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Erste Insolvenz THG-Quoten sinken: Ist das Geschäftsmodell der Anbieter am Ende?

E-Auto an einer Ladesäule
Besitzer von Elektrofahrzeugen sparen Treibhausgase ein können dafür Geld bekommen
© picture alliance / SULUPRESS.DE | Torsten Sukrow / SULUPRESS.DE
Wer ein E-Auto fährt und so Emissionen einspart, kann sich über THG-Quoten-Anbieter Geld auszahlen lassen. Ein großer Player ist jetzt insolvent – was das über die Marktentwicklung sagt

Treibhausgasminderungsquote, kurz THG-Quote: Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich ein Instrument, mit dem sich Privatpersonen und Unternehmen, die E-Autos besitzen, seit vergangenem Jahr etwas dazu verdienen können. Denn mit ihren Elektrofahrzeugen sparen sie CO2 ein und können dafür eine Prämie einstreichen. Alles, was zu tun ist, sich bei einem Anbieter von THG-Quoten zu registrieren. Davon gibt es zahlreiche im Internet, aber auch größere Verbände und kommunale Versorger wie die Stadtwerke sind auf dem Markt.

Einer der größten Anbieter, das Berliner Unternehmen Equota, musste nun Insolvenz anmelden –und begründet das unter anderem mit den gefallenen Quotenpreisen am Markt. Ein Alarmsignal? Ist der Handel mit Minderungsquoten überhaupt noch ein Geschäftsmodell, wenn auf absehbare Zeit immer mehr Emissionen eingespart werden?

So arbeiten THG-Quoten-Anbieter

Um diese Frage beantworten zu können, muss zunächst die Rolle der Anbieter geklärt werden. Wie verdienen sie überhaupt Geld, wenn sie Prämien auszahlen? Anbieter wie Equota, Quotlix oder Elektrovorteil sind eine Art Zwischenhändler zwischen Privatpersonen oder Unternehmen mit Elektrofahrzeugen und den Mineralölkonzernen. Mineralölkonzerne bringen fossile Kraftstoffe „in Verkehr“ und sind gesetzlich dazu verpflichtet, Treibhausgase zu vermindern. Das können sie zum Beispiel durch E-Fuels, Biokraftstoffe oder Treibhausgasminderungen der Elektromobilität erreichen.

Wenn die Konzerne durch eigene Maßnahmen aber nicht genug einsparen, was in der Regel der Fall ist, können sie ihre Bilanz durch gekaufte Zertifikate aufbessern. Wer als Privatperson oder Unternehmen Elektroauto fährt, sammelt diese Minderungszertifikate, weil er gegenüber Verbrennerfahrzeugen CO2 einspart. THG-Quoten-Anbieter verkaufen diese Minderungszertifikate dann an die Mineralölkonzerne weiter, die damit ihrer Einsparpflicht nachkommen können.

Diese Weitergabe von Minderungen ist das Geschäftsmodell der Anbieter. „Für Einzelpersonen oder -unternehmen hat das den Vorteil, dass sie nicht selbst Verträge mit der Mineralölindustrie eingehen müssen“, erklärt Peter Kasten vom Öko-Institut in Berlin. Er hat das Bundesumweltministerium zum THG-Mechanismus beraten. Die Höhe der Prämie, die die Anbieter Kundinnen und Kunden auszahlen, hänge vom Markt ab – also vor allem davon, was die Mineralölkonzerne zu zahlen bereit sind. Wenn für sie Alternativen, zum Beispiel Biokraftstoffe, für einen niedrigen Preis verfügbar seien, schlage das auf die Preise durch. „Bei anrechenbaren Kraftstoffen gab es zuletzt einen Preisverfall. Die Bereitschaft der Mineralölindustrie diese beizumischen, ist dadurch gewachsen“, sagt Kasten. „Und dadurch ist die Zahlungsbereitschaft der Ölkonzerne für Minderungszertifikate aus der Elektromobilität gesunken.“

Gesunkene THG-Quoten setzen Anbieter unter Druck

Zur Preisminderung bei Biokraftstoffen kam es durch regulatorische Änderungen zu Jahresbeginn. Dass diese zu „unvorhergesehenen Marktveränderungen“ geführt hätten, nennt auch Equota als Grund für die Insolvenz. Einfluss auf die Quote nimmt außerdem der Strommix, den E-Autos tanken. Im Jahr 2021, auf dem die letzten Berechnungen des zuständigen Umweltbundesamts basieren, hat fossiler Strom einen großen Anteil am Strommix ausgemacht. Mineralölunternehmen dürfen deswegen 2023 pro ausgestoßener Einheit Treibhausgase mehr Emissionen ausstoßen als noch 2022 – und müssen im Umkehrschluss weniger Einsparzertifikate kaufen. Dazu sparen E-Autos bei schmutzigerem Strom auch weniger gegenüber Verbrennern ein und es gibt weniger, das an Mineralölunternehmen übertragen werden kann.

„Die Einnahmen der Fahrzeugbesitzer werden jetzt sinken“, sagt Kasten. „Aber einige Anbieter werden diese Preisänderungen überleben. Die Preise werden sich auch wieder erholen.“ In den ersten Monaten dieses Jahres ist die THG-Quote stark gesunken. Während die Prämie für E-Auto-Besitzer vergangenes Jahr noch zwischen 300 und 400 Euro lag, befindet sie sich dieses Jahr eher zwischen 250 und 285 Euro.

Wie groß die Auswirkungen dieses Einbruchs für die einzelnen Anbieter sind, hängt von ihrem Geschäftsmodell ab. Einige gehen mehr Risiko ein, indem sie ihren Kundinnen und Kunden Festpreise anbieten. Wenn sie die entsprechenden Preise bei den Mineralölkonzernen nicht erzielen können, geraten sie in eine wirtschaftliche Schieflage. Andere Anbieter knüpfen ihre Angebote deshalb direkt an das, was sie tatsächlich bei den Mineralölunternehmen erzielen.

Geschäftsmodell THG-Quote funktioniert noch

Auf Dauer könnte die THG-Quote insgesamt sinken, weil die CO2-Emissionen schließlich gesenkt werden sollen. Einerseits werden fossile Kraftstoffe immer sauberer, sodass die CO2-Einsparung eines Elektrofahrzeugs im Vergleich sinken könnte. Andererseits wird mittelfristig auch der Strommix sauberer und das E-Autofahren wieder wertvoller werden. Entscheidend sei außerdem, dass die Anforderungen an die Mineralölindustrie in den kommenden Jahren steigen werden und sie immer mehr Treibhausgase einsparen muss, erklärt Kasten.

Er geht deshalb nicht davon aus, dass sich das Geschäftsmodell der THG-Quoten-Anbieter erledigt hat. Dass jetzt Anbieter vom Markt verschwinden, überrascht ihn nicht. „Wir hatten einen Run. Dass es in einem neuen Markt wie diesem irgendwann eine Konsolidierung geben wird, habe ich erwartet. Das ist nichts Schlimmes.“

Der insolvente Anbieter Equota will seinen Betrieb mit einem Insolvenzverwalter nun erst einmal fortführen, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Die Quotenerlöse der Kunden sowie ihre Verträge hätten Bestand. Man habe den Insolvenzantrag mit dem Ziel gestellt, das „Unternehmen zu sanieren“.

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