Kaum ein Wirtschaftssektor ist so zinssensitiv wie die Immobilienbranche, wenn man einmal vom Bankensektor absieht. Seitdem die Hoffnungen auf einen neuen Zinssenkungszyklus zur Mehrheitserwartung wurden, ziehen Immobilienaktien wieder Käufer an. Die Entwicklung lässt sich sauber anhand der Vonovia-Aktie aufzeigen. Nachdem der Titel von seinem Hoch bei 58 Euro seit September 2020 auf gut 15 Euro Ende März 2023 gestürzt war, stieg der Börsenkurs mittlerweile bis auf 31 Euro an.
Die hohe Verschuldung von Vonovia wäre – so glauben die Optimisten – bei sinkenden Zinsen ein geringes Problem. Immerhin ist der Wohnimmobilienbereich grundsätzlich wesentlich besser mit der Zinssenkungswelle zurechtgekommen als andere Immobiliensegmente. Gleichwohl hat der Kursabsturz des ZBI Immo-Wohnen-Fonds, der von Union Investment verwaltet wird, im Juni für Verunsicherung gesorgt.
Als durchaus schwierig wird die Lage bei Büroimmobilien eingeschätzt. Hohe Leerstandsraten in etlichen Großstädten sind zu einem nicht geringen Teil dem während Covid-19 eingesetzten Trend zur Heimarbeit geschuldet. Freilich könnte sich an dieser Front Entwarnung einstellen, sofern sich Beobachtungen erhärten, dass eine zunehmende Zahl von Unternehmen wieder auf Büropräsenz ihrer Mitarbeiter pocht.
Anleger müssen genau hinschauen
Es gibt aber auch Befürchtungen, wonach Anwendungen der Künstlichen Intelligenz für ein Aussterben etlicher Bürotätigkeiten führen werden. In den USA wurden in den letzten Monaten auch Banken von der Entwicklung der Gewerbeimmobilien tangiert. Erwischt hat es z. B. die New York Community Bank. Das regional tätige Institut wurde im Januar geschwind von 30 Dollar auf 10 Dollar durchgereicht.
Einen spannenden Fall stellt die amerikanische Prologis da. Die Gesellschaft betreibt Versandzentren für große Logistiker. Dieses Marktsegment erlebte in den vergangenen zehn Jahren einen regelrechten Boom, der während der Corona-Jahre kulminierte. Seither musste das Papier deutlich Federn lassen, befindet sich jedoch seit der angekündigten Zinssenkung durch die amerikanische Notenbank Fed wieder im Aufwärtstrend.
Immobiliendienstleister erfuhren zuletzt auch mehr Zuspruch an der Börse. Die im Maklersegment tätigen LSL Property Services aus England und Jones Lang Lasalle aus den USA konnten in diesem Jahr sogar um ein Drittel zulegen, während etwa der amerikanische Wettbewerber RE/MAX Holdings in den letzten zwölf Monaten fast ein Drittel einbüßte, jedoch zuletzt deutlich anstieg. Kleinere Brötchen wurden indessen bei Airbnb gebacken.
Insgesamt zeigt sich der Immobiliensektor in seiner ganzen Heterogenität, so dass ein Blick auf das einzelne Unternehmen stets unabdingbar ist. Aber die in Gang gekommene Zinswende sollte dem Sektor in den kommenden Monaten Rückenwind verleihen.