Wer wird im November US-Präsident: Donald Trump oder Joe Biden? Monatelang haben die Investoren sich auf das Szenario vorbereitet, dass Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt. Doch mit seinem plötzlichen Ausstieg aus dem Rennen hat Joe Biden nicht nur die politische Landschaft in den USA durcheinandergewirbelt. Auch an den Finanzmärkten werden nach seinem Rückzug die Karten völlig neu gemischt.
Mit der als nahezu sicher geltenden Kandidatur von Vizepräsidentin Kamala Harris ist das Rennen wieder offener. So sehr, dass viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischt wurden – und ihre Investments nun anpassen dürften. „Die Zuversicht, dass Trump gewinnt, war wirklich stark“, zitiert die Finanzagentur Bloomberg den Investmentstrategen Gene Munster von Deepwater Asset Management. „Den Märkten wird diese neue Unsicherheit nicht gefallen, ebenso wenig wie die ständigen Nachrichten, wer drin ist, wer raus und all die anderen Unbekannten.“
Nach dem Attentat auf Trump ist Bidens Ausstieg wie ein zweiter Schock, der die Märkte schon wieder durcheinanderwirbelt. Spätestens seit Bidens desaströser Performance im TV-Duell Ende Juni hatten Anleger einen Sieg von Trump eingepreist. Der hat den Abbau von Umweltschutzauflagen, Finanzregulierung und anderen bürokratischen Vorschriften sowie eine Neuauflage seiner gigantischen Steuersenkungsprogramme für Superreiche und Firmen und außerdem hohe Schutzzölle angekündigt. Ein ganzes Heer von Anlageberatern werkelt deshalb schon an Strategien, welche Branchen und Investments von der radikalen Wirtschaftsagenda des Republikaners am meisten profitieren.
Macht Harris den Trump-Trade zunichte?
Ein möglicher Trump-Sieg wurde generell als positiv für den US-Aktienmarkt gesehen. Insbesondere in zwei Branchen: der Ölindustrie und in der Finanzbranche, deren Papiere streckenweise kräftig zulegten. Weil die USA dank Trumps Plänen zudem auf ein noch viel größeres Haushaltsdefizit zusteuern, stießen Anleger zudem US-Staatsanleihen ab und kauften vermehrt Bitcoin.
Zudem wurde wegen höherer Zölle ein stärkerer US-Dollar erwartet. Als mögliche Profiteure wurden zudem US-E-Autobauer Tesla und die Datenfirma Palantir gesehen. Denn deren Chefs Elon Musk und Peter Thiel sind inzwischen die größten Trump-Buddies der US-Wirtschaft und könnten bald zu den größten Einflüsterern des Präsidenten gehören.
Doch all diese Überlegungen sind nun mit Bidens Abgang wieder ein Stück weit Makulatur. Seit Sonntag hat der Aufstieg von Kamala Harris die Gewinne der Trump-Trader angefressen: Der Bitcoin-Kurs ist zurückgegangen, die Renditen der US-Staatsanleihen sind gefallen und die Futures der US-Aktienmärkte gestiegen.
Das Spiel ist noch nicht aus
Grob gesagt dürften von einem Harris-Sieg wohl genau die Gegenspieler der Konzerne profitieren, die bei einem Trump-Erfolg gewinnen würden. Das sind vor allem Anbieter erneuerbarer Energien wie Nextera oder Firstsolar. Und Verlierer wären wohl vor allem große Ölkonzerne. Auch Staatsanleihen dürften sich unter einer Präsidentin Harris vermutlich besser schlagen als unter einem Präsidenten Trump, weil nach Meinung von Experten unter dem Republikaner deutlich höhere Inflation zu erwarten ist.
Klar ist: Märkte hassen Unsicherheit. Je länger es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen statt einem klaren Sieg von Trump oder Harris aussieht, desto länger dürfte es ein Auf und Ab geben. Der Chefaktienstratege der Citigroup schätzt die Chancen auf den Wahlausgang durch Bidens Ausstieg wieder näher bei 50/50 ein.
Bis klar ist, ob Harris sich bei den Demokraten durchsetzt, dürften die Börsen also nervös bleiben – im Zweifel bis zum Parteitag der Demokraten im August. „Der Trump-Trade wird wahrscheinlich Pause machen, bis klarer ist, wer der demokratische Kandidat wird“, sagt Chefanlagestratege Yung-Yu Ma bei BMO Wealth Management zu Bloomberg. „Das führt zu noch mehr politischer Unsicherheit an den Märkten, deshalb könnte es kurzfristig wahrscheinlich etwas ruckelig werden“.
Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.