Frage, ob in Beziehungen und Ehen das eigene Einkommen offen kommuniziert wird. Die Consors-Bank kam 2015 zu dem Ergebnis: 41 Prozent wissen es nicht voneinander. Eine enorm hohe Anzahl.
Schweigeklauseln im Arbeitsvertrag sind unwirksam
Dass im Jobumfeld nur zögerlicher über Geld gesprochen wird, lässt sich nachvollziehen, weil in vielen Arbeitsverträgen eine Schweigeklausel üblich war. Diese Zeiten aber sind vorbei. Solche Verbotsklauseln sind unwirksam. Interessanterweise gaben bei Stepstone fast drei Viertel der Befragten an, sie würden gern wissen, was die Kolleg:innen verdienen.
Da kann ich nur sagen: Machen Sie den Anfang! Warum nicht beim nächsten Klatsch in der Kaffeeküche ansprechen, wie verkrampft wir bis heute mit diesem Thema umgehen. Und dann die eigenen Karten auf den Tisch legen und sehen, was passiert. Ich wette, daraus ergeben sich für alle hochspannende Erkenntnisse.
Das Tabuisieren von Einkommen im Privatleben, vor allem in Ehen und Partnerschaften mit Kindern, ist unverständlich. Das Vorenthalten des vollen Familieeinkommens kann auf finanzielle Gewalt hindeuten. Auch das Verschweigen finanzieller Details vor Freunden erscheint befremdlich, ja sogar beschämend, wenn man bedenkt, wie offen wir über intime Themen mit unseren engsten Vertrauten sprechen.
Geld zieht sich durch alle Lebensbereiche
Geld zieht sich wie ein roter Faden durch unser Leben - und freilich unsere intimsten Beziehungen. Geld ist nicht selten ein großes Streitthemen zwischen Paaren. Umso mehr erscheint es weder partnerschaftlich, freundschaftlich noch angemessen und nachvollziehbar, warum sich ein Großteil der Deutschen so bedeckt hält, wenn es um den eigenen Verdienst geht.
Wer in seiner Beziehung finanziellen Details als Geheimnis behandelt nach dem Motto „Das geht dich nichts an“ oder „Das ist meine Sache“, schafft Unsicherheit, Distanz und schürt Ängste. Ist dann auch noch der Partner oder die Partnerin wegen gemeinsamer Kinder finanziell abhängig, kann kaum von einer Partnerschaft auf Augenhöhe gesprochen werden, sondern eher von einer Beziehung mit Machtgefälle.
Mit Offenheit Nähe schaffen, Sicherheit und Vertrauen
Wer als Paar ohne Tabus und regelmäßig über (sein) Geld spricht, schafft Nähe und emotionale Sicherheit, die zu Vertrauen führt. Das stärkt die Zweisamkeit. Denn wenn wir lieben, wollen wir teilen und uns alles erzählen. Damit zeigen wir gleichsam Wertschätzung. Oder eben nicht.
Und ist es nicht das, was wir uns von einer Partnerschaft erhoffen? Angenommen zu werden, verstanden und wertgeschätzt? Dazu gehört freilich auch das Geld, das wir in die Familie einbringen. Über das wir womöglich frustriert sind, oder mächtig stolz, oder uns schämen, weil wir vergleichen – oder es eigentlich für uns behalten wollen. Klammern wir ein Gespräch darüber aus, enthalten wir unseren Partnern einen Teil unseres Gefühlslebens und unserer Bedürfnisse vor.
Also: Wie halten Sie es?
Welches Gefühl hält Sie davon ab, über Ihr Einkommen zu reden oder andere zu fragen, was sie verdienen? Ist es Angst? Die Angst vor Ablehnung oder Lächerlichkeit, weil wir weniger oder mehr verdienen, als das Gegenüber denkt? Oder die Befürchtung, nicht dazuzugehören oder Neid auszulösen? Was gibt es zu verlieren, wenn wir mal mutig solche einengenden Gefühle hinter uns lassen?
Mir zeigen solche statistischen Daten, dass wir Deutschen ein verkorkstes Verhältnis zu Geld haben. Aber – es bewegt sich etwas. Die unter 30-Jährigen reden schon freier untereinander über Geld als die über 50-Jährigen. Auch das ist ein Ergebnis der Stepstone-Studie. Das lässt hoffen.