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Immobilien Was Sie über die Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen wissen müssen

Deutsche Wohnen wird bald zu Vonovia gehören – wenn die Kartellbehörden zustimmen.
Deutsche Wohnen wird bald zu Vonovia gehören – wenn die Kartellbehörden zustimmen.
© Stefan Zeitz / IMAGO
Die beiden größten Wohnungskonzerne Deutschlands haben sich auf eine Fusion geeinigt. Vonovia will für Deutsche Wohnen 18 Mrd. Euro auf den Tisch legen. Was bedeutet der Deal für den Wohnungsmarkt, die Mieter und die Anleger?

Schon einmal ist das Vorhaben gescheitert. Als Vonovia im Jahr 2016 versuchte, die Deutsche Wohnen zu übernehmen, stellten sich die Aktionäre und Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn quer. Damals, so sagte jetzt Zahn auf einer Pressekonferenz in Berlin, sei die Atmosphäre „feindlich“ gewesen. Nun aber gebe es eine gemeinsame „Einstellung und Kultur“.

Dieses Mal also soll es klappen – die Nummer eins schluckt die Nummer zwei, für 18 Mrd. Euro. Der Nummer eins Vonovia gehören in Deutschland rund 400.000 Wohnungen, Deutsche Wohnen besitzt 140.000. Der Zusammenschluss würde bedeuten, dass aus den beiden Unternehmen der größte private Wohnimmobilienbesitzer Europas entstehen würde. Er hätte eine Marktkapitalisierung von rund 45 Mrd. Euro, der Wert der Immobilien der beiden beliefe sich auf rund 90 Mrd. Euro. Die beiden Dax-Konzerne unterzeichneten für diesen Megadeal eine gemeinsame Grundsatzvereinbarung .

Die Kartellbehörden müssen der Fusion noch zustimmen, es ist abzusehen, dass sie das bald tun werden – wie also kommt es dazu, dass die beiden es nun erneut versucht haben und was bedeutet der Zusammenschluss für Aktionäre und Mieter?

Wie reagiert der Markt?

Der Markt reagierte zweigeteilt, aber prompt auf die Ankündigung: Der Kurs der Deutsche-Wohnen-Aktie schoss direkt nach Handelsbeginn um gut 15 Prozent in die Höhe. Der Kurs der Vonovia-Aktie hingegen rauschte um sechs Prozent nach unten. Der Anstieg bei Deutsche Wohnen verwundert nicht, denn häufig profitieren börsennotierte Gesellschaften davon, wenn sie als Übernahmekandidaten gehandelt werden, als „Zielunternehmen“. Selbst wenn es zunächst oft nur Fusionsgerüchte gibt. Meist starten ihre Kurse kräftig durch und pendeln sich leicht unterhalb jener Schwelle ein, die als Abfindungsangebot von den kaufenden Unternehmen geboten werden. In diesem Fall will Vonovia den Deutsche-Wohnen-Aktionären rund 53,06 Euro je Aktie zahlen bei der Fusion. Davon 52 Euro als Barabfindung und 1,03 Euro in Form einer Bardividende.


Deutsche Wohnen SE Aktie


Deutsche Wohnen SE Aktie Chart
Kursanbieter: L&S RT

Schon jetzt aber notiert die Aktie des Übernahmekandidaten Deutsche Wohnen bei eben jenen rund 52 Euro. Was umgerechnet ungefähr dem Wert ihrer Immobilien abzüglich der Schulden entspricht, dem Net Asset Value, der laut Analysten bei rund 52,50 Euro liegt. Deshalb dürfte die spannende Frage bei der Fusion sein: Werden die Aktionäre sich wirklich zu diesem Preis von ihren Aktien trennen? Oder ist ihnen das zu wenig?

Der frühere Übernahmeversuch durch Vonovia war bereits einmal daran gescheitert, dass zu wenige Aktionäre dem Konzern ihre Papiere andienten. Nur rund 30 Prozent der Deutsche-Wohnen-Anleger wollten sich damals von ihren Aktien trennen. Wir das heute anders sein? Die Geschäftsaussichten von Deutschlands zweitgrößtem Immobilienkonzern sind gut – er könnte in diesem Jahr seine Prognosen übertreffen.

Dynamisches Wachstum

Das operative Geschäft von Deutsche Wohnen wächst dynamisch, auch weil der Konzern zurzeit viele neue Wohnungen baut und seinen Bestand damit um rund 18.000 Einheiten vergrößert. Dazu trug auch der Einstieg bei den Bauträgergesellschaften Quarterback und Isaria bei. Allein 2021 sollen weitere rund 500 Mio. Euro in den Neubau fließen. Die Leerstandsquote ist zudem mit zwei Prozent recht übersichtlich.

