Capital: Herr Kiel, Sie sind mit Visa einer der großen Sponsoren bei den Olympischen Spielen in Paris. Steckt da auch ein eigenes Interesse dahinter?
ALBRECHT KIEL: Auf jeden Fall. Ich werde hoffentlich einiges selber schauen können. Meine große Leidenschaft war mal das Fechten. Aber auch sonst bin ich vielseitig interessiert: Tennis, Leichtathletik, Schwimmen – das sehe ich mir alles an, wenn möglich.
Gerade ist die Fußball-EM in Deutschland vorbeigegangen. Warum sponsern Sie Olympia und nicht die EM, wo mit Alipay+ ein chinesisches Unternehmen offizieller Zahlungspartner war?
Wir haben bereits große Fußballsponsorings abseits der EM. Wir waren der erste eigenständige Sponsor des Uefa-Frauenfußballs und arbeiten eng mit der Fifa zusammen – und das sind nur zwei Beispiele. Olympia unterstützen wir seit fast 40 Jahren. Wir wissen, dass wir unsere Marke mit den Olympischen und Paralympischen Spielen emotionalisieren können. Außerdem teilen wir die Werte von Gleichberechtigung und Inklusion. Diese Kriterien müssen für uns passen.
Unter den Sponsoren der Olympischen Spiele sind deutlich mehr westliche Traditionsmarken als bei der Fußball-EM. Dort kamen allein fünf von 13 Unternehmen aus China. Hat dieses Umfeld für Sie eine Rolle gespielt?
Nein, davon machen wir unser Sponsoring nicht abhängig. Wie gesagt, wir sind seit fast 40 Jahren dabei – andere Marken kommen und gehen. Am Anfang standen vor allem japanische Unternehmen neben uns, später waren es koreanische, und jetzt sind chinesische Firmen eben aktiver. Wir entscheiden immer nur mit Blick auf uns selbst, ob es passt und sich unsere Pläne realisieren lassen.
Wie passt Olympia denn mit Ihren Werten zusammen, wenn es doch immer wieder Korruptionsvorwürfe um das Internationale Olympische Komitee gibt? Bei der Fifa wurden schon ähnliche Anschuldigungen laut.
Wir reden hier von den grundsätzlichen Werten des Sports. Die olympischen und paralympischen Spiele sind einzigartige Veranstaltungen, die Menschen auf der ganzen Welt zutiefst bewegen, die weltweit Begeisterung auslösen.
Vor allem im Fußball ist auffällig, wie häufig die Sponsoren bei Großevents zuletzt gewechselt haben. Sind Sportsponsorings kompetitiver geworden – und müssen auch Sie sich stärker strecken als früher?
Nein, das kann ich nicht feststellen. Natürlich ist Sport auch ein großes finanzielles Engagement von uns. Das ist es aber schon seit Jahrzehnten. Auch wenn wir eine der zehn wertvollsten Marken weltweit sind, müssen wir in diese investieren. Das hat seinen Preis. Ich kann aber nicht feststellen, dass sich das in der Breite deutlich erschwert hat. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich langfristige Sponsorings auszahlen. Es dauert eben einige Zeit, bis sich die Wahrnehmung der Marke durchsetzt.
Wie aggressiv ist der Wettbewerb mit der asiatischen Konkurrenz namens Alipay+ und Wechat, die auch um Ihre Werbeplätze buhlt?
Wir sind in über 200 Ländern tätig. Da ist es nur logisch, dass man immer wieder auf Wettbewerb trifft. Wir merken, dass uns dieser Wettbewerb besser macht – und er ist auch für die Verbraucher gut. Es geht darum, ihnen die beste Art zu zahlen zu bieten. Darauf konzentrieren wir uns.
Gab es denn etwas, das sie von diesen chinesischen Konkurrenten gelernt haben?
Natürlich gucken wir rechts und links, was die Konkurrenz anders und vielleicht auch erfolgreicher macht. Ich stelle aber fest, dass unser eigenes Engagement funktioniert. Wir konnten das Zahlungsvolumen mit Visa Debit- und Kreditkarten in Deutschland im vergangenen Jahr um 25 Prozent steigern, die Zahl der Transaktionen sogar um 33 Prozent. Wir sind also im Wettbewerb durchaus erfolgreich.
Wen wollen Sie mit Ihrer Olympia-Kampagne eigentlich ansprechen?