Dazu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht gerade erst den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig erklärt hat, davon profitiert Deutsche Wohnen nun besonders, da sie stark vom Berliner Mietmarkt abhängig ist: Rund 70 Prozent ihres Wohnungsbestands befinden sich in Berlin, das entspricht rund 115.000 Wohnungen. Der Konzern kündigte nach dem Verfassungsgerichtsurteil direkt an, das ausstehende Geld von den Mietern einzufordern.

Vonovia könnte nach eigenen Angaben 10 Mio. Euro zurückfordern, will das aber nicht tun. Das Unternehmen verzichtet auf Nachzahlungen, da die meisten ihrer Mieter das Geld nicht zurückgelegt hätten und daher wohl nicht aufbringen könnten. Es muss die Mieten auch nicht zwingend nachfordern, um Gewinn aus dem Urteil zu ziehen: Der Verkehrswert ihrer Immobilien wird dadurch in jedem Fall steigen.

Finanzieller Spielraum

Die Deutsche Wohnen hat auch Gesundheitsimmobilien als Geschäftsfeld für sich entdeckt - hier sieht der Berliner Konzern große Wachstumsmöglichkeiten. Die Bilanz lässt zurzeit viel Spielraum für die Finanzierung neuer Projekte. Vieles davon kann also mit Bordmitteln finanziert werden. Ohnehin ist die Eigenkapitalquote bei Deutsche Wohnen mit 43 Prozent aktuell recht hoch. Sie ist weniger vom Fremdkapital abhängig als der Konkurrent Vonovia, dessen Eigenkapitalquote bei 39 Prozent liegt. Allerdings holt Vonovia mehr Rendite gemessen am Eigenkapital heraus, 13,3 Prozent nämlich, Deutsche Wohnen schafft da nur 11 Prozent.

Zu hoch pokern sollten Deutsche-Wohnen-Aktionäre aber lieber nicht , schließlich sind Analysten der Meinung, dass die Deutsche-Wohnen-Aktie ihr Kurspotenzial weitgehend ausgereizt habe. Das Kursziel sehen viele bei rund 52 Euro, damit hätte das Papier das obere Ende der Fahnenstange schon erreicht. Deutlich mehr Rentabilität – vor allem bezogen auf die arg gestiegene Mitarbeiterzahl – oder deutlich mehr Ertrag könnte das Unternehmen also tatsächlich nur erwarten, wenn es neue Kooperationsmöglichkeiten erschließt. So wie jetzt durch die Fusion.

Die eröffnet vor allem auch Vonovia viel Potenzial. Denn Deutschlands größter Wohnungskonzern war zuletzt nicht nur durch Neubauten, Zukäufe und steigende Mieteinnahmen gewachsen, sondern vor allem wegen seines Konzepts der „wohnungsnahen Dienstleistungen“: Etliche konzerneigene Handwerker sorgen bei Reparaturen in den Wohnungen für Zusatzeinnahmen sorgen.

Gut für Deutsche Wohnen-Investoren

Zudem verkauft Vonovia Versicherungsprodukte rund ums Wohnen und liefert Energie an die Mieterhaushalte. Er bezieht seine Einkünfte also längst nicht nur aus Mieten, sondern aus einer Vielzahl anderer Leistungen. Aus Investorensicht kann man das gut finden. Aus Mietersicht jedoch bedeutet es auch: Sie zahlen über die Nebenkostenabrechnungen für immer mehr Dienstleistungen aus dem Konzernuniversum, deren Preise sie längst nicht mehr selbst in der Hand haben.

Doch auch die Höhe der Mieteinnahmen konnte Vonovia kontinuierlich steigern: Das Unternehmen investiert Milliarden in die Modernisierung der Bestände – zuletzt legte es dafür sogar eine erste „grüne Anleihe“ auf, um Gebäude klimaneutraler zu machen. Und es legt die Kosten für die Umbauten auf die Mieten um.

Vor allem diese Modernisierungsmieterhöhungen sorgen ja in der Öffentlichkeit für das schlechte Image der großen Wohnungskonzerne, weil viele sozial schwache Mieter allmählich an ihre finanziellen Grenzen geraten. Während die Konzerne so den Wert ihrer Immobilienbestände für die Aktionäre aufhübschen – auf Kosten der Mieter.

Deutlichere Präsenz in Berlin für Vonovia

Inzwischen ist Vonovia nicht nur in Deutschland aktiv, sondern auch in Österreich, Schweden und durch die Beteiligung an einer Wohnungsbaugesellschaft in den Niederlanden. Mit der Übernahme von Deutsche Wohnen sichert sich das Unternehmen zunächst eine deutlichere Präsenz in Berlin und insgesamt rund 160.000 Wohnungen hierzulande, in denen sie ihre wohnungsnahen Dienstleistungen zusätzlich anbieten könnte.

Auf rund 557.000 Wohnungen käme die „deutsche Vonovia Wohnen“ insgesamt und auf gut 90 Milliarden Euro gemeinsames Immobilienvermögen. Das würde sich für beide lohnen, denn Immobilien sind ein Skalengeschäft, so drücken es Analysten aus. Je mehr man davon betreibt, desto gewinnbringender lässt sich das Geschäft organisieren.

Gut möglich daher, dass die Aktie von Vonovia nach dem ersten Übernahmeabsturz nach deutlich zulegen wird. Bereits zuvor hatten Analysten das Kursziel auf 66 Euro taxiert. Davon war die Vonovia schon vor der Fusionsankündigung weit entfernt, da lag ihr Kurs bei rund 52 Euro. Aktuell sind es noch 49 Euro. Die Sorge um eine möglicherweise steigende Inflation oder die Zinsanhebungen der Zentralbanken hatten ihr seit Herbst 2020 einen deutlichen Dämpfer verpasst.


Vonovia Aktie


Vonovia Aktie Chart
Kursanbieter: L&S RT

Minimale Mietausfälle bei Vonovia

Dennoch war der Konzern – vor allem auch im Coronajahr 2020, in dem er nur minimale Mietausfälle zu beklagen hatte – noch einer jener Dax-Konzerne mit der stabilsten Kursentwicklung. Seit dem Aufstieg in den deutschen Leitindex 2015 kletterte die Vonovia-Aktie um stolze 80 Prozent. Und solange die Immobilienpreise steigen, legt auch der Portfoliowert des Wohnungskonzerns weiter zu.

Wird die Bewirtschaftung nun also im gemeinsamen Konzern noch rentabler, dann wird es umso wahrscheinlicher, dass der neue Wohnungs-Großkonzern das gesteckte Kursziel auch bald erreicht. Die Analysten jedenfalls sagen mehrheitlich: Es könnte sich durchaus lohnen, die Aktie zu kaufen.

Wie die Fusion ablaufen könnte, erklärten Vonovia-Chef Rolf Buch und Deutsche Wohnen-CEO Michael Zahn bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin . Künftig wollen die beiden Unternehmen als „Vonovia SE“ firmieren – die Marke Deutsche Wohnen soll dabei erhalten bleiben. Der Hauptsitzt soll in Bochum bleiben, das Unternehmen aber aus der Ruhr-Stadt und Berlin geführt werden. „Die Deutsche Wohnen wird es weiterhin geben, wir sind dann der Mehrheitsaktionär“, sagte Buch. Betriebsbedingte Kündigungen schloss Buch bis ins Jahr 2023 aus.

Wie sich der Zusammenschluss für die Mieter auswirkt, ist bisher nur schwer abzuschätzen, denn: Auch wenn Vonovia und Deutsche Wohnen gemeinsam zum größte Player in Europa aufsteigen würden, wäre die Marktmacht der „Vonovia SE“ relativ gering. Zusammen kommen beide Unternehmen auf 550.000 Wohneinheiten, was einen Marktanteil von rund zwei Prozent bedeutet. Auch dort, wo sich Wohnungen der beiden Konzerne ballen, ist es unwahrscheinlich, dass sie die Mieten weit über den Mietenspiegel heben könnten.

Keine schneller steigenden Mieten

Dass die Mieten in Deutschland durch die Fusion schneller steigen würden, bestritten die beiden Konzernchefs vor der Presse. Sie versprachen, dass sie die Mieten bis 2026 um lediglich ein Prozent anheben würden. Zudem sollten Mieter bei Modernisierungen nur mit 2 Euro pro Quadratmeter beteiligt werden. Es sei kein nachhaltiges Geschäftsmodell, wenn die Mieten über lange Zeit stärker steigen würden als die Einkommen. „Diese Angst müssen wir den Menschen nehmen.“

Die Ein-Prozent-Regelung gelte nur für die Wohnungen, die Vonovia und Deutsche Wohnen in Berlin besitzen. Man könne keine bundesweite Regelung finden, da die Mietmärkte in den verschiedenen Kommunen anders aussähen. In anderen Städten gäbe es daher auch andere Regelungen.

Außerdem will das neue Unternehmen 20.000 Wohnungen an die kommunalen Wohnungsgesellschaften der Stadt Berlin verkaufen – damit nähere sich die Stadt der selbst gesetzten Marke von 400.000 Wohnungen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sagte, dass damit Druck aus dem Mietmarkt genommen werden sollte. „Das ist echter Einfluss auf den Mietmarkt“, sagte Müller.

„Wir müssen den Umstand, dass viele Mieter in dieser Stadt, auch mit unseren Unternehmen, nicht zufrieden sind, beenden“, sagte Buch. Er sieht die Fusion der beiden Konzerne als eine Art Neuanfang für die Unternehmen. Aber auch was deren Rolle in der Gesellschaft anbelangt. Die Handlungsdirektive der neuen „Vonovia SE“ sei „bauen, kaufen und deckeln“. Zahn sprach davon, dass man nun in der Lage sei „pragmatische Lösungen auf freiwilliger Basis ohne Gerichte“ zu finden.

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