Grundsätzlich richten wir uns an alle Bevölkerungsgruppen. Zugleich müssen wir in unserer Olympia-Kampagne fokussieren. Deshalb richten wir unsere Medienaktivitäten an zwei großen Zielgruppen aus: den Millennials und der Gen Z, weil wir gerade in diesen jüngeren Zielgruppen Relevanz und Sympathie aufbauen wollen. Außerdem fungieren wir als Plattform für unsere 14.500 Partnerbanken weltweit, die über uns die Spiele nutzen können – zum Beispiel mit Gewinnspielen für ihre Kunden.
Und wann sind die Olympischen Spiele für Visa ein gelungenes Event?
Wir messen unterschiedliche Metriken zu Geschäftsentwicklung und Marketing – ausgegebene Karten, Aktivierungen, Markenpräferenz. Diese Daten sind gut, aber es braucht immer einen Rest an Überzeugung, sonst rechnet sich kein Sponsoring der Welt. Wir haben zum Beispiel gemeinsam mit den genossenschaftlichen Banken den Vereinswettbewerb „Inklusion durch Sport“ ins Leben gerufen und ermöglichen 30 Gewinnern, die Spiele vor Ort in Paris zu erleben. Damit wollen wir kein großes Marketing machen. So etwas ist eine Prinzipien-Entscheidung, hinter der wir und unsere Partner zu 100 Prozent stehen.
Zu Ihren Partnern gehören auch immer mehr Fintechs. Zuletzt haben Sie einen Marketing-Coup mit dem Neobroker Trade Republic gefeiert, wo Kunden jetzt eine Debit-Karte mit Saveback bekommen können. Welche Bedeutung haben Fintechs inzwischen für Sie?
Wir sind in der Tat sehr aktiv in diesem Bereich. Das drücken wir auch mit unserem Standort in Berlin aus, wo viele Fintechs sitzen, und der jetzt zum Visa-Innovationszentrum ausgebaut wird.
Was springt für Sie dabei heraus, wie viel lässt sich mit Fintechs verdienen?
Ich möchte mich nicht zu einzelnen Partnern äußern. Aber Trade Republic hat ja zum Ausdruck gebracht, dass sie mit der Geschäftsentwicklung sehr zufrieden sind. Und dann sind wir es auch.
Sie haben eine operative Marge von 67 Prozent, ihre Eigenkapitalrendite beträgt 46 Prozent. Das sind schöne Zahlen, die Visa für viele Anleger interessant macht. Aber lassen die sich in Zukunft halten, wenn die Fintechs zu immer günstigeren Zahlungslösungen führen?
Die operative Marge ist nicht der Gewinn. Wir investieren auch massiv. Wir glauben, dass sich unsere Investitionen am langen Ende lohnen werden. Ein Beispiel: wir haben in den vergangenen fünf Jahren über 10 Mrd. Dollar in Betrugsbekämpfung und Cybersecurity investiert. Wir gehen davon aus, dass wir weltweit dadurch allein im vergangenen Jahr 40 Mrd. Dollar an Betrugsschäden verhindert haben. Unsere Künstliche Intelligenz analysiert bis zu 500 Risikoattribute binnen Millisekunden, anhand derer Banken entscheiden, ob sie eine Transaktion akzeptieren. Das heißt: für Banken, Fintechs und Händler gibt es einen großen Mehrwert, Visa-Zahlungen zu ermöglichen.
Was wird Ihre Branche in den kommenden Jahren am stärksten prägen?
Das Thema Sicherheit. Es ist nicht neu, aber immer wieder aktuell – und es ist der höchste Wert im Zahlungsverkehr. Als Außenstehender kann man sich wahrscheinlich schwer vorstellen, wie komplex das Thema ist, und wie schnell es sich wandelt. Echtzeitzahlungen sind dafür ein Beispiel. Wir beobachten hier Regulierungsinitiativen, die Banken vorschreiben, stärker gegen Betrug vorzugehen. Für uns ergeben sich dadurch neue Geschäftsfelder, aber auch immer wieder extrem herausfordernde Aufgaben.
Letzte Frage: Wann kann ich endlich mit einer Visa Debit-Karte einen Mietwagen buchen?
Das können Sie jetzt schon. Unsere Debit- und Kreditkarten sind technisch gleich. Eine Kaution können Sie mit beiden hinterlegen. Darüber klären wir auch die Verleiher auf, da gibt es bei manchen leider ein Informationsdefizit